Fachhochschule Köln

Fachbereich Sozialpädagogik

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Diplomarbeit

 

Alte Menschen und die Relevanz des

Erzählens im Altenheim

 

 

 

 

 

 

 

Claudia ONIDA

Musterstrasse 123

12345 Musterstadt

 

 

 

 

 

Betreuer:                 Dr. phil. habil. Winfred Kaminski

Zweitprüfer:           Prof. Dr. phil. Volker Schmidt-Kohl

 

Abgabetermin:        13. Juli 1999

                                   SS 1999


Vorwort

 

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die mir bei der Erstellung und Verwirklichung der Diplomarbeit und der praktischen Durchführung der Erzählcafés geholfen haben.

Ohne die Mitwirkung vieler Beteiligten hätte das Erzählcafé nicht ins Leben gerufen werden können.

Insbesondere möchte ich mich bei den Bewohnern und Mitarbeitern des Alten- und Pflegeheims Haus X für die Interviews, die Teilnahme am Erzählcafé und für Tipps, Anregungen, Verbesserungsvorschläge, Unterstützung und Literaturhinweise bedanken.

 

Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen, dass die betreffenden Quellennachweise in der Diplomarbeit, der Übersichtlichkeit halber, in Form von Zahlen in eckigen Klammern hinter den Abschnitten aufgeführt sind. Die dazugehörigen Quellen sind im Anhang zu finden.

 

Ferner ist diese Diplomarbeit unter Berücksichtigung der neuen Rechtschreibung erstellt worden, daher kann es teilweise zu Irritationen kommen.

 

Die ausschließliche Benennung der gebräuchlichen männlichen Bezeichnung, wie zum Beispiel: Mitarbeiter und Bewohner, schließt weibliche Personen mit ein. Diese Formulierung ist der Einfachheit halber gewählt und möchte das weibliche Geschlecht weder ausschließen noch diskriminieren.

 


Inhaltsverzeichnis

 

I Einleitung .......................................................................................................... 6

II Ausarbeitung................................................................................................... 9

A Motivation....................................................................................................................................................

B Demographische Entwicklung......................................................................................................

1 Einleitung zur demographischen Entwicklung..............................................................

2 Recherche.................................................................................................................................................

2.1 Das Statistische Bundesamt.............................................................................................................

2.2 Die Ansicht des AWO-Bundesverbandes.......................................................................................

2.3 Darstellung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung...................................................

2.4 Der Anteil der Alten an der Bevölkerung im historischen Rückblick.....................................

2.5 Das Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend.......................................

2.5.1 Durchschnittsalter der Bevölkerung im Rückblick........................................................................

2.5.2 Faktoren, die die Lebenserwartung beeinflussen...........................................................................

2.5.3 Prozentualer Anteil der Alten an der Bevölkerung.........................................................................

2.6 Der Alterungsprozess regionalabhängig......................................................................................

2.7 Statistik aus dem Bergischen Land................................................................................................

2.8 Der Alterungsprozess auf der gesamten Welt...............................................................................

2.9 Gründe für die demographische Alterung....................................................................................

3 Resümee aus der Betrachtung der demographischen Entwicklung.................

4 Wohnformen im Alter......................................................................................................................

4.1 Wohnen in Institutionen...................................................................................................................

4.2 Das Altenheim....................................................................................................................................

4.3 Das Pflegeheim...................................................................................................................................

4.4 Rechtliche Grundlagen für Heimbewohner..................................................................................

4.5 Vorstellung eines Alten- und Pflegeheims....................................................................................

C Definition Alter.......................................................................................................................................

1 Verschiedene Begriffsdefinitionen...........................................................................................

2 Eigene Gedanken zum Begriff „Alter“.....................................................................................

3 Betrachtungen zum Thema Alter in der Literatur.....................................................

4 Grundsätze der Sozialpädagogik zur Arbeit mit alten Menschen...................

D Die Alterstheorien................................................................................................................................

1 Gerontologie..........................................................................................................................................

1.1 Sicht der Biologen.............................................................................................................................

1.2 Sicht der Psychologen......................................................................................................................

1.3 Sicht der Soziologen.........................................................................................................................

2 Biologische Alterstheorien.........................................................................................................

2.1 Altern auf Zellebene..........................................................................................................................

2.1.1 Genetisch orientierte Ansätze.........................................................................................................

2.1.1.1 Allgemein genetisches Modell des Alterns...............................................................................

2.1.1.2 Altern durch somatische Mutation..........................................................................................

2.1.1.3 Die Fehlertheorie....................................................................................................................

2.1.2 Metabolisch orientierte Ansätze.....................................................................................................

2.1.2.1 Die Deprivationstheorie..........................................................................................................

2.1.2.2 Akkumulationstheorie.............................................................................................................

2.1.2.3 Altern durch freie Radikale.....................................................................................................

2.1.2.4 Programmtheorie...................................................................................................................

2.2 Altern auf Organebene.....................................................................................................................

2.2.1 Altern durch Störung der Schilddrüsenfunktion.............................................................................

2.2.2 Altern durch Störung der Hypophysenfunktion..............................................................................

2.2.3 Ein allgemeines neurophysiologisches Modell des Alterns............................................................

 

D Die Alterstheorien

2 Biologische Alterstheorien

2.3 Altern auf Organismusebene...........................................................................................................

2.3.1 Altern durch Störungen des Nervensystems...................................................................................

2.3.2 Altern infolge gestörter Temperaturregulation..............................................................................

2.3.3 Altern durch Störungen im endokrinen Kontrollsystem.................................................................

2.3.4 Die Stress-Theorie.........................................................................................................................

3 Psychologische Alterstheorien................................................................................................

3.1 Das Defizit-Modell der geistigen Entwicklung............................................................................

3.2 Die kognitive Alterstheorie.............................................................................................................

4 Sozialpsychologisch orientierte Alterstheorien........................................................

4.1 Die Aktivitäts - Theorie....................................................................................................................

4.2 Die Disengagement - Theorie..........................................................................................................

4.3 Ein ökologisches Modell des Alterns............................................................................................

E Theorie der Lebensphasen.................................................................................................................

1 Stadium: Frühkindliches Alter..................................................................................................

2 Stadium: Kindheit................................................................................................................................

3 Stadium: Adoleszenz........................................................................................................................

4 Stadium: Erwachsenenalter.......................................................................................................

5 Stadium: Lebensmitte.......................................................................................................................

6 Stadium: Alter......................................................................................................................................

7 Stadium: Hohes Alter.......................................................................................................................

8 Resümee......................................................................................................................................................

F Erzählen........................................................................................................................................................

1 Wo wird erzählt?...............................................................................................................................

2 Was wird erzählt?.............................................................................................................................

3 Wer erzählt?..........................................................................................................................................

4 Über das Erzählen..............................................................................................................................

5 Über das Zuhören................................................................................................................................

6 Erzählen als Therapie.....................................................................................................................

7 Das Medium Erzählen in der Gegenüberstellung zu anderen Medien...............

G Die Bedeutung des Erzählens in anderen Kulturen.........................................................

1 Die Bedeutung des Erzählens bei den Eskimos und den Alaska-Indianern.....

2 Erzählen in afrikanischen Kulturen....................................................................................

3 Erzählen in Asien.................................................................................................................................

3.1 Taiwan.................................................................................................................................................

3.2 China...................................................................................................................................................

3.3 Japan...................................................................................................................................................

3.4 Indien...................................................................................................................................................

4 Erzählen in Europa: deutschsprachige Gegenden vor ca. 100 Jahren.................

4.1 Erzählkreise in dörflichen Gemeinschaften..................................................................................

4.2 Die Bedeutung des Erzählens für Saisonarbeiter........................................................................

4.3 Die Bedeutung des Erzählens für die Schwabengänger............................................................

4.4 Die Bedeutung des Erzählens für die Holzfäller..........................................................................

4.5 Die Bedeutung des Erzählens für die Arbeiter in Ungarn.........................................................

4.6 Erzählen in Gefängnissen................................................................................................................

4.7 Das Erzählen unter den Zigeunern................................................................................................

4.8 Die Bedeutung des Erzählens für die Bergleute..........................................................................

4.9 Das Erzählen unter den Bauern......................................................................................................

4.10 Die Erzähler in Europa..................................................................................................................

4.11 Märchenerzähler in Russland.......................................................................................................

4.12 Erzählen in Großbritannien..........................................................................................................

5 Der Transfer in unsere heutige Gesellschaft...................................................................


H Die Relevanz des Erzählens..........................................................................................................

1 Relevanz des Erzählens für den Menschen......................................................................

2 Relevanz des Erzählens für den alten Menschen.......................................................

3 Relevanz des Erzählens im Altenheim................................................................................

4 Die Planung der Interviews.........................................................................................................

4.3 Das Interview mit den Mitarbeitern.............................................................................................

4.3.1 Auswahl der Befragten.................................................................................................................

4.3.1.1 Begründung für Interviews mit Pflegedienstmitarbeitern..........................................................

4.3.1.2 Begründung für Interviews mit dem Sozialen Dienst................................................................

4.3.2 Methode der Befragung................................................................................................................

4.3.3 Interviewfragen an die Mitarbeiter..............................................................................................

4.4 Das Interview mit den Bewohnern...............................................................................................

4.4.1 Auswahl der Befragten.................................................................................................................

4.4.2 Methode der Befragung................................................................................................................

4.4.3 Interviewfragen an die Bewohner................................................................................................

5 Durchführung der Interviews..................................................................................................

5.1 Mitarbeiter.......................................................................................................................................

5.1.1 Heimleiter.....................................................................................................................................

5.1.2 Sozialpädagoge............................................................................................................................

5.1.3 Altenpflegerin...............................................................................................................................

5.1.4 Ergotherapeutin...........................................................................................................................

5.1.5 Arzt...............................................................................................................................................

5.2 Bewohner..........................................................................................................................................

5.2.1 Altersstrukur der befragten Bewohner.........................................................................................

5.2.2 Aufenthaltsdauer der befragten Bewohner im Heim....................................................................

5.2.3 Art der Sozialkontakte..................................................................................................................

5.2.4 Die Relevanz des Erzählens.........................................................................................................

I Erzählcafé Recherche und Vorbetrachtungen..............................................................

1 Stadtteilbezogene Erzählarbeit...........................................................................................

2 Was ist ein Erzählcafé..................................................................................................................

2.1 Recherche im Internet.....................................................................................................................

2.1.1 Zwei Kölner Erzählcafes:.............................................................................................................

2.1.2 Ein Erzählcafé in Wuppertal........................................................................................................

2.1.3 Erzählfestival in der Akademie Musterstadt..................................................................................

2.1.4 Das DRK-Erzählcafé in Hürth.....................................................................................................

2.1.5 Das Erzählcafé in Limburg..........................................................................................................

2.1.6 Erzählcafe Frankfurt....................................................................................................................

2.1.7 Erzählcafé in der Volkshochschule Leipzig..................................................................................

2.1.8 Das Erzählcafé der Volkshochschule Augsburg..........................................................................

2.1.9 Das Erzählcafé der Seniorenvereinigung Papenburg..................................................................

2.2 Literaturrecherche..........................................................................................................................

3 Ziele des selbst geplanten Erzählcafés im Alten- und Pflegeheim..................

3.1 Richtziele..........................................................................................................................................

3.2 Grobziele...........................................................................................................................................

3.3 Feinziele............................................................................................................................................

4 Auswahl der Teilnehmer.............................................................................................................

5 Rahmenbedingungen zum Erzählen......................................................................................


J Erzählcafé Praktische Durchführung.................................................................................

1 1. Erzählcafé........................................................................................................................................

1.1 Planung.............................................................................................................................................

1.1.1 Die Einladungskarten..................................................................................................................

1.1.2 Auswahl des Raumes....................................................................................................................

1.1.3 Beschreibung des Raumes............................................................................................................

1.1.4 Die Raumgestaltung.....................................................................................................................

1.1.5 Die Tischkarten............................................................................................................................

1.1.6 Absprache mit der Küche.............................................................................................................

1.1.7 Inhaltliche Vorbereitung auf das Erzählcafé................................................................................

1.1.8 Thema des Erzählcafés................................................................................................................

1.1.9 Ziel des Nachmittags....................................................................................................................

1.1.10 Beginn des Nachmittags.............................................................................................................

1.1.11 Ausklang des Nachmittags.........................................................................................................

1.1.12 Reflexion.....................................................................................................................................

1.2 Durchführung...................................................................................................................................

1.2.1 Vorbereitungen für den 1. Nachmittag.........................................................................................

1.2.2 Beginn des Nachmittags...............................................................................................................

1.2.3 Thema des Erzählcafés................................................................................................................

1.2.4 Ausklang des Nachmittags...........................................................................................................

1.3 Reflexion...........................................................................................................................................

1.3.1 Negative Kritikpunkte..................................................................................................................

1.3.2 Konsequenzen aus der negativen Kritik.......................................................................................

1.3.3 Positive Kritikpunkte....................................................................................................................

2 2. Erzählcafé........................................................................................................................................

2.1 Planung.............................................................................................................................................

2.1.1 Auswahl des neuen Raumes.........................................................................................................

2.1.2 Beschreibung des Raumes............................................................................................................

2.1.3 Die Raumgestaltung.....................................................................................................................

2.1.4 Die Einladungskarten..................................................................................................................

2.1.5 Thema des Erzählcafés................................................................................................................

2.1.6 Ziel des Nachmittages..................................................................................................................

2.2 Durchführung...................................................................................................................................

2.2.1 Vorbereitung für das 2. Erzählcafé..............................................................................................

2.2.2 Beginn des 2. Nachmittags...........................................................................................................

2.2.3 Thema des 2. Erzählcafés............................................................................................................

2.2.4 Ausklang des 2. Nachmittags.......................................................................................................

2.3 Reflexion...........................................................................................................................................

2.3.1 Negative Kritikpunkte / Verbesserungsvorschläge......................................................................

2.3.3 Positive Kritikpunkte....................................................................................................................

2.3.4 Das Thema des Nachmittags.......................................................................................................

2.3.5 Ziele des Nachmittags..................................................................................................................

2.3.6 Der Ausklang des Nachmittags....................................................................................................

3 3. Erzählcafé........................................................................................................................................

4 4. Erzählcafé........................................................................................................................................

5 Reflexion der Erzählcafés.........................................................................................................

6 Fotogalerie...........................................................................................................................................

7 Ausblick..................................................................................................................................................

 

III Schlussbetrachtungen....................................................................... 221


IV Anhang........................................................................................................... 222

A Interviews.................................................................................................................................................

1 Der Heimleiter......................................................................................................................................

2 Der Sozialpädagoge........................................................................................................................

3 Die Altenpflegerin............................................................................................................................

4 Die Ergotherapeutin........................................................................................................................

B Gesetzliche Grundlagen.................................................................................................................

1 Das Heimgesetz....................................................................................................................................

2 Die Pflegeversicherung..................................................................................................................

C Quellennachweis.................................................................................................................................

1 Literaturverzeichnis......................................................................................................................

2 Zeitschriften........................................................................................................................................

3 Internet - Links....................................................................................................................................

4 Weitere Quellen..................................................................................................................................

D Abbildungs- und Tabellenverzeichnis..................................................................................

1 Abbildungsverzeichnis..................................................................................................................

2 Tabellenverzeichnis........................................................................................................................

E Eidesstattliche Erklärung...........................................................................................................

 

 


I Einleitung

Die vorliegende Diplomarbeit „Alte Menschen und die Relevanz des Erzählens im Altenheim“ läßt sich grob in zwei Schwerpunktthemen unterteilen:

Der erste Teil der Diplomarbeit „Alte Menschen“, beschäftigt sich eingehend mit dem Alter.

Der zweite Schwerpunkt der Diplomarbeit behandelt das Thema: „Erzählen“.

Schließlich führen die Gebiete „Alte Menschen im Heim“ und das „Erzählen“ zur Diskussion der „Relevanz des Erzählens im Altenheim“.

 

Die Ausarbeitung wird durch die Erläuterung zur Motivation zum Thema in Kapitel A eingeleitet.

Kapitel B beschäftigt sich mit der Betrachtung zur demographischen Entwicklung der Bevölkerung, ihrem Durchschnittsalter und der Prognose zum Anteil alter Menschen an der Bevölkerung in den kommenden Jahren. Ferner werden die Lebenserwartung und deren beeinflussende Faktoren genannt. Im Anschluss daran werden verschiedene Wohnformen im Alter vorgestellt unter besonderer Berücksichtigung eines Alten- und Pflegeheims, in dem auch die praktische Durchführung dieser Diplomarbeit erfolgte.

Das „Alter“ wird im Kapitel C näher definiert. Neben den verschiedenen Begriffsdefinitionen und Betrachtungen in der Literatur werde ich auch eigene Gedanken zum Alter und die Grundsätze der Sozialpädagogik zur Arbeit mit alten Menschen vorstellen.

Darüber hinaus wird im Kapitel D eingangs der Begriff Gerontologie näher erläutert und im Anschluß daran die Sichtweisen der verschiedenen Disziplinen vorgestellt. Im einzelnen erläutere ich die wichtigsten biologischen Alters-theorien sowie die psychologischen und die sozialpsychologisch orientierten Theorien.

Die verschiedenen Lebensphasen der Theorie des Psychologen Eric Erikson kommen in Kapitel E zur Sprache. Sie leiten in der letzten Phase, „das hohe Alter“, nach Naomi Feil durch das Resümee zum zweiten Schwerpunkt der Diplomarbeit über: „Die Relevanz des Erzählens“.

Im Kapitel F werden die Grundlagen zum Thema „Erzählen“ erläutert und anderen Medien gegenüber gestellt.

Darüber hinaus wird die Bedeutung des Erzählens in anderen Kulturen im Kapitel G dargelegt. Vor dem Transfer in unsere heutige Gesellschaft, werde ich ausführlich die Bedeutung des Erzählens in Europa und deutschsprachigen Gegenden vor ca. 100 Jahren diskutieren.

Kapitel H schließlich beschäftigt sich mit der Relevanz des Erzählens für den Menschen. Hierbei wird von allgemeinen Betrachtungen aus übergeleitet zu der Relevanz des Erzählens für alte Menschen hin zu dem speziellen Thema, der Relevanz des Erzählens im Altenheim. Um die Bedeutung des Erzählens im Altenheim näher untersuchen zu können, führe ich im Folgenden Interviews im Altenheim durch. Ich stelle die Auswahl der befragten Mitarbeiter und Bewohner sowie die Methode der Befragung und die Inhalte der Interviews vor. Im Anschluss daran werden sinngemäß und stichpunktartig die Aufgabenbereiche und Sichtweisen zum Erzählen der Mitarbeiter des Altenheims deutlich gemacht. Die wortwörtlich wiedergegebenen Originalinterviews befinden sich im Anhang. Die soziographischen Daten und die Sichtweisen zur Bedeutung des Erzählens der Zielgruppe Heimbewohner werden in Form von graphischer Darstellung übersichtlich dargelegt.

Eine Möglichkeit der sozialen Arbeit, um der Relevanz des Erzählens im Altenheim entgegen zu kommen und den Bewohnern die Möglichkeit zum Erzählen einzuräumen, ist die Einrichtung eines Erzählcafés. Im Kapitel I werde ich im Internet und in der Literatur zu schon bestehenden Erzählcafés recherchieren und sie einzeln vorstellen. Das Kapitel endet mit den Vorüberlegungen zur Gründung eines Erzählcafés im vorgestellten Alten- und Pflegeheim und definiert die Zielsetzung.

Im Kapitel J werden detailliert die durchgeführten Erzählcafés von der Planung, über die Durchführung bis hin zur Reflexion und den daraus resultierenden Konsequenzen erläutert. Im Folgenden findet eine Reflexion der Erzählcafés statt, die sich kritisch mit der Erfüllung der Zielsetzung auseinandersetzt. Abgerundet wird das Kapitel durch eine Fotogalerie, die die entstandenen Fotos aus den verschiedenen Erzählcafés beinhaltet. Der Ausblick beschäftigt sich mit den Konsequenzen und der weiteren Zukunft des eingerichteten Erzählcafés.

Die Schlußbetrachtung resümiert die Fragestellung der Diplomarbeit: „Die Relevanz des Erzählens im Altenheim“ und stellt den gewählten Lösungsansatz dar: „Einrichtung eines Erzählcafés“.

Im Anhang befinden sich die Originalinterviews mit den Mitarbeitern, Ausführungen zu den gesetzlichen Grundlagen im Heimgesetz und der Pflegeversicherung sowie der Quellennachweis und das Abbildungsverzeichnis.

Ferner liegt dieser Diplomarbeit als Anlage eine Videokassette mit der Aufnahme eines Erzählnachmittags des eingerichteten Erzählcafés im Altenheim zum Thema „Gedichte“ bei.

Darüber hinaus befindet sich in der Anlage eine beigefügte CD, mit Ausschnitten aus den Interviews mit den Bewohnern zum Thema „Relevanz des Erzählens“.

 

 


II Ausarbeitung

A  Motivation

 

 

 

 

 

Ist das Leben des Individuums

nicht vielleicht ebenso viel wert,

wie das des ganzen Geschlechtes?

Denn jeder einzelne Mensch

ist schon eine Welt,

die mit ihm geboren wird

und mit ihm stirbt.

Unter jedem Grabstein

liegt eine Weltgeschichte.

 

(Heinrich Heine)


Ich habe während des Studiums der Sozialpädagogik in den unterschiedlichsten sozialen Bereichen gearbeitet.
Vor Beginn meines Studiums arbeitete ich ein Jahr als Praktikantin in der Ergotherapie einer psychiatrischen Einrichtung und kam in den verschiedenen Praktika der Verhaltens-, Arbeits- und Beschäftigungstherapie mit allen Altersgruppen in Berührung. Vor allem arbeitete ich auch mit Gruppen von alten Menschen und in der Einzelbetreuung beschäftigte ich mich auch mit Akut- und Langzeitpatienten der Gerontopsychiatrie.
Mein Blockpraktikum im Rahmen des Studiums führte ich im Sozialen Dienst eines Altenheimes unter Anleitung eines Sozialpädagogen durch.
Darüber hinaus war ich während der Semesterferien auch in einem anderen Altenheim im „Gruppenübergreifenden Dienst“ (GÜD) tätig.
Des weiteren arbeitete ich auch in der Gruppenarbeit der psychiatrischen Altentagesstätte einer evangelischen Nerven- und Heilanstalt.
Zusätzlich war ich als Altenpflegehelferin jeweils auf zwei verschiedenen Bereichen der Gerontopsychiatrie mit Langzeitpatienten tätig.
Darüber hinaus arbeitete ich in den Semesterferien in der Tagesgruppe der Gerontopsychiatrie. Seit 1½ Jahren bin ich als festangestellte Teilzeitkraft im Altenpflegebereich des evangelischen Alten- und Pflegeheims Haus X  in Musterstadt beschäftigt.

Da ich in der Arbeit mit alten Menschen über viel praktische Erfahrung verfüge, lag es für mich nahe, mich auch im Rahmen der Diplomarbeit mit diesem Thema zu beschäftigen. Dazu kommt natürlich, dass mir die Arbeit mit alten Menschen viel Freude macht und ich sie für sehr sinnvoll erachte.

Auch habe ich schon als Kind positive Erfahrungen mit der älteren Generation gesammelt. Ich verdanke meinen Großeltern viele schöne Erlebnisse und Kindheitserinnerungen. Wie oft saß ich auf dem Schoß meines Opas und hörte ihn die Gedichte ab, die ich aus dem Kindergarten mitbrachte und die er dann auswendig lernen musste! Wie viele Kleider schneiderte mir meine Oma und bereitete für mich mein Lieblingsessen. Erinnerungen an die Großeltern prägen das Leben eines Kindes.
Abgesehen von den persönlichen Bezügen möchte ich nun auf einige andere Aspekte eingehen.

Wir haben das Jahr 1999. Es ist von den Vereinten Nationen (UNO) zum internationalen Jahr der Senioren ernannt worden. Dies ist auch ein Grund, sich gerade jetzt, in diesem Jahr, mit dem Thema auseinander zu setzen. Die Gemeinschaft der IJS (Internationales Jahr der Senioren) führt in diesem Jahr unzählige Veranstaltungen für alte Menschen durch und fordert auch die Bevölkerung auf, sich mit dem Thema auseinander zu setzen und mit Angeboten auf die Alten zuzugehen.

Vor allem wird das Thema zunehmend aktueller. Die Zahl der alten Menschen steigt, auf Grund der zunehmenden Lebenserwartung. Ich habe dies ausführlich in der Diplomarbeit dargestellt.

Darüber hinaus ist das Alter etwas, was alle Menschen betrifft, sofern sie nicht vorher sterben. Jeder Mensch wird einmal alt und eventuell hilfebedürftig und sollte dies in jungen Jahren nicht vergessen.

Da ich selbst auch einmal betroffen sein werde und vielleicht auf Hilfe angewiesen bin, möchte ich mich nun auch den Alten widmen und sie dort unterstützen, wo sie mich brauchen, auch wenn ich als einzelne Person nur einen geringen Teil der Menschen erreichen kann. Aus diesem Grund bin ich auch bemüht, Öffentlichkeitsarbeit zu leisten, um andere Menschen zu dieser Arbeit zu motivieren.

Dazu kommt, dass die Beschäftigung mit dem Thema auch eine Auseinandersetzung und eine Vorbereitung auf meinen eigenen Alterungsprozess darstellt. Ich kann mir somit mit dieser Auseinandersetzung mein „Altwerden“ bewusst machen, es annehmen und sinnvoll gestalten.

Der weitere Schwerpunkt der Diplomarbeit liegt auf dem Thema Erzählen.
Da ich persönlich sehr gerne erzähle, entspricht das Thema meiner persönlichen Begabung und Neigung.
Mir persönlich bedeutet das zwischenmenschliche Miteinander-Kommunizieren und der soziale Erfahrungs- und Wissensaustausch sehr viel.

Ich habe mich auch während des Studiums im Rahmen von Medienpädagogik im Fach „Ästhetik und Kommunikation“ mit dem Erzählen beschäftigt und es für die mündliche Fachprüfung zum Thema gewählt.

Ich habe diese zwei Schwerpunkte im Rahmen dieser Diplomarbeit miteinander verknüpft, da ich glaube, dass das Erzählen für alte Menschen sehr relevant ist.

Ich habe mich beim Thema „Relevanz des Erzählens“ speziell auf die Situation im Altenheim konzentriert.

Ich möchte kurz die Situation schildern, die für mich der Auslöser war, diese Diplomarbeit „Alte Menschen und die Relevanz des Erzählens im Altenheim“ zu schreiben.
Ich bin, wie bereits erwähnt, als Altenpflegehelferin im Pflegeheim tätig.
Bei der morgendlichen Pflegerunde war ich im Zimmer einer fast 100-jährigen Dame. Sie begann mir, während ich ihr bei der Körperpflege half, aus ihrem Leben zu erzählen: Sie besaß früher ein Haus am Mittelmeer in Italien und war dort als Malerin tätig. Sie fuhr schon sehr früh, was damals für eine Frau noch sehr ungewöhnlich war, auch gegen den Willen des Vaters, selbst mit dem eigenen Auto und bereiste unzählige Länder.
Ich fand das Leben dieser Frau sehr interessant und erlebnisreich und hätte mich gerne länger mit ihr darüber unterhalten. Leider musste ich sie zwangsläufig, mitten in ihrer spannenden Erzählung unterbrechen, da ich während der Pflegerunde nur eine sehr begrenzte Zeit zur Verfügung habe. Während der Arbeit bleibt kaum Zeit übrig, um sich länger mit den Menschen zu unterhalten.
Nach dieser Situation wurde mir ganz deutlich bewusst, wie unhöflich und verletzend mein Verhalten dieser alten Dame gegenüber erscheinen musste. Für sie war es sehr wichtig gewesen, sich mir mitzuteilen, von mir Anerkennung zu bekommen und ihr Leben vor ihrem Tod noch einmal zu resümieren.

Mir wurde deutlich, wie wichtig das Erzählen für Menschen ist, die in einem Altenheim leben und wie wenig andere Menschen sie haben, die sich für ihre interessanten Geschichten interessieren und sich die Zeit nehmen, ihnen zuzuhören.

So entstand meine Motivation zu der vorliegenden Arbeit.

 


B  Demographische Entwicklung

1     Einleitung zur demographischen Entwicklung

Ich möchte mich im ersten Teil der Diplomarbeit mit der Zielgruppe „ältere Menschen“ näher beschäftigen, bevor ich mit ihnen die praktische Arbeit durchführe.

Auch möchte ich mich im zweiten Teil erst einmal theoretisch mit dem Erzählen beschäftigen, bevor ich zur praktischen Durchführung des Erzählcafés komme.

Wenn man sich mit der Zielgruppe „alte Menschen“ befasst, stellt man sich auch die Frage, wie viele alte Menschen in der Bundesrepublik Deutschland und in der nahen Umgebung leben.

Hinzu kommt der Blick in die Zukunft. Da sich laut Prognosen die Zahl der älteren Menschen in der Zukunft stark ändern wird, möchte ich mich im ersten Kapitel zunächst mit der demographischen Entwicklung der Altersstruktur befassen. Daran wird man auch erkennen können, wie relevant das Thema „alte Menschen“ in der Zukunft sein wird.

Auch in der Sozialpädagogik wird es zunehmend aktueller, da ältere Menschen eine Zielgruppe der sozialpädagogischen Arbeit sind.

2     Recherche

Ich habe im Internet zur demographischen Entwicklungsstruktur recherchiert und dazu Tabellen, Zahlen und Entwicklungsdiagramme gefunden.

2.1     Das Statistische Bundesamt

Das Statistische Bundesamt Deutschland hat am 16.02.1999 die Zahlen der Einwohner in Deutschland veröffentlicht.

Die folgenden Tabellen zeigen, dass die Bevölkerung in Deutschland stetig zunimmt. Zur Bevölkerung Deutschlands zählen alle Einwohner, die mit ihrer Hauptwohnung in der Bundesrepublik gemeldet sind. Die Bundesrepublik ist ein dichtbesiedeltes Land. Es leben rund 82 Millionen Einwohner hier, das entspricht einer Bevölkerungsdichte von 230 Personen je Quadratkilometer. Die Vergleichszahl für die Europäische Union liegt bei 116 Personen je Quadratkilometer.

Bevölkerungsentwicklung und Lebenserwartung

Gegenstand der Nachweisung

Einheit

1995

1996

1997

Früheres Bundesgebiet

Einwohner am 31.12.

1 000

 67 643,1 ¹

 67 880,1 ¹

 67 974,0 ¹

Eheschließungen, Geborene, Gestorbene

Eheschließungen

je 1 000 Einw.

5,7

5,6

5,5

Lebendgeborene

je 1 000 Einw.

10,3

10,5

10,7

Nichtehelich Lebendgeborene

 je 1 000 Lebendgeb.

128,9

136,8

142,7

Gestorbene

je 1 000 Einw.

10,7

10,6

10,4

Überschuß der Geborenen(+)

je 1 000 Einw.

– 0,4

– 0,1

+ 0,3

Bzw. der Gestorbenen(–)

 

 

 

 

Ehescheidungen

je 1 000 Einw.

2,2 ¹

2,3 ¹

2,4 ¹

Lebenserwartung

Männer

Jahre

73,53 ²

73,79 ³

74,07 4

Frauen

Jahre

79,81 ²

80,00 ³

80,21 4

¹ Früheres Bundesgebiet einschl.Berlin.
² 1993/95. ³ 1994/96. 4 1995/97.

Tabelle 1 Bevölkerungsentwicklung und Lebenserwartung West





Bevölkerungsentwicklung und Lebenserwartung

Gegenstand der Nachweisung

Einheit

1995

1996

1997

Neue Länder und Berlin-Ost

Einwohner am 31.12.

1 000

14 174,4 ¹

14 132,1 ¹

14 083,3 ¹

Eheschließungen, Geborene, Gestorbene

Eheschließungen

je 1 000 Einw.

3,5

3,5

3,5

Lebendgeborene

je 1 000 Einw,

5,4

6

6,5

Nichtehelich Lebendgeborene

 je 1 000 Lebendgeb.

417,7

423,9

441

Gestorbene

je 1 000 Einw.

11,5

11,3

10,9

Überschuß der Geborenen (+) bzw.
der Gestorbenen (–)

je 1 000 Einw.

– 6,1

– 5,2

– 4,4





Bevölkerungsentwicklung und Lebenserwartung

Gegenstand der Nachweisung

Einheit

1995

1996

1997

Neue Länder und Berlin-Ost

Ehescheidungen

je 1 000 Einw.

1,5 ¹

1,6 ¹

1,9 ¹

Lebenserwartung

Männer

Jahre

70,72 ²

71,20 ³

71,77 4

Frauen

Jahre

78,16 ²

78,55 ³

79,02 4

¹ Neue Länder ohne Berlin-Ost.
² 1993/95. ³ 1994/96. 4 1995/97.

Tabelle 2 Bevölkerungsentwicklung und Lebenserwartung Ost

 

Darüber hinaus zeigen die Tabellen, dass die Lebenserwartung der Männer und Frauen sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern gestiegen ist. Entsprach die Lebenserwartung im Zeitraum 1993-1995 der Männer noch 73,53 (70,72) Jahre, so ist sie bereits im Zeitraum 1995-1997 auf 74,07 (71,77) Jahre angestiegen. Im gleichen Zeitraum stieg die Lebenserwartung der Frauen von 79,81 (78,16) auf 80,21 (79,02) Jahre.

Am 31.12.1995 lebten insgesamt 81.817.500 Menschen in Deutschland. Die Zahl erhöhte sich 1996 um 194.700 Menschen. Bis zum 31.12.1997 erhöhte sich die Zahl wiederum um 45.200 Personen auf insgesamt 82.057.400. Davon sind 39.992.300 männlichen und 42.065.100 weiblichen Geschlechts. Die genauen Zahlen des Bevölkerungswachstums, sind der folgenden Tabelle, die vom Statistischen Bundesamt im Internet veröffentlicht wurde, zu entnehmen.

 



Bevölkerung nach Geschlecht

Gegenstand der Nachweisung

Einheit

1995

1996

1997

Deutschland

Einwohner am 31.12.

 1 000

 81 817,5

 82 012,2

 82 057,4

männlich

1 000

39 824,8

39 954,8

39 992,3

weiblich

1 000

41 992,7

42 057,3

42 065,1

Tabelle 3 Bevölkerung nach Geschlecht

 

Niedrige Geburtenzahlen und die Abnahme der Heiratsbereitschaft spiegeln die Einstellung der Gesellschaft zu Familie und Kindern wieder und sie nehmen Einfluss auf die Größe der Haushalte, die tendenziell seit Jahren abnimmt. Besonders in Großstädten sind 1-Personen-Haushalte überdurchschnittlich anzutreffen. Die Tabelle Haushalte und Bevölkerungsbewegung zeigt, dass 1- und 2-Personenhaushalte von 1995 bis 1997 zunahmen. Haushalte mit mehr als 3 Personen nahmen kontinuierlich ab. Besonders die alten Menschen werden in der Zukunft zunehmend in 1-Personenhaushalten leben, da sie oftmals ihren Lebenspartner verloren haben und in der heutigen Gesellschaft die Mehrgenerationenhaushalte immer seltener werden[1].

 

Haushalte und Bevölkerungsbewegung

Gegenstand der Nachweisung

Einheit

1995

1996

1997

Deutschland

Haushalte (im April)

1 000

36 938

37 281

37 457

Einpersonenhaushalte

1 000

12 891

13 191

13 259

2-Personenhaushalte

1 000

11 858

12 039

12 221

3-Personenhaushalte

1 000

5 847

5 770

5 725

4-Personenhaushalte

1 000

4 596

4 556

4 537

Haushalte mit 5 und mehr Personen

1 000

1 746

1 725

1 715

Eheschließungen, Geborene, Gestorbene

Eheschließungen

Anzahl

430 534

427 297

422 776

Lebendgeborene

Anzahl

765 221

796 013

812 173

und zwar: nichteheliche

Anzahl

122 876

135 700

145 833

Ausländer/-innen

Anzahl

99 714

106 229

107 182

Totgeborene

Anzahl

3 405

3 573

3 510

Gestorbene

Anzahl

884 588

882 843

860 389

Überschuß der Geborenen (+) bzw.
der Gestorbenen (–)

Anzahl

– 119 367

– 86 830

– 48 216

Ehescheidungen

Anzahl

169 425

175 550

187 802

Tabelle 4 Haushalte und Bevölkerungsbewegung

 


Die Bundesrepublik ist bereits heute, wie die meisten Industrieländer, durch eine schwach vertretene junge Generation gekennzeichnet. Die Lebenserwartung der Bevölkerung steigt im gesamten Bundesgebiet, einschließlich der neuen Bundesländer. Dadurch verschiebt sich die Altersstruktur ständig zugunsten der Alten. Die Tabelle 5 zur „Bevölkerung nach Altersgruppen, Familienstand und Religionszugehörigkeit“ des Statistischen Bundesamtes zeigt die Entwicklung nach Altersgruppen von 1995 bis 1997.

 

Bevölkerung nach Altersgruppen, Familienstand und
Religionszugehörigkeit

Gegenstand der Nachweisung

Einheit

1995

1996

1997

Deutschland

nach Altersgruppen von ... bis unter ... Jahren

unter 6

 1 000

4 985,2

4 854,8

4 807,0

6 – 15

1 000

8 253,3

8 332,5

8 291,4

15 – 25

1 000

9 156,8

9 047,9

9 025,5

25 – 45

1 000

26 138,0

26 191,7

26 031,7

45 – 65

1 000

20 551,8

20 728,5

20 935,4

65 und mehr

1 000

12 732,5

12 856,8

12 966,4

Insgesamt

1 000

81 817,5

82 012,2

82 057,4

nach Familienstand

- ledig

1 000

32 086,6

33 428,5

33 686,6

- verheiratet

1 000

39 173,1

38 103,3

37 813,4

- verwitwet/geschieden

1 000

10 557,8

10 480,5

10 557,3

nach Religionszugehörigkeit

darunter:

- evangelisch

1 000

27 922

27 659

...

- katholisch

1 000

27 347

27 229

...

- jüdisch

1 000

54

61

...

Tabelle 5 Bevölkerung nach Altersgruppen, Familienstand und Religionszugehörigkeit

 

Man kann deutlich erkennen, dass die Zahl der Kinder unter sechs Jahren stetig abnimmt. Hingegen nahm die Zahl der 45 bis 60 jährigen zu. Die Zahl der Menschen, die über 65 Jahre alt sind, ist von 12.732.500 im Jahre 1995 auf 12.966.400 in 1997 angestiegen. Dies entspricht einem Zuwachs von 233.900 Personen (+1,8%).
Die Bevölkerungspyramide

Die nachfolgend dargestellte Bevölkerungspyramide des Statistischen Bundesamtes zeigt den Altersaufbau der Bevölkerung am 31.12.1997.

Abbildung 1 Bevölkerungspyramide – Altersaufbau der Bevölkerung

 

Es ist zu erkennen, dass die Zahl der 30-40jährigen Menschen am höchsten ist, da bei diesen Altersjahrgängen die Pyramide besonders breit verläuft. Je breiter die Pyramide, um so mehr Menschen der jeweiligen Altersjahre gibt es. Die Pyramide zeigt auch, dass der Anteil der Kinder und jungen Erwachsenen von 0 bis ca. 25 Jahren jeweils wesentlich weniger an der Gesamtbevölkerung ausmacht, als der Anteil der ca. 60jährigen. Da Modellrechnungen davon ausgehen, dass die Bevölkerung, wegen des geringeren Wunsches nach Kindern, abnehmen wird, wird der Anteil der jungen Menschen gegenüber den Alten auch in Zukunft niedriger sein. Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung. Die nun 30-40-jährigen werden älter als die heutigen Alten. Dadurch ist abzusehen, dass die Zahl der älteren Menschen in der Zukunft zunehmen wird und einen wesentlich höheren Anteil an der Gesamtbevölkerungen einnehmen wird.

Das nächste Schaubild zeigt die jährliche Bevölkerungszunahme bzw. –abnahme, in Deutschland von 1960 bis ca. 1997.

Abbildung 2 Jährliche Bevölkerungszunahme / -abnahme in Deutschland

 

In den Jahren 1960 bis ca. 1974 nahm die Bevölkerung zu, zum Teil bis zu 700.000 Menschen pro Jahr. Sie erlebte einen starken Einbruch ca. 1967, konnte kurz danach jedoch ihren alten Wert erneut erreichen. Seit Anfang der 70er Jahre jedoch sank die Bevölkerungszunahme stetig, bis sie schließlich im Jahre 1974 die Grenze zur Bevölkerungsabnahme erreichte. In den Jahren 1974-1978 und 1981-1985 nahm die Bevölkerung jährlich ab. Seitdem nimmt die Zahl der Bevölkerung wieder zu. Die Bevölkerungszunahme sinkt tendenziell seit Ende der 80er Jahre und hat Ende 1997 den Nullpunkt erreicht. [72]


2.2     Die Ansicht des AWO-Bundesverbandes

Weiterhin fand ich im Internet einen Bericht des AWO – Bundesverbandes e.V. vom 18.05.1998 mit dem Titel „Bald jeder dritte über 60“. Er beruft sich auf den jüngsten Altenbericht der Bundesregierung.

Im Jahr 2030 wird jeder dritte Bürger älter als 60 Jahre sein, das wären 26,4 Millionen Menschen. Zur Zeit liegt der Bevölkerungsanteil der über 60-jährigen bei 20%. Die Zahl der alleinstehenden Senioren wird sich in diesem Zeitraum von 7,8 Millionen auf voraussichtlich 13,2 Millionen erhöhen.

Wir müssen uns auf diese Entwicklung einstellen und anpassen. Absehbar ist, dass das Hilfepotential innerhalb der Familie abnimmt, so dass die Entwicklung immer mehr erweiterte soziale Netzwerke wichtig werden lässt. Die Entwicklung zu immer mehr alten Menschen, die zunehmend alleine leben werden, hat einen Einfluss auf Wohn- und Siedlungsstrukturen sowie auf die Familie und die gesamte Gesellschaft. [68]

2.3     Darstellung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung

Auch das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) veröffentlichte im Internet einen Bericht zur demographischen Lage 1997 in Deutschland. Demnach leben von 82 Millionen Menschen in Deutschland 66,6 Millionen im früheren Bundesgebiet und 15,4 Millionen in den neuen Bundesländern, einschließlich Ost-Berlin. Des weiteren heißt es, dass sich in den letzten Jahren die Sterbehäufigkeit verringert hat. Die Zahl der Sterbeziffer wird auch stark von der weiterhin immer mehr sinkenden Säuglingssterblichkeit beeinflusst. Die Lebenserwartung liegt im Westen immer noch deutlich höher als im Osten und die der Mädchen liegt weiterhin deutlich über der der Jungen. [69]


Darüber hinaus habe ich zur demographischen Lage in der Literatur folgende Anhaltspunkte zusammengetragen:

2.4     Der Anteil der Alten an der Bevölkerung im historischen Rückblick

Ich möchte kurz den Unterschied des heutigen Altenanteils an der Bevölkerung, gegenüber früheren Zeiten, darlegen. Zur Zeit Bismarcks[2] zählten zu den Alten, der sogenannten Gruppe der Ruheständler, nur 2 % der gesamten Bevölkerung. Ende der 80er Jahre in diesem Jahrhundert waren es 22%. Um die Jahrtausendwende werden mehr als 27% und im Jahre 2030 fast 40% der Bevölkerung zu den Alten gehören. [36]

2.5     Das Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend

Ich habe das Bundesministerium angeschrieben und mir reichlich Literatur zuschicken lassen. Im zweiten Altenbericht äußert sich die Bundesregierung zur durchschnittlichen Lebenserwartung wie folgt:

2.5.1    Durchschnittsalter der Bevölkerung im Rückblick

Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurden die Menschen durchschnittlich 37 Jahre alt. 1950 lag die Lebenserwartung für Männer im Durchschnitt bei 64,6 Jahren und für Frauen bei 68,5 Jahren. Heute liegt die Lebenserwartung etwa doppelt so hoch, wie Ende des 19. Jahrhunderts. Männer werden in den alten Bundesländern ca. 73,5, Frauen ca. 79,8 Jahre alt. In den neuen Bundesländern haben Männer eine durchschnittliche Lebenserwartung von 70,7 und Frauen von 78,2 Jahren. [13]


2.5.2    Faktoren, die die Lebenserwartung beeinflussen

Die steigende Lebenserwartung lässt sich vor allem auf die verbesserten Lebensbedingungen zurückführen, sowie auf den medizinisch-technischen Fortschritt. Beeinflusst wird die Lebenserwartung durch 3 Faktoren: Die verminderte Säuglingssterblichkeit, eine geringe Sterblichkeit im Kindesalter sowie ein durchschnittlich höheres Sterbealter. [13]

2.5.3    Prozentualer Anteil der Alten an der Bevölkerung

Modellrechnungen gehen davon aus, dass die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland von 1995 bis 2040 von 81,8 Millionen auf 68,8 Millionen sinken wird. Gleichzeitig verändert sich der prozentuale Anteil zwischen Jungen und Alten. Laut Aussage des Bundesministeriums wird der Anteil der älteren Menschen (60 Jahre und älter) im Zeitraum von 1995 bis 2040 von 17,2 Millionen (21%) auf 25,3 Millionen (36,8%) steigen. In 40 Jahren wird mehr als jeder 3. Mensch älter als 60 Jahre sein. [8]


2.6     Der Alterungsprozess regionalabhängig

Ein weiteres Schaubild soll den Anteil der Hochbetagten an der Bevölkerung 1993 in den verschiedenen Regionen von Deutschland zeigen.

Abbildung 3 Anteil der Hochbetagten an der Bevölkerung 1993

 

Man erkennt, dass noch ein großer Teil der Regionen dunkelblau bzw. hellblau gefärbt ist, diese Regionen stehen für eine stark bzw. unterdurchschnittliche Zahl der 80jährigen an der Bevölkerung. Es gibt nur wenige Flächen, die rot gefärbt sind und einen stark überdurchschnittlichen Anteil der Alten repräsentieren. Auch die Regionen mit überdurchschnittlicher Anzahl Hochbetagter sind noch relativ gering.

Das folgende Schaubild zeigt die Prognose der Zunahme der Hochbetagten bis zum Jahre 2010 in den verschiedenen Regionen Deutschlands.

Abbildung 4 Veränderung der Zahl der Hochbetagten bis 2010

 

Hier gibt es nur noch wenige Gebiete, die einen stark unterdurchschnittlichen Anteil an Hochbetagten aufweisen und auch die hellblauen Gebiete haben stark abgenommen.

Daran kann man ungefähr absehen, wie stark die Zahl der alten Menschen zunehmen wird und welche Regionen besonders betroffen sind. [13]


2.7     Statistik aus dem Bergischen Land

Um zu erfahren, wie groß der Anteil der alten Menschen in der Region ist, in der ich lebe und in der sich auch das Altenheim befindet, in dem ich die praktische Durchführung meiner Diplomarbeit angeboten habe, informierte ich mich im Seniorenführer Bergisch Land 1997/1998. Das Altenheim befindet sich in Musterstadt. Im Seniorenführer Bergisch Land fand ich die Zahlen zur Anzahl der männlichen und weiblichen Alten in Musterstadt und in den Nachbarstädten. [78]

Ich möchte die Zahlen in Form der folgenden Tabelle vorstellen.

Anteil der Senioren an der Bevölkerung Bergisch Land in %

Gebiet
Geschlecht

BRD
gesamt

Musterstadt

Hückes-wagen

Rade-vormwald

Wermels-kirchen

BRD
2010

Männlich über 60 Jahre

8,3

8,3

9,1

8,9

9,2

10,9

Weiblich über 60 Jahre

11,8

13,1

13,7

12,9

13,2

14,3

Gesamt

20,1

21,4

22,8

21,8

22,4

25,2

Tabelle 6 Anteil der Senioren an der Bevölkerung Bergisch Land

 

2.8     Der Alterungsprozess auf der gesamten Welt

Das Altern der Gesellschaft vollzieht sich nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt. Nach Prognose der Weltbank steigt der Anteil der Älteren an der Gesamtbevölkerung von 1990 bis 2075, zwar regional unterschiedlich, aber überall an: In Lateinamerika von 6,9% auf 27,9% und im mittleren Osten und Nordafrika von 5,7% auf 25%. In Zentral- und Südafrika von 5,2% auf 18,8% und in Asien von 6,3% auf 26,2%. In den OECD-Staaten steigt der Anteil der Älteren von 18,6% auf 30,2% und in Osteuropa und der früheren Sowjetunion von 15,3% auf 28,7%. An der folgenden Tabelle kann man sehen, wie die Zahl der alten Menschen zwischen 1990 und 2025 in ausgewählten Beispielländern zunimmt. [8]

Abbildung 5 Prognosen für einzelne Länder für das Jahr 2025

 

2.9     Gründe für die demographische Alterung

Begründet ist die demographische Alterung nach Meinung des Bundesministeriums vor allem durch die Zunahme der Lebenserwartung. Doch nicht die Steigerung der Lebenserwartung bei der Geburt an sich, sondern insbesondere die damit in typischer Weise verbundene Reduzierung der Alterssterblichkeit verstärkt die Alterung. Natürlich trägt auch der jüngste Geburtenrückgang, der die durchschnittliche Geburtenzahl je Frau von 1,5 bis 1,4 Kinder seit Mitte der 70er Jahre gebracht hat, zur demographischen Alterung bei. Aber es ist nicht der ausschließliche Grund [9]

Anhand von Modellrechnungen von Meyers (1984) kann gezeigt werden, dass der Effekt der demographischen Alterung „von der Spitze“ der Bevölkerungspyramide dann auftritt, wenn die Lebenserwartung auf mehr als 70 Jahre steigt. Dieses Niveau wurde in Deutschland Anfang der 70er Jahre erreicht. [49]

Der dritte Grund eines langfristigen Alterungsprozesses einer Bevölkerung ist die Zuwanderung. Inwieweit sie die demographische Alterung beeinflusst, hängt einerseits von der Höhe der Zuwanderung, im besonderen Maße aber, wie es Dinkel und Lebok (1993) an Hand von Modellrechnungen zeigen, von der Alters- und Geschlechtsstruktur der zuwandernden Bevölkerung ab. Die allgemein gehegte Hoffnung, dass Zuwanderungen die Altersprobleme mindern können, ist so allgemein gesehen nicht ganz richtig. Zuwanderungen können die demographische Alterung sogar noch verschärfen. [16]

Meist sind die Migranten im erwerbsfähigen Alter. Hierdurch verstärken sie in Deutschland in den 90er Jahren die ohnehin schon stark besetzten Geburtenjahrgänge zwischen 20 und 35 Jahren und in Zukunft damit die Alterung. Gestoppt werden kann nach Modellrechnungen von Steinmann (1991) der Alterungsprozess nur bei massiver, ständiger Zuwanderung. Damit ginge ein stark erhöhtes Bevölkerungswachstum und ein stark erhöhter Ausländeranteil einher. Zuwanderungen führen nur zu einer vorübergehenden, mittelfristigen Verjüngung. Der Einfluss der Migration auf die Alterung ist aber eher geringer, als die vor allem sinkende Alterssterblichkeit und die niedrigen Geburtenniveaus. [9]

Nach der aktuellen amtlichen Modellrechnung der statistischen Ämter des Bundes und der Länder (8. koordinierte Bevölkerungsberechnung, 1994) wird der Anteil der 60jährigen und älteren Menschen im vereinten Deutschland von 20,4% im Jahr 1990 auf 33,6% im Jahr 2030 ansteigen. Im gleichen Zeitraum sinken die prozentualen Anteile an der Gesamtbevölkerung. Bei den unter 20jährigen von 21,5% auf 16,8% (-4,7%) und besonders deutlich bei der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter von 58,1% auf 49,6% (-8,5%). Damit verbunden ist auch eine Verdopplung des Altenquotienten, also der Relation zwischen Senioren und der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. Kamen 1993 noch 35 über 65jährige auf 100 Personen im Alter von 20 bis 59 Jahren, so werden es im Jahr 2030 etwa 68 auf 100 sein.

Im Jahre 2020 könnte der Anteil der über 60jährigen fast 27%, also mehr als ein Viertel der Gesamtbevölkerung ausmachen. Demographische Wandlungsprozesse konfrontieren die Gesellschaft mit problematischen Veränderungen. Es wird in Zukunft weniger Erwerbstätige geben, die für die Absicherung von immer mehr älteren Menschen aufkommen müssen. Geht man von einem Renteneintrittsalter von 65 Jahren aus, dann gibt es im Jahr 2030 rund 100 Erbwerbstätige zu 61 Senioren. Bei einem Renteneintrittsalter von 60 Jahren wären es 80 Senioren bei 100 Erwerbstätigen. [9]

3     Resümee aus der Betrachtung der demographischen Entwicklung

Vielleicht ist dies auch ein Anstoß zur Umgestaltung des Renteneintrittsalters und zur flexibleren Gestaltung der Arbeit. Alterssicherung, Krankheitssicherung im Alter und Pflegebedürftigkeit sind Themen, die in Zukunft immer bedeutender werden.

Das Ziel der Gesellschaft sollte es sein, Solidarität und Gemeinsinn zu stärken. Die Rolle des alten Menschen in der Gesellschaft sollte gestärkt werden und seine Kreativität und Ressourcen sollten länger und besser genutzt werden.

Hier ist nicht zuletzt die Öffentlichkeitsarbeit der Sozialpädagogen gefragt, die spezifische Probleme, Bedürfnisse, Umweltgegebenheiten und die Wichtigkeit sozialer Arbeit für alte Menschen publik machen sollten. Auf Grund der demographischen Entwicklung wird sich auch die Sozialpädagogik unter anderem im Schwerpunkt auf Angebote für alte Menschen verlagern und anpassen müssen. Es sollte auch im Studium stärker Berücksichtigung finden und die Vielfalt an kreativen Möglichkeiten im Umgang mit Alten sollte noch mehr hervorgehoben werden. Das Image der Arbeit mit Alten ist eher negativ belastet und sollte attraktiver besetzt werden.

Denn nicht nur Kinder und Jugendliche bedeuten unsere Zukunft, denn es sind auch vor allem die Alten, die in unserer Zukunft eine große Rolle spielen.

Auch sie haben noch Bedürfnisse und Wünsche und ein Recht auf Hilfe in unserer Gesellschaft. Alte Menschen verfügen über Ressourcen, die gefördert werden können und sie verfügen über Lebenserfahrung und Lebenserinnerungen, die auch die junge Generation bereichern können.


4     Wohnformen im Alter

Ich möchte hier einen Überblick über Wohnformen im Alter geben.

Etwa 93% der Menschen im Alter von 65 und mehr Jahren leben in normalen Wohnungen.

Die zahlenmäßig bedeutsamste Sonderwohnform ist das Pflegeheim, danach kommen die Altenheime und danach die Wohnheime.

Die folgende Tabelle soll veranschaulichen, wo ältere Menschen wohnen:

Abbildung 6 Wohnformen im Alter

Die Tabelle zeigt, dass ein eher geringer Anteil der alten Menschen, nämlich 661.000 Menschen, in einem Heim leben. Dem gegenüber steht die Zahl der alten Menschen, die in normalen Wohnungen leben, mit 11,6 Millionen.
Von den 661.000 Menschen leben nur 56,7 % in einem Pflegeheim, 30,8% in einem Altenheim und 4,5% im „Betreuten Wohnen“.

Man kann feststellen, dass Altsein nicht zwangsläufig Hilfebedürftigkeit und Gebrechlichkeit bedeutet, bzw. das man nicht zwangsläufig im Alter in einem Heim leben muss. Gerade wenn man im Altenheim arbeitet, bekommt man ein falsches Bild vom Alter. Man sieht tagtäglich schwerstpflegebedürftige Menschen und verallgemeinert schnell die ältere Generation, da man mit den Alten im Heim überwiegend konfrontiert wird. Aber nur ein geringer Teil der Alten lebt tatsächlich im Heim.

Die folgende Tabelle zeigt die Schätzung des Bedarfs an Heim- und Wohnplätzen im Jahr 2040:

Abbildung 7 Schätzung Versorgungsbedarfs

 

Es besteht ein zusätzlicher Bedarf von voraussichtlich +64% an Heim- und Wohnplätzen für Hochaltrige. Der zusätzliche Bedarf für jüngere Alte liegt bei +53%. Die Hochaltrigen haben eine hohe Wachstumsrate, insgesamt handelt es sich um einen Mehrzuwachs an 2 Millionen Menschen. Gravierender ist die Zahl der jungen Alten (65 – 79 jährige): ca. 5 Millionen Menschen Zuwachs. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung wird bei 20% liegen. [13]

4.1 Wohnen in Institutionen

Institutionalisierte Wohnformen sind Heime und sonstige heimähnliche Wohnformen. Die Unterscheidung der einzelnen Wohnformen ist problematisch, weil sie in einer Einrichtung häufig kombiniert werden und sich nicht immer klar unterscheiden.

Viel selbständiges Wohnen ist im Wohnheim gekoppelt mit einem geringen Betreuungsangebot.
Viel Betreuung ist dagegen im Pflegeheim gekoppelt mit wenig Wohnen, also der individuelle Wohnbereich ist erheblich kleiner oder gar nicht vorhanden (Mehrbettzimmer). Dafür werden im Pflegeheim mehr Gemeinschaftsräume angeboten.
Das Altenheim nimmt eine Zwischenstellung ein. Es werden keine selbständigen Wohnungen, aber fast ausschließlich individuelle Räume zur Verfügung gestellt. [13]

Abbildung 8 Merkmale institutionalisierter Wohnformen

 

4.2 Das Altenheim

Dem Altenheim ist es wesenseigen, dass die Bewohner in der Regel zur eigenen Haushaltsführung nicht mehr im Stande und damit versorgungsbedürftig, nicht aber pflege- und behandlungsbedürftig sind.
Bis auf die Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung können sie weitgehend selbstbestimmt und autonom leben.
Die charakteristische Wohnform des Altenheims ist das Einzelzimmer und hat eine Mindestfläche von 12m² aufzuweisen (bei zwei Personen mindestens 18m²). Mehr als zwei Personen dürfen nur mit behördlicher Genehmigung in einem Zimmer untergebracht sein (vgl. §§14-18 HeimMindestBauVo).
Die Appartements sind in der Regel mit Dusche, Bad und WC ausgestattet. In einigen Heimen stehen sogar Kochgelegenheiten zur Verfügung und Gemeinschaftsräume sind vorhanden.
Die meisten Einrichtungen erbringen folgende Leistungen: Unterkunft, Vollverpflegung, Reinigung, Wäscheversorgung, Fahrdienste, gelegentliche Veranstaltungen, Vermittlung ärztlicher Hilfe und vorübergehende Pflegeleistungen im Krankheitsfall. [17], [12]

4.3 Das Pflegeheim

Die Bewohner sind in der Regel langfristig bzw. dauerhaft pflege-, hilfs- und behandlungsbedürftig. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen reichen von körperlichen Gebrechen und Krankheiten bis zu senilen Demenzen, hin zu Schwerstpflegefällen. Die Bewohner sind nicht mehr zur eigenen Haushaltsführung im Stande. Ihre Fähigkeit zur autonomen Lebensgestaltung und Tagesplanung ist oftmals erheblich eingeschränkt. Die Bewohner sind zum überwiegenden Teil in 2-Bettzimmern untergebracht. Möbel können nur, sofern Platz dafür bereit gestellt werden kann, in sehr begrenztem Umfang mitgebracht werden. Die Zimmer des Pflegeheims sind, bis auf wenige Ausnahmen, mit eigenen Sanitäreinrichtungen ausgestattet. Hinsichtlich ihrer Größe gilt die gleiche Bestimmung, wie für das Altenheim (vgl. §§23-27 HeimMindestBauVo). Das Pflegeheim gewährt folgende Leistungen: Unterkunft, Vollverpflegung, Grund- und Behandlungspflege, soziale Betreuung, ärztliche Versorgung und Notrufbereitschaft.

Allerdings werden in den meisten Einrichtungen die Alten- und Pflegeheime kombiniert. Hierbei ist zu beobachten, dass sich das Altenheim, im Hinblick auf die Bewohnerstruktur, immer mehr an das Pflegeheim angleicht. Alte Menschen gehen immer später in ein Heim, da sie entweder von den Familienangehörigen und/oder von häuslichen Pflegediensten versorgt werden. Erst wenn das Wohnen zu Hause nicht mehr möglich ist, suchen sie einen Heimplatz auf. Daher sind die Bewohner eines Altenheimes zunehmend pflegebedürftig. [17], [12]

4.4     Rechtliche Grundlagen für Heimbewohner

Seit 1975 sind Heimbewohner durch das Heimgesetz wirksam geschützt. 1990 brachte eine Neuverfassung des Gesetztes weitere Verbesserungen. Heimbewohner haben natürlich die gleichen Rechte, wie normale Staatsbürger auch. Das Heimgesetz schafft ihnen noch einen zusätzlichen Schutz, damit ihre Interessen gewahrt werden. Zweck der Gesetze ist es auch, die Selbständigkeit und Selbstverantwortung der Bewohner zu wahren, denn die Entfaltung der Persönlichkeit und die Aktivität der noch vorhandenen Kräfte tragen wesentlich zum Wohl und zur Zufriedenheit der Heimbewohner bei. Ein kurzer Überblick über das Heimgesetz (HeimG) ist im Anhang B (Seite 265 ff) beigefügt.[12]

Ich möchte nun das Alten- und Pflegeheim kurz vorstellen, in dem ich als Pflegekraft angestellt bin und die praktische Arbeit der Diplomarbeit durchführe.

4.5     Vorstellung eines Alten- und Pflegeheims

Haus X ist ein evangelisches Alten- und Pflegeheim in Musterstadt-Musterhausen. Es ist eine Einrichtung der Diakonie für alte und pflegebedürftige Menschen. Das Haus wurde 1847 als Musterhauser Waisenverein gegründet und feierte im Jahre 1997 sein 150-jähriges Bestehen. Das Altenheim ist in der Trägerschaft der evangelischen Kirchengemeinde Musterhausen und des Vereins Haus X e.V..

Die Wurzeln sind die des diakonischen Handelns in der evangelischen Kirche. Die Haus X gGmbH ist eine stationäre Altenhilfeeinrichtung mit fast 120 Heimplätzen, davon 106 im Alten- und Pflegeheim und die restlichen im „Betreuten Wohnen“.

Die Namensgebung „X“ ist auf den Reformator und Märtyrer Adolf X vom Buscherhof zurückzuführen. Sein unerschrockenes Eintreten für die Wahrheit und Gerechtigkeit Gottes und seine Beharrlichkeit in der Verfolgung dieses Zieles sind Vorbild des Hauses. Die Dienstleistung richtet sich an der Bibel aus.

Haus X besteht aus einem Alten- und einem Pflegeheim, welche, was den Grad der Pflegebedürftigkeit anbetrifft, mittlerweile angeglichen sind. Zusätzlich ist auch das „Betreute Wohnen“ angeschlossen. Im Pflegeheim befinden sich drei Wohnbereiche (Bezeichnung für den damals und leider auch heute noch verwendeten Begriff der Station). Das Altenheim besteht aus zwei Wohnbereichen. Auf jedem Wohnbereich leben ca. 20 Bewohner.

Ca. 80% der Bewohnerschaft sind Frauen. Wiederum ca. 80% der Bewohner sind älter als 80 Jahre.

Der größte Teil der Bewohner wohnt in Zweibettzimmern. Der andere Teil lebt in Einbettzimmern. Leider gibt es aus wirtschaftlichen Gründen noch zwei Vierbettzimmer und ein Dreibettzimmer im Haus. [75]

 

 

 


C  Definition Alter

Bevor ich mich mit der Zielgruppe „Der ältere Mensch“ praktisch beschäftigen werde, möchte ich erst einmal danach fragen, wer ältere Menschen überhaupt sind. Was bedeutet das Wort „Alt“ oder welche Bedeutung hat der Begriff „Alte Menschen“ in unserer Gesellschaft?

1     Verschiedene Begriffsdefinitionen

„Alter, die Zeit des Bestehens, ausgedrückt in Zeiteinheiten, z. B. das Alter eines Menschen (Lebensdauer). Im biologischen Sinne ist Altern ein über das ganze Leben sich erstreckender Wandlungsprozess, der sich aus dem Wachstumszustand des Organismus sowie aus Veränderungen der Gewebe und Organe erkennen und bestimmen lässt.“ [74,77]

 

„Umgangssprachlich versteht man die Begriffe „Alter“ und „Altern“ im Sinne des kalendarischen Alterns, jemand ist zum Beispiel 75 Jahre alt oder 10 Jahre (=10 Kalenderjahre) älter geworden. Zweifellos stellt dieses kalendarische Altern eine von vielen Bedingungen für „Alter“ und „Altern“ dar.“ [35]

 

„„Alter“ kennzeichnet eine Spanne im individuellen Lebenslauf.

„Altern“ einen Prozess der Veränderung.“ [39]

 

Oder der Begriff des Alterns wird da angesetzt:

„wo die Wachstumskräfte den Organismus zu einem relativen Gleichgewicht führen“ [5]


Der Begriff „Alter“ wird in der Literatur zum Beispiel bei Reimann und Reimann (1983) unter folgenden Gesichtspunkten beschrieben:

1.   Das kalendarische oder chronologische Altern ist die seit der Geburt verstrichene Lebenszeit.

2.   Das rechtliche Altern betrifft Veränderungen, die eintreten, wenn man ein bestimmtes kalendarisches Alter erreicht hat (zum Beispiel Volljährlichkeit, Rentenalter, usw.).

3.   Das biologische Altern meint die Lebensspanne, die seit Entstehung des Organismus verstrichen ist. Es beschreibt den Entwicklungs- oder Erhaltungszustand.

4.   Das soziale Alter bezeichnet die Übernahme von Positionen und Rollen, die das Individuum in einer bestimmten Phase auf Grund gesellschaftlicher Erwartungen vorfindet (zum Beispiel Schulkind, Berufstätiger, Rentner). Die Zuordnung „Alt“ kann in den verschiedenen Kategorien beträchtlich variieren. Ein Fußballspieler gehört mit 40 zu den Alten, während ein Politiker mit 50 zu den Jungen gehört. Eine Person kann durch eine frühe Elternschaft schon zur Kategorie Großeltern gehören, obwohl sie im beruflichen Bereich noch weit von der Kategorie Rentenalter entfernt ist.

5.   Das subjektive Alter oder psychologische Alter meint die Art und Weise, wie ein Mensch seinen Zustand deutet. Dies drückt sich in dem bekannten Spruch aus: „Man ist so alt, wie man sich fühlt“. [32]

 

Nach Rosenmayr (1990) ist Altern durch einen biologischen Prozess der Rückbildung aller Organe und ihrer Leistungen (Involutionsprozess) bestimmt, der aber psychisch, sozial und kulturell beeinflussbar und zum Teil steuerbar ist. [33]


2     Eigene Gedanken zum Begriff „Alter“

Wenn ich überlege, was mir zu dem Begriff „Alt“ einfällt, dann gehen meine Gedanken in zwei verschiedene Richtungen.

Wird ein Gegenstand als „alt“ bezeichnet, dann ist er meist verbraucht, überholt, unmodern und oftmals nicht mehr so funktionsfähig, wie ein neuer.

Andererseits assoziiere ich mit einem alten Gegenstand auch einen gewissen Wert. Ein alter Gegenstand, wie zum Beispiel ein antikes Möbelstück, besitzt einen hohen Wert durch sein Alter. Es vermittelt eine Atmosphäre aus früheren Zeiten und hat Seltenheitswert. Eventuelle Spuren vom langen Gebrauch geben dem Stück eine gewisse Authentizität und Einzigartigkeit. Man sieht dem Stück an, dass es schon in vielen Stuben gestanden hat und von vielen Menschen benutzt wurde. Es hat in den unterschiedlichsten historischen Zeiten und an den unterschiedlichsten Orten gestanden. Es verbirgt Geschichten und Erinnerungen.

Ich möchte nun versuchen, dieses Bild auf einen alten Menschen zu übertragen:

Auch ein alter Mensch mag in vieler Hinsicht unmodern sein. Seine Einstellungen sind oft überholt, denn die Zeiten haben sich geändert. Auch mag der alte Mensch nicht mehr in allen Bereichen so „funktionsfähig“ sein, wie ein jüngerer. Er ist auf manchen Gebieten nicht mehr so leistungsfähig, langsamer und vielleicht auch schon gebrechlich.

Andererseits glaube ich, dass der alte Mensch gerade durch sein Alter wertvoll ist. Er hat lange gelebt und kann stolz darauf sein, dieses Alter erreicht zu haben. Auch der alte Mensch hat Seltenheitswert, er ist einzigartig, gerade durch seine lange, individuelle Geschichte. Je älter ein Mensch wird, um so mehr bildet sich seine ganz eigene Persönlichkeit heraus. Auch dem alten Menschen sieht man die Spuren der Vergangenheit an. Man hört oft den Satz: „Ihr steht das Leben ins Gesicht geschrieben“. Die Haltung, die Gesichtszüge und vor allem die Falten im Gesicht, erzählen von vergangenen Tagen und Erlebnissen. Man sieht alten Menschen, viel mehr als den jüngeren, ihre Erlebnisse an. Lachfalten, Sorgenfalten, eine Denkerstirn und Zornesfalten, das alles sind Begriffe, die man mit dem Gesicht eines alten Menschen assoziiert. Gesichter alter Menschen sind vom Leben geprägt und daher viel ausdrucksstarker als junge Gesichter. Genau wie dem Möbelstück sieht man dem Menschen an, dass er so einiges miterlebt hat.

Gerade das macht seinen einzigartigen Charakter aus: Seine Erinnerungen, seine Erlebnisse und die Geschichten, von denen er erzählen kann.

 

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend dem Alter weicht,

blüht jede Lebensstufe, blüht jede Weisheit auch

und jede Tugend zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.

Es muss das Herze bei jedem Lebensrufe

bereit zum Abschied sein und Neubeginne,

um sich in Tapferkeit und ohne Trauern

in andere, neue Bindungen zu geben.

(Hermann Hesse)

 

3     Betrachtungen zum Thema Alter in der Literatur

Nach Thomae (1969) ist Altern ein soziales Schicksal und erst sekundär eine funktionelle oder organische Veränderung.

 

„Das Alter ist demnach kein statischer Zustand körperlicher, geistiger und wirtschaftlicher Schwäche, sondern ein vielschichtiger, dynamischer Prozess mit neuen Chancen und Aufgaben. Er bietet dem Einzelnen die Möglichkeit der Selbstvervollkommnung und Sinnfindung, der Gesellschaft das Angebot, die angesammelte Erfahrung und Weisheit zu nutzen.“ [Thomae, H. (1969) in: [39]]

Zur Frage des Beginns der Altersphase finden sich folgende Betrachtungen:

„Es ist allerdings inzwischen üblich, (zum Beispiel bei statistischen Erhebungen und in Untersuchungen), den Beginn der Altersphase mit dem Erreichen des 60. Lebensjahres anzusetzen. Weniger wegen der zeitlichen Ausdehnung des Alters, sondern vor allem wegen der großen Verschiedenheit zwischen älteren Menschen, wird vorgeschlagen, sich innerhalb der Population der „Alten“ nicht am kalendarischen Alter, sondern an qualitativen Merkmalen zu orientieren. Je nach Gesundheitszustand, Aktivitätsgrad und individuellem Alterserleben sollte man zum Beispiel die „jungen Alten“ von den „alten Alten“ unterscheiden.“ [33]

 

„Die Frage, wann das Alter beginnt, ist nicht einfach zu beantworten, zumal aus der Perspektive der Jugend heraus. Für Kinder und Jugendliche sind 50jährige sehr alt; für 70-80jährige hingegen sind die selben 50jährigen noch sehr jung. Untersuchungen zeigen: Mit zunehmendem Lebensalter der Befragten, beginnt das „Alt sein“ zu einem späteren Zeitpunkt, verschiebt sich die Altersgrenze nach oben.“ [Lehr, Ursula: Das neue Altersbild  in: [36]]

 

„Was gibt es angenehmeres als ein Greisenalter,

das umgeben ist von einer Jugend,

die von ihm lernen möchte.“

Cicero, 106-43 v. Chr.,

[39]

 

Sich selbst zu akzeptieren, einen Zustand der Selbstübereinstimmung als Ziel der Glückssuche anzusehen und dieses Ziel unter Bedingungen der Selbstgenügsamkeit zu verfolgen, das nehme ich zum Ansatz einer Ethik der „Späten Freiheit“. [Rosenmayr, L. in: [33]]


4     Grundsätze der Sozialpädagogik zur Arbeit mit alten Menschen

Innerhalb unseres westlichen Kulturkreises wird Altern im wesentlichen als ein Prozess des unaufhaltsamen Verfalls des Menschen gesehen. Er wird als ein eher biologischer denn geistiger, sozialer oder kultureller Prozess gesehen. Er wird abgelehnt und nicht willkommen geheißen. Er wird eher betrachtet als ein Prozess der universal, bei allen Menschen gleich, und nicht variabel verläuft. Überall in unserer Gesellschaft, in den Massenmedien und im Umgang mit Menschen begegnen wir diesem undifferenzierten Bild, entweder offen ausgesprochen oder in verdeckter Form.

Der biologische Aspekt des Alters ist nur ein einzelner Aspekt, dem meist mehr Beachtung geschenkt wird, als den eben so wichtigen anderen Faktoren, wie die psychischen, sozialen, kulturellen und geistigen Aspekte.

Alte Menschen sind untereinander sehr verschieden und können keinesfalls in ein und die selbe Gruppe eingeordnet werden. Die einzige Gemeinsamkeit ist das gemeinsame Erleben der Geschichte, in der sie aufgewachsen sind und die damit zusammenhängenden gleichen Lebenserfahrungen. Sie haben gleiche historische Ereignisse erlebt und sind vielleicht im gleichen Jahr geboren. Aber sie haben ihr Leben lang auf gleiche, historische Ereignisse in ihrer Einzigartigkeit reagiert. Sie sind unterschiedlich in den Erbanlagen, in der Persönlichkeit, der Stellung, der familiären Konstellation, in ihrer Gruppenzugehörigkeit, in ihrem Eingebundensein in religiösen, ethnischen oder sozialen Gruppen. Dazu kommen die geistigen, sozialen, psychologischen und kulturellen Fähigkeiten und Kenntnisse.

Deshalb müssen wir uns bewusst machen, dass wir vor allem auch unbewusst von einem einheitlichen Bild des alten Menschen geprägt worden sind. Unsere eigenen Ansichten und unsere Haltung gegenüber den Alten wird davon beeinflusst.

Sozialpädagogen sind auch ein Teil der Gesellschaft und sie können sich von vorherrschenden Ansichten kaum lösen. Aber ist es ein Grundsatz der Sozialpädagogik sich selbst die eigenen Einstellungen und Ansichten gegenüber anderen Menschen aller Schichten, Stellungen und ethnischer Herkunft bewusst zu machen. Wir sind als Sozialpädagogen verpflichtet, uns von Vorurteilen und Voreingenommenheiten gegenüber den Menschen, mit denen wir arbeiten, zu lösen. [29]

Das bedeutet für mich, dass ich mich selbst sehr genau kennen muss. Voraussetzung für die Arbeit ist es, mir ein Selbstwertgefühl aufzubauen und eigene Ansichten durch Wissen und Erfahrung zu entwickeln. Diese Ansichten muss ich auch vor anderen vertreten können, auch wenn sie nicht der gängigen, mit Vorurteilen behafteten Meinung der Masse, entsprechen.

Wenn wir als Sozialpädagogen mit älteren Menschen arbeiten, dann müssen wir uns unsere Einstellung zum Leben, zum Tod sowie zum Altwerden bewusst machen. Wir müssen erkennen und annehmen, dass wir selbst alt werden. Je mehr wir Menschen uns damit auseinander setzen, umso besser können wir mit dem eigenen Altern und dem anderer Menschen umgehen. Wir werden es als einen natürlichen Prozess des Lebens betrachten, und ihm ohne Angst gegenübertreten können. In jeder Stufe des Lebens muss sich der Mensch den Aufgaben und Anforderungen stellen und sie so gut wie möglich meistern. Dies ist in jedem Lebensalter der Fall, ob als Kind, als junger Erwachsener, als Mensch in den mittleren Jahren oder als Hochbetagter. Hierauf werde ich, im Kapitel E - Theorie der Lebensphasen von Erikson, noch näher eingehen.

Für mich persönlich bedeutet dies, bevor ich mit alten Menschen zusammenarbeite, mich mit dem eigenen Entwicklungsprozess auseinander zu setzen. Insbesondere mache ich mir klar, dass ich selber einmal alt werde, faltige Haut und weißes Haar bekommen werde. Durch die Auseinandersetzung mit dem Altern und der Annahme für mich selbst, bereite ich mich auf mein eigenes Altwerden vor. Ich stelle mir meine Zukunft vor, meine Wünsche und meine Ängste, die mit dem Alter zusammenhängen.

Durch die praktische Arbeit mit alten Menschen kann ich mir Vorbilder suchen, an denen ich mich für meinen Alterungsprozess orientieren kann.

Durch das Literaturstudium zum Thema „Alter Mensch“ lerne ich auch, dass Altwerden sehr individuell verläuft und von Menschen zum großen Teil selbst mitgestaltet werden kann. Insbesondere zeigen die verschiedenen Alterstheorien, die ich im Kapitel D - Die Alterstheorien, näher vorstellen werde, dass es keine einheitliche wissenschaftliche Theorie zum Altern gibt. Die psychologischen Alterstheorien im Kapitel D3 sowie die sozialpsychologisch orientierten Alterstheorien im Kapitel D4 weisen nach, dass dem Menschen in seinem Alterungsprozess viel Raum zur Selbstgestaltung bleibt.

Durch diese Vorbereitungen habe ich erfahren, dass ich selbst aktiv meinen Alterungsprozess beeinflussen und gestalten kann.

Ein weiterer wichtiger Aspekt im Umgang mit alten Menschen ist die Aufarbeitung der Beziehung zu den eigenen Eltern. Erst dann kann man sich auf die soziale Arbeit mit Alten einlassen. Denn wer sich über das Verhältnis zu den eigenen Eltern und über die Gefühle, die im Zusammenhang mit der Ablösung von ihnen stehen, nicht im klaren ist, der projiziert diese Gefühle oft auf die Alten in der Arbeit. Manche junge Sozialpädagogen handeln dann feindselig oder inkonsequent gegenüber den Alten oder sie kümmern sich aus Mitleid um sie, und steigern damit deren Gefühl der Hilflosigkeit und Abhängigkeit noch mehr.

Wenn wir das Bild des alten, beeinträchtigten und hilfebedürftigen Menschen im Kopf haben, verstärken wir die negativen Einstellungen zum Alter und vergessen die Vielzahl der Menschen, die ohne Hilfe zurechtkommen bzw. die zwar auf einigen Gebieten hilfebedürftig sind, aber auf anderen Gebieten Ressourcen haben.

Die Altenarbeit zwingt also zur Erkundung der eigenen Einstellung gegenüber Alten und dem Gedanken an den Tod und sie verlangt Respekt vor den Menschen und die Überlegung, seine eigene Rolle anders als nur betreuend zu sehen.

Zur sozialen Arbeit gehört deshalb auch das Bemühen, durch Öffentlichkeitsarbeit, ein positiveres Bild über alte Menschen in der Gesellschaft zu schaffen. Vor allem kann man versuchen über die Vorstellung von nachahmenswerten Projekten mit Alten andere zu motivieren und somit ein positiveres Image der Altenarbeit zu forcieren.

 


D  Die Alterstheorien

Die soziale Arbeit schöpft ihr Wissen aus Kenntnissen einer Vielzahl von Disziplinen, wie der Biologie, Psychologie, Soziologie, Sozialpsychologie, Psychiatrie, Anthropologie, Theologie und sozialpolitischen Maßnahmen, sowie aus dem Recht und anderen. Daneben baut sie auf der Gesamtheit praktischer Erkenntnisse auf, die man als Praxistheorie bezeichnet, die durch Erfahrungen und Aktivitäten vieler Jahrzehnte empirisch gewonnen wurden. Da aber die Grundlagen zur Praxistheorie der Sozialpädagogik auf dem Wissen der verschiedenen Disziplinen beruhen, möchte ich auch an Hand von den verschiedenen Sichtweisen das Alter bzw. Altern erklären. Ich möchte im Folgenden die Alterstheorie der verschiedenen Disziplinen, wie der Biologie, der Psychologie und der Sozialwissenschaft vorstellen.

1     Gerontologie

Die Gerontologie[3] ist die Wissenschaft, welche die Erforschung des Altersprozesses, speziell im höheren Lebensalter zum Gegenstand hat. Die Ziele der Gerontologie sind: durch wissenschaftliche Untersuchungen, die Verhaltensweisen und in der Gerontopsychologie auch das Erleben zu beschreiben. Man versucht das Verhalten und Erleben mithilfe von Gesetzmäßigkeiten und Theorien zu erklären, zukünftiges Verhalten vorauszusagen und es schließlich im Rahmen von Therapien zu kontrollieren. [35]

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Alter begann im 19. Jahrhundert zunächst in der Medizin, der heutigen Geriatrie[4]. Der eigentliche Durchbruch gelang der Wissenschaft von Alter und Altern aber erst in den 80er Jahren diesen Jahrhunderts. Die Gerontologie ist heute eine interdisziplinäre Wissenschaft. Entgegen ihrer Wortbedeutung (Geronten, griech. „Greise“) beschäftigt sie sich nicht nur mit der Lebensphase Alter sondern auch mit den Prozessen und Ergebnissen des Alterns. [39]

Gegenstand der gerontologischen Forschung ist nicht nur das hohe Alter, sondern das Altern, und der gesamte Prozess des Älterwerdens. Deshalb ist es notwendig, Personen des dritten, vierten und fünften Lebensjahrzehnts mit in die gerontologische Forschung einzubeziehen. [28]]

Gerontologie beschäftigt sich mit der Beschreibung, Erklärung und Modifikation von körperlichen, psychischen, sozialen, historischen und kulturellen Aspekten des Alterns und des Alters, einschließlich der Analyse von altersrelevanten und alterskonstituierenden Umwelten und sozialen Institutionen. [2]

1.1     Sicht der Biologen

Aus der Sicht der Biologen beginnt Altern ab dem Zeitpunkt der vollständigen Entwicklung des Organismus. Altern wird als irreversibler Prozess verstanden, gekennzeichnet durch zunehmende Auffälligkeit des Organismus gegenüber toxischen Umwelteinflüssen und führt letztlich zum Sterben innerhalb eines bestimmten artspezifischen Zeitraumes. Biologisches Altern lässt sich auf verschiedenen Ebenen untersuchen: Zellebene, Organebene und Ebene der zentralnervösen Regulation. [35]

1.2     Sicht der Psychologen

Seitens der Psychologie untersucht man den Altersprozess bezüglich Verhaltens und Erlebens, zum Beispiel hinsichtlich Wahrnehmungs-, Denk- und Gedächtnisleistungen oder in Bezug auf Motivation und Befindlichkeit. Aus psychologischer Sicht stellt sich Altern nicht als einheitlicher, linearer und gleichmäßig verlaufender Prozess dar. So kann deutlich in einem Bereich, zum Beispiel in der Wahrnehmung, ein Altersabbau stattfinden und zugleich eine Leistungszunahme in einem anderen Bereich eintreten (Fremdsprachenkennt­nisse, Wortschatzumfang, etc.). Es ist kaum möglich, auf altersbezogene Veränderungen zu schließen, da die Unterschiede zwischen den Personen sehr groß sind. Es gibt kaum Durchschnittswerte, deshalb interpretieren auch Psychologen gleiche empirische Ergebnisse unterschiedlich und entwickeln konträre Theorien. Über das Altern gibt es in der Psychologie zwei extreme Ansichten, wobei die überwiegende Mehrheit der Theorien zwischen diesen Extremen angesiedelt sind.

Die erste Theorie wird von der Meinung beherrscht, im höheren Alter würden alle psychologischen Funktionen einem systematischen Abbau unterliegen. Das andere Extrem geht von der Überzeugung aus, dass Funktionseinbußen im wesentlichen auf Fehlern bei der Datenerhebung beruhen. [35]

1.3     Sicht der Soziologen

Sozialpsychologen und Soziologen untersuchen vorwiegend soziale und gesellschaftliche Bedingungen, die für den Alterungsprozess maßgeblich sein können. Sie verstehen Altern als soziales Schicksal, hervorgerufen zum einen durch die Pensionierung, zum anderen durch den von der Gesellschaft provozierten Rückzug aus sozialen Bindungen und Verpflichtungen. Sie sprechen von einem Altersprozess, der nicht zwangläufig typisch ist und damit in gewissen Grenzen vermeidbar wäre. [35]

Ich möchte nun im Folgenden die wichtigsten Alterstheorien vorstellen. Einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebe ich nicht, ich möchte vielmehr einen Überblick darüber vermitteln, wie man bis heute noch versucht Alterungsprozesse zu beschreiben und zu erklären.


2     Biologische Alterstheorien

Das Altern ist ein sehr komplexer Prozess. Seit langem suchen Mediziner und Biologen nach biologischen und physiologischen Ursachen, aber es ist bis heute noch nicht gelungen, eine Theorie zu finden, die den Altersvorgang in seiner Ganzheit beschreiben und erklären kann. Es gibt eine Vielzahl von theoretischen Ansätzen, die sich jeweils mit Teilaspekten des Alterns auseinander setzen. Im Folgenden stelle ich die wichtigsten biologisch orientierten
Alterstheorien in ihren Grundzügen vor:

Biologische Alterstheorien versuchen Altersveränderungen auf mindestens drei Ebenen zu analysieren: der Zellebene, der Organebene und auf Organismusebene.

2.1     Altern auf Zellebene

2.1.1    Genetisch orientierte Ansätze

2.1.1.1     Allgemein genetisches Modell des Alterns

Diese Theorien gehen davon aus, dass die Hauptursache für den Alterungsprozess im genetischen Potential, also in der Erbmasse des Lebewesens, zu finden ist. Der altersbedingte Abbau der Funktions- und Leistungsfähigkeit bzw. die Lebensdauer ist nach einem allgemein genetischen Modell durch die Erbanlagen vorprogrammiert. [35]

Um etwas über die eigene Lebenserwartung zu erfahren, sollte man die durchschnittliche Lebenserwartung in Europa mit der individuellen Vorgabe der Gene in der Familiengeschichte zusammentragen. Diese Zahl ist der ungefähre Punkt, der im persönlichen Einflussbereich liegt. Weitere Faktoren, die hinzukommen, sind persönlicher Lebensstil, das Privatleben und der allgemeine Gesundheitszustand. Man kann durch den eigenen Lebensstil den Spielraum von ca. mindestens plus / minus 10 Jahren Gewinn oder Verlust an Lebensjahren beeinflussen.

Das maximale Alter der Spezies Mensch ist in den Genen festgelegt, die maximale Grenze liegt bei ca. 120 Jahren. Immer wieder hört man von Berichten über uralte Menschen, die weit über 120 Jahre alt geworden sein sollen. Meist zitiertes Beispiel ist der Engländer Thomas Parre aus Shropshire, der angeblich die 125 Jahre erreicht haben soll. Erst später stellte sich heraus, dass er ein Schwindler und bei seinem Tod erst 70 Jahre alt war. Eine bayerische Statistik aus dem Jahre 1871 verweist auf 27 Personen, die alle über 100 Jahre alt geworden sein sollen. Auch hier stellte sich heraus, dass nur eine Person über 100 Jahre alt geworden war.

Immer wieder hört man von Regionen auf dem Erdball, an denen Menschen besonders alt werden. Allerdings sind dies meist Regionen, in denen amtliche Geburtsregister nur lückenweise oder gar nicht vorhanden sind. Vielleicht gibt es diese Geschichten einfach nur deshalb, weil die Menschen sie lieben.

Auf der ganzen Welt träumt man von einem langen Leben. [31]

Ausgangspunkt für die Erkenntnis des genetischen Potentials ist, dass unterschiedliche Arten von Lebewesen verschiede Lebenserwartungen haben. Eintagsfliegen leben nur einen Tag, Menschen leben ca. 70 – 80 Jahre und Hunde ca. 12 – 15 Jahre. Folglich wird ein genetisches Programm angenommen, dass die oberste Grenze der Lebensspanne festsetzt. [35]

Alle Untersuchungen betonen die Macht der Gene, so dass der beste Rat für alle, die über 100 Jahre alt werden möchten, immer sein wird: „Gucke Dir sorgfältig die richtigen Eltern aus“. [31]

Unterstützt wird dies durch Untersuchungen von Dublin, Lotka und Spiegelmann, die besagen, dass Menschen mit alten Eltern und Großeltern häufig selbst auch älter werden, als Menschen, deren Vorfahren früh eines natürlichen Todes gestorben sind. [35]

Dieses Modell ist zwar sehr einleuchtend, es darf aber nicht vergessen werden, dass das genetische Potential immer in Interaktion mit Umweltgegebenheiten steht, also immer eine Wechselwirkung zwischen Anlage und Umwelt existiert. Extrem ungünstige Umweltbedingungen können den Abbau beschleunigen, hingegen würden optimale Umweltverhältnisse den Abbau der Funktions- und Leistungsfähigkeit alter Menschen reduzieren.

2.1.1.2     Altern durch somatische Mutation

Als Ursache werden hier Mutationen, also sprunghafte Veränderungen in der DNS-Struktur gesehen. Entstandene Lücken oder Überkreuzungen, die durch diese Mutationen entstehen, verändern im DNS-Strang die genetische Botschaft.

Zum einen wird die Zelle unfähig, nach dem alten DNS-Muster identische Tochterzellen zu reproduzieren und zum anderen überträgt sie die Strukturveränderung auch auf die nachfolgende Zellgeneration.

Darüber hinaus wird die Zelle durch die Veränderung gehindert, Proteine mit der korrekten Struktur zu bilden. Diese Faktoren führen zu einem Nachlassen der Funktionsfähigkeit der Zelle und des gesamten Organismus. Die Mutationen führen zum Altern und schließlich zum Tod.

Zustande kommen die Mutationen spontan oder durch energiereiche Strahlen, wie zum Beispiel Röntgen- und UV-Strahlung.

Allerdings gilt die Mutationstheorie weitgehend als überholt, da neue Studien gezeigt haben, dass die meisten Zellen über einen Mechanismus verfügen, der es ermöglicht, DNS-Schäden selbst zu reparieren.

Alterseffekte sind primär in Zellen angesiedelt, die sich nur während des Wachstums, also im Kindes- und Jugendalter teilen (zum Beispiel die Nervenzellen). Mutationen hingegen können aber vorwiegend nur im Anschluss einer Zellteilung beobachtet werden. Deshalb kann die Mutation keinen großen Einfluss auf das Altern haben. [35]


2.1.1.3     Die Fehlertheorie

Die Fehlertheorie oder auch Error-Theorie wurde von Medvedev begründet. Sie lehnt ihre Theorie an die Mutationstheorie an und verknüpft sie mit den Erkenntnissen der modernen Wissenschaft. Intakte Zellen verfügen über verschiedene Reparaturmechanismen, um Schäden in der DNS-Struktur selbst zu beseitigen. Allerdings ist die Reparatur von Fehlern unmöglich, bzw. erschwert, wenn der Schaden in der sogenannten RNS auftritt. Das Altern und der Tod sind die Folge von Fehlern bei der Informationsübertragung der RNS.

Die Fehlertheorie wird ebenfalls kritisiert, da Medvedev keine konkreten Angaben über genaue Positionen der Fehler liefern kann. Die Details des Transferprozesses sind noch weitgehend unbekannt. Daher kann die Art des Fehlers nicht genau bestimmt werden.

Allerdings bietet die Fehlertheorie, wenn die technologische Entwicklung weiter fortgeschritten ist, gute Möglichkeiten für weitere experimentelle Untersuchungen. [35]

2.1.2    Metabolisch orientierte Ansätze

Hier stehen Störungen des Zellstoffwechsels (Metabolismus) als Ursache für den Alterungsprozess im Vordergrund. Durch den Zellstoffwechsel wird ein ständiger Auf- und Abbau einzelner Körperzellen und die Funktionsfähigkeit des Organismus gewährleistet. Alle Lebewesen befinden sich im ständigen Stoffaustausch mit ihrer Umwelt. Sie nehmen Stoffe, wie Vitamine oder Fettsäuren auf, verarbeiten sie zu Strukturbausteinen oder Energie und geben Abfallstoffe wieder an die Umwelt ab. Treten Störungen im Zellstoffwechsel auf, so können Körperzellen nicht mehr genügend aufgebaut werden und die Funktionsfähigkeit des Organismus lässt nach. Dies führt dann zum Altern und schließlich zum Tod. [35]


2.1.2.1     Die Deprivationstheorie

Die falsche Verteilung der wichtigsten Nährstoffe auf einzelne Körperzellen führt zu einer vaskulären Degeneration (Degeneration der Blutgefäße), in Form von Gefäßverengungen.

Können einzelne Zellen oder Gewebe nicht genügend mit Blut und folglich mit Sauerstoff sowie wichtigen Nährstoffen versorgt werden, sterben sie ab. Dies führt zu einem Alterungsprozess im gesamten Organismus und schließlich zum Tod.

Allerdings gilt die Deprivationstheorie als nicht geeignet, um Alter zu erklären. Man findet bei alten Menschen weder Hinweise auf eine systematische Reduktion des Sauerstoffgehaltes im Blut, noch eine Verringerung des Blutzuckerspiegels. Auch im Alter können Zellen noch genügend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden. [35]

2.1.2.2     Akkumulationstheorie

Hier wird angenommen, dass der Alterungsprozess durch Ansammlung schädlicher Stoffe innerhalb der Zelle bedingt ist. Mit zunehmendem Alter wurde eine Ablagerung von unlöslichen Schadstoffen in Zellen und Geweben festgestellt. Diese können am Ende ein Drittel des Zellvolumens einnehmen. Sie hemmen den Zellstoffwechsel und führen zum Tod der Zelle.

Allerdings ist bis heute der Nachweis einer tatsächlichen Beeinträchtigung der Zellaktivität durch Schadstoffe nicht gelungen.

Um den Alterungsprozess erklären zu können, müsste der Nachweis geführt werden, dass nur die Schadstoffe, die im Alter aufgenommen worden sind, den Prozess auslösen. [35]

 


2.1.2.3     Altern durch freie Radikale

Freie Radikale sind chemische Verbindungen. Sie gehen auch mit anderen Elementen, die in der Zelle vorkommen, weitere Verbindungen ein. Freie Radikale enthalten Sauerstoff in hochkonzentrierter Form und verändern die Struktur und Funktion von Enzymen und Proteinen.

Diese Veränderungen beeinflussen den Alterungsprozess. Die Anzahl der Veränderungen wird vermutlich durch radioaktive Strahlung vergrößert und lässt sich durch Antioxidationsmittel verringern.

Auch diese Theorie konnte noch nicht exakt bewiesen werden. [35]

Die Alterstheorie durch freie Radikale wird auch als Verschleißtheorie bezeichnet. Sie wird auf die Entstehung der angriffslustigen Teilchen zurückgeführt. Freie Radikale entstehen nicht nur bei normalen Stoffwechselvorgängen im Körper, sondern auch durch Stress, Angst und psychische Belastungen. Auch von außen erreichen sie uns durch UV-Licht, Tabakrauch, Ozon, erhöhten Alkoholkonsum, Medikamente und Umweltgifte.

Die Defekte der DNA werden bei jeder Zellteilung weitergegeben und durchsetzen den Körper mit immer mehr schadhaften Zellen, wodurch er altert.

Vertreter der Verschleißtheorie behaupten, ohne freie Radikale würden alle Lebewesen bis in die Unendlichkeit weiter leben. [31]

2.1.2.4     Programmtheorie

Eine Alterstheorie wird als Programmtheorie bezeichnet.

Ihre Vertreter gehen von einer inneren Uhr aus, die sich in den Erbanlagen befindet. Nach dieser Theorie altern alle Zellen und somit auch der Mensch nicht durch Verschleiß, sondern nach einem festgelegten Genprogramm, einer angeborenen, inneren Uhr. Am Ende der Chromosomen fanden Forscher Eiweißverbindungen, sogenannte Telomere. Sie umschließen Endstücke der DNA als Schutzkappe und bei jeder Zellteilung werden sie etwas kürzer. Sind sie zerstört, ist die Erbsubstanz ungeschützt, die Zelle stirbt. [31]

2.2     Altern auf Organebene

Der Organismus des Menschen ist aus einzelnen Organen aufgebaut, die unterschiedliche Aufgaben erfüllen und die Funktionsfähigkeit aufrecht erhalten. Altern wird hier beschrieben als Folge von Funktionsverlusten der einzelnen Organe, die zu Abbauerscheinungen des Köpers führen. Durch den Funktionsverlust einzelner lebenswichtiger Organe wird der Alterungsprozess durch den Tod beendet.

Allerdings wird in dieser Theorie ein Zusammenhang zwischen den Organen und dem restlichen Organismus nicht hergestellt. [35]

2.2.1    Altern durch Störung der Schilddrüsenfunktion

Die Schilddrüse ist eine unterhalb des Kehlkopfes befindliche Drüse mit innerer Sekretion. Sie produziert Hormone, die die inneren Abläufe des Organismus steuern. Zum reibungslosen Ablauf des Zellstoffwechsels sind Schilddrüsenhormone verantwortlich.

Die Theorie besagt, dass die Leistungsfähigkeit der Hormonproduktion mit zunehmendem Altern nachlässt. Bei Patienten mit Schilddrüsenfunktionsstörungen, sowie bei älteren Menschen zeigen sich ähnliche Symptome, wie zum Beispiel Haarausfall und verlängerte Reaktionszeiten. Durch diese Beobachtungen wurde die Schilddrüsenfunktionstheorie gestärkt.

Auch diese Theorie verlor an Beweiskraft. Durch Verabreichung schilddrüsenstimulierender Substanzen kann die Hormonausschüttung reguliert werden, jedoch haben Untersuchungen gezeigt, dass hierdurch der Alterungsprozess nicht aufgehalten werden konnte. [35]

2.2.2    Altern durch Störung der Hypophysenfunktion

Die Hypophyse (Hirnanhangdrüse) ist ein Organ, dass sich an der Unterseite des Großhirns befindet und innere Sekretion bildet. Die Funktion der Hypophyse besteht in der Regulierung der übrigen Hormondrüsen wie zum Beispiel Schilddrüse, Nebennieren und Keimdrüsen.

Nach dieser Theorie kommt es zum Alterungsprozess, wenn die Hypophyse nicht mehr angemessen arbeiten kann.

Auch diesem Modell mangelt es noch an Beweiskraft. [35]

2.2.3    Ein allgemeines neurophysiologisches Modell des Alterns

Altern wird hier durch fortschreitende Veränderungen in der Gehirnstruktur erklärt.

Die Schaltzentrale des Körpers ist das Gehirn, welches durch Nervenfasern (Neuronen) mit der Peripherie (gesamter Organismus mit Ausnahme des Gehirns und des Rückenmarks) verbunden ist.

Die für den Organismus lebensnotwendige Informationsverarbeitung wird durch den Verlust von Gehirnzellen und durch Ablagerungen von Rückständen im Gehirn gehemmt. Nach dieser Theorie sind Abbauerscheinungen, die für das Alter charakteristisch sind, die Folge.

Im ungünstigsten Fall kann es zur völligen Orientierungslosigkeit kommen.[35]

2.3     Altern auf Organismusebene

Äußere Reize, wie Temperaturschwankungen, Hunger und Durst bewirken eine Veränderung des momentanen Zustandes des Organismus. Eine Anpassung des Individuums an die äußere Situation ist erforderlich. Die Selbstregulationsmechanismen haben die Fähigkeit, dem Organismus zum Überleben zu helfen, auch wenn Störungen aus der Umwelt das Leben beeinträchtigen.

Mit zunehmendem Alter wird die Fähigkeit zur Selbstregulation verringert, bis die Fehler in den Anpassungs- und Kontrollmechanismen schließlich zum Tod des Individuums führen.

Auch diese Theorie kann den Alterungsprozess und den Tod des Menschen nicht vollständig erklären. [35]

2.3.1    Altern durch Störungen des Nervensystems

Das Nervensystem regelt die Blutdruck- und die Temperaturregulation.

Steigt der Blutdruck, aktivieren Zellen in den Blutgefäßen den Vagus-Nerv, der die Herzfrequenz senkt. Ein Absinken des Arterieninnendrucks hat eine Herzfrequenzsteigerung zur Folge.

Mit dem Älterwerden des Organismus funktioniert die Autoregulation des Blutdrucks weniger gut. Tierexperimente zeigen, dass die Herzfrequenz nach einer künstlichen Blutdrucksteigerung bei älteren Tieren langsamer sinkt als bei jüngeren. Gestützt wird die Theorie auch durch die Beobachtung, dass viele alte Menschen an Bluthochdruck leiden. [35]

2.3.2    Altern infolge gestörter Temperaturregulation

Der Mensch hat die Fähigkeit, seine Körpertemperatur unabhängig von den Schwankungen der Umgebungstemperatur innerhalb gewisser Grenzen auf einem konstanten Niveau zu halten. Der Mensch kann dies durch autonom ablaufende Mechanismen und durch bestimmte Verhaltensweisen (zum Beispiel Kleidung, warmes Getränk, Heizung) regeln.

Auch die Temperaturregulationsmechanismen verlieren mit dem Altwerden ihre Wirksamkeit. In Tierexperimenten zeigt sich, dass alte Tiere ihre Körpertemperatur schlechter aufrecht erhalten können, als jüngere. [35]

2.3.3    Altern durch Störungen im endokrinen Kontrollsystem

Das endokrine Kontrollsystem umfasst alle Drüsen, die Hormone produzieren und an die Blutbahn abgeben. Wenn Hormone durch Störungen nicht wirksam werden können, hat dies einen Funktionsverlust einzelner Zellen zur Folge. Dies wirkt sich auch auf Organe und schließlich auf den gesamten Organismus aus.

Untersuchungen zeigen, dass das endokrine Kontrollsystem im Alter gestört werden kann. Gewebe hat im Alter eine reduzierte Bindungsfähigkeit bei Tieren aufgewiesen. Ältere Nieren können im geringeren Maße auf eine standardisierte Menge Hormone reagieren als junge Nieren. [35]

2.3.4    Die Stress-Theorie

Jedes Individuum wird sein Leben lang Stress ausgesetzt. Stress ist der Sammelbegriff für jede organische und psychische Belastung, die vom Individuum als solche erlebt wird und Anpassungsleistungen erfordert (körperliche Arbeit, Sorgen, Hitze, Kälte).

Um die für das Überleben erforderliche Anpassungsleistung zu erbringen, hat, nach Selye, jeder Mensch eine gewisse Grundmenge an Anpassungsenergie von Geburt an mitbekommen, die mit der Zeit aufgebraucht wird.

Altern ist demnach ein fortschreitender Prozess, der nach Aufbrauchen der Anpassungsenergie mit dem Tod endet. Die Stresstheorie ist nicht ausreichend, um den Alterungsprozess zu erklären. Es konnte nicht bewiesen werden, dass eine genetisch determinierte Grundmenge an Anpassungsenergie durch
Stressereignisse allmählich aufgebraucht wird. [35]

 


3     Psychologische Alterstheorien

Die biologische Alterstheorie beschäftigt sich nur mit den biologischen Ursachen und Begleiterscheinungen des Alterns. Die psychologisch orientierten Ansätze beschäftigen sich vorwiegend mit den psychischen Aspekten, also mit den Veränderungen im menschlichen Verhalten und Erleben, sowie mit den Problemen, die daraus für den Einzelnen resultieren.

3.1     Das Defizit-Modell der geistigen Entwicklung

Bedeutendste Vertreter dieser Theorie sind Wechsler, Lehmann und Botwinick (1970).

Das Defizitmodell betrachtet Altern als pathologische Variante des normalen menschlichen Verhaltens, mit der, im Gegensatz zu allen anderen pathologischen Erscheinungen, alle Menschen im Laufe des Lebens konfrontiert werden.

Altern wird als ein Prozess des Verlustes, des Abbaus emotionaler und intellektueller Fähigkeiten betrachtet.

Behauptungen besagen, ältere Menschen können sich schwer auf Neues einstellen, sie hängen ausschließlich am Althergebrachten. Sie sind weniger aktiv, spontan und ansprechbar (Arbeitsgruppe, Altenforschung Bonn 1976).

Die Untersuchen zur Überprüfung des Defizitmodells bestehen aus Überprüfungen der geistigen Fähigkeit. Mit dem Army – Alpha – Test stellte Yerkes 1921 fest, dass Intelligenzleistungen von Männern schon ab dem 30. Lebensjahr einem Altersdefizit unterworfen sind. Als Ergebnis galt seither die Entdeckung, dass ältere Menschen im Durchschnitt einen niedrigeren Intelli­genzquotienten (IQ) aufweisen als jüngere. Methodisch haben die Untersuchungen den Nachteil eines nichtstandardisierten Testverfahrens, dessen Ergebnisse schwer miteinander vergleichbar sind.

Wechsler bestätigte die Untersuchung 1944 mit der Konstruktion der Bellevue–Wechsler–Intelligenzskala. Dadurch wurde das Defizitmodell sehr populär und trug zur Beeinflussung der beruflichen Situation von älteren Arbeitnehmern bei. Der ältere Arbeitnehmer hat in der heutigen Leistungsgesellschaft deutlich verminderte Einstellungs- und Aufstiegschancen. Auch für seine Aus- und Weiterbildung wird weniger getan, als für jüngere Arbeitnehmer.

Das Defizitmodell wurde vor allem in den 60er und 70er Jahren auf der Grundlage verschiedener Studien kritisiert.

Bedeutsame Argumente sind unter anderem, dass es die Intelligenz nicht gibt, sondern sie aus mehreren einzelnen Primärfunktionen, wie zum Beispiel praktische Urteilsfähigkeit, Merkfähigkeit usw. besteht.

Man kann eine Abnahme von Fähigkeiten der sogenannten „fluid intelligence“ und eine Zunahme der Fähigkeiten, die mit dem Begriff „crystallized intelligence“ bezeichnet werden, bei alten Menschen feststellen (Horn und Catell 1966).

Mit der „fluid intelligence“ ist die flüssige Intelligenz gemeint, die Wendigkeit, Kombinationsfähigkeit oder Flexibilität umfasst.

Die „crystallized intelligence“ ist die kristallisierte Intelligenz, die Erfahrungswissen oder Wortschatz beinhaltet.

In Untersuchungen wurde bewiesen, dass ältere Menschen im Durchschnitt die gleichen geistigen Leistungen erbringen wie jüngere, sie aber mehr Zeit dafür benötigen.

Heftige Kritik wurde auch deshalb geübt, weil zu den vergangenen Untersuchungen oft alte, kränkliche Menschen, jungen, gesunden Personen gegenübergestellt wurden. Die gesundheitliche Untersuchung blieb völlig unberücksichtigt. Spieth zeigte 1965, dass die geistige Leistung eines Menschen stark vom gesundheitlichen Zustand abhängt. Daraus schließen wir beim Defizitmodell, dass alte Menschen nicht deshalb schlechte Leistungen erbringen, weil sie alt, sondern weil sie kränklicher sind.

Das Defizitmodell wurde mit einer Querschnittsuntersuchung durchgeführt. Dadurch wurden Stichproben bestimmter Geburtenjahrgänge im Hinblick auf ihre intellektuellen Fähigkeiten untersucht. Hierbei blieb völlig unberücksichtigt, dass die Personen der unterschiedlichen Geburtenjahrgänge auch eine unterschiedliche Schulbildung durchlaufen haben. Die geistige Leistungsfähigkeit ist aber überwiegend bildungsabhängig. Die schlechtere Testleistung einer älteren Person kann auch an der damals weniger qualifizierten Schulausbildung liegen.

Das Defizitmodell der geistigen Entwicklung wurde deshalb weitgehend revidiert. [35]

Heute ist sich die Wissenschaft einig: Eine rege geistige und regelmäßige körperliche Aktivität verlangsamt den körperlichen Abbau des Menschen. Die geistige Leistung muss im Alter nicht abnehmen, wie es meist angenommen wird.

Bestimmte Facetten der sogenannten pragmatischen Intelligenz, die zuständig für die Anwendung von Wissen und Erfahrung ist, kann sogar wachsen. Die Weisheit des Alters findet also wissenschaftliche Bestätigung. Die Chinesen haben große Achtung vor den greisen Weisen. Konfuzius ist der berühmte Philosoph des Alterns und Verteidiger der Alten und in China seit vielen Jahrhunderten der wichtigste Denker neben Laotse.

Am Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung wurde festgestellt, dass Senioren in Bereichen der mechanischen Intelligenz über ein großes unausgeschöpftes Potential verfügen. Dieser Bereich weist normalerweise einen Verlust im Alter auf. Also durch Übung kann man auch im Alter noch über ein gutes Gedächtnis verfügen.

Den Rekord im Max-Planck-Institut stellte eine 70jährige Frau auf, die sich 120 Zahlen in der richtigen Reihenfolge merken konnte.[31].

3.2     Die kognitive Alterstheorie

Die kognitive Alterstheorie wurde von Thomae 1968-1970 entwickelt.

Im Mittelpunkt steht die subjektive Seite des Älterwerdens. Es geht darum, wie der alternde Mensch objektive Gegebenheiten subjektiv erlebt und für sich interpretiert.

Diese Sichtweise ist deshalb auch objektiv bedeutsam, da das Verhalten eines Individuums auch durch die Art und Weise bestimmt wird, wie es sich selbst und seine Umwelt wahrnimmt. Hierbei ist vor allem die Auseinandersetzung mit der persönlichen Erscheinung, der sozialen Integration bzw. Isolierung und die Auseinandersetzung mit der Endlichkeit des Daseins gemeint.

Durch die kognitive Alterstheorie wird deutlich, dass es das Altern nicht gibt, sondern es nimmt bei jedem einen eigenen, individuellen Verlauf.

Die Verhaltensänderungen eines Individuums stehen im engeren Zusammenhang mit subjektiv erlebten Veränderungen, als mit objektiven Umweltveränderungen. Die Verhaltensveränderung des Sich-Zurückziehens steht im Zusammenhang damit, wie eine objektive Änderung zum Beispiel „Die Kinder sind erwachsen und führen ihr eigenes Leben“ ganz subjektiv erlebt wird.

Die Voraussetzung für ein erfolgreiches und zufriedenes Altern ist das Gleichgewicht zwischen der kognitiven Struktur, den eigenen Bedürfnissen und der erlebten Realität.

Wenn der alternde Mensch das „Aus-dem-Haus-gehen“ seiner erwachsenen Kinder als positiv erlebt, weil er von vorneherein, also auch als die Kinder noch klein waren, den Wunsch hatte, sie zur Selbstständigkeit zu erziehen und nicht ein Abhängigkeitsverhältnis entwickelt hat, dann wird er das Erlebnis an sich, als nicht belastend empfinden. Hat er aber dieses Ziel nicht, weil er durch die Kinder eine Aufwertung seiner Selbst empfindet, dann wird es ihn belasten, wenn die Kinder selbständig werden und ihn immer weniger brauchen. Durch das egoistische Festhalten an den Kindern, um eigenen Bedürfnissen nachzukommen, wird es ihm schwer fallen, wenn die Kinder fortgehen. Er wird sich als Opfer, als überflüssig und im Wege stehend empfinden und die Situation des Alterns negativ bewerten.

Sind die objektive Situation und die Wunschvorstellung in einen Konflikt geraten und ist die Änderung der Situation nicht möglich, so kann ein therapeutisches Gespräch für den alternden Menschen sinnvoll sein, um ihm zu helfen, zu einer anderen Sichtweise der Situation zu gelangen.

Die kognitive Theorie des Alterns hat eine große Bedeutung für die Altersforschung. Wie sehr die subjektive Wahrnehmung eines Menschen sein Verhalten und seinen Alterungsprozess beeinflussen kann, zeigt die subjektive Beurteilung der alternden Menschen zu ihrem Gesundheitszustand.

Theißen stellte 1970 fest, dass der vom Arzt diagnostizierte Gesundheitszustand und die Anzahl der physischen Symptome unabhängig vom subjektiv gesundheitlichen Wohlbefinden sind.

Es gibt Patienten, die sich gesund fühlen, obwohl sie laut ärztlicher Diagnose an verschiedenen gesundheitlichen Störungen leiden.
Andererseits fühlen sich Patienten sehr krank, obwohl sie vom ärztlichen Standpunkt aus als gesund betrachtet werden können.
Durch Persönlichkeitsstruktur, innere und äußere Gegebenheiten der Lebenssituation und lebenslange Erfahrungen sowie die Zukunftsorientierung, werden die Wahrnehmungen beeinflusst. Die Einschätzung des Gesundheitszustandes hat Auswirkungen auf viele Bereiche: Personen die sich gesund fühlen, unabhängig von der Diagnose, sind leistungsfähiger, unternehmungslustiger, anerkannter, zufriedener, aktiver und entwickeln mehr Zukunftspläne, als Personen, die sich kränklicher fühlen. [Thomae, H. (1969) in [1], [3]]

Damit wird deutlich, dass der Alterungsprozess auf individueller und subjektiver Ebene betrachtet werden sollte. Jeder Mensch hat seinen eigenen, individuellen Alterungsverlauf, der stark von subjektiver Wahrnehmung, subjektiven Bedürfnissen und Sichtweisen beeinflusst wird.


4     Sozialpsychologisch orientierte Alterstheorien

Diese Theorien versuchen Altern aus der Sichtweise der Sozialpsychologie zu betrachten und stellen die Frage, welche sozialpsychologischen Bedingungen erfüllt sein müssen, damit ein zufriedenes und erfolgreiches Altern möglich ist.

Altern wird hier auf der Ebene zwischenmenschlicher Beziehungen beschrieben.

4.1     Die Aktivitäts - Theorie

Dieser Ansatz wurde weitgehend in den USA, unter anderem von Havighurst (1953) entwickelt und dann später von Lemon, Bengtson und Peterson (1972) weiterentwickelt.

Die Aktivitätstheoretiker stellen die Frage danach, welche Form des Alterns dem Menschen ein Höchstmaß an Zufriedenheit gewährt. Sie postulieren einen engen Zusammenhang zwischen sozialen Aktivitäten (Intensität und Intimität der sozialen Kontakte) und der Lebenszufriedenheit. Sie gehen von der Annahme aus, dass jeder Mensch in der Gesellschaft in der er lebt, spezifische soziale Rollen, wie Berufrolle oder im privaten Bereich die Rolle des Ehepartners oder Elternteils erfüllt. Die Rollen werden überwiegend durch soziale Interaktion realisiert.

Laut Havighurst empfindet der Mensch diesen sozialen Rollenkontakt als positiv und möchte ihn auch im Alter beibehalten. Allerdings wird die Befriedigung des Bedürfnisses mit zunehmendem Alter eingeschränkt, zum Beispiel durch die Pensionierung, den eigenen gesundheitlichen Abbau oder den Tod einer Kontaktperson.

Tartler nennt zusätzlich die Auflösung der Großfamilie, wodurch der alte Mensch das Gefühl des „Überflüssig-Seins“ bekommt. Die Rolle des Traditionsvermittlers durch den alten Menschen hat an Bedeutung verloren. Durch räumliche Distanz, zum Beispiel das Leben im Altenheim, werden Kontaktmöglichkeiten auch mit der Familie begrenzt. Dieser Rollenverlust bewirkt ein geringeres Selbstwertgefühl und schränkt die Aktivität des alten Menschen immer mehr ein. Er wird zu Inaktivität gezwungen und unzufriedener.

Um die Rollen- und Kontaktverluste auszugleichen, braucht der alte Mensch zum Beispiel Hobbys, einen Freundeskreis oder Zuwendung durch praxisorientierte Altenarbeit, die an Stelle des Verlustes treten. So kann er sein Aktivitätsbedürfnis wieder befriedigen.

Die Aktivitätstheorie wurde in zahlreichen empirischen Studien nachgewiesen und gilt als äußerst bedeutend für die Altersforschung.

Allerdings kann man nicht verallgemeinernd davon ausgehen, dass viele soziale Kontakte ein zufriedenes Altern bedingen. Vielmehr ist die Kongruenz zwischen tatsächlichem und dem gewünschten Teilhaben am sozialen Leben bedeutend.

Wenn Beziehungen und ihre Auswirkungen auf die Lebenszufriedenheit beschrieben werden, so darf die Betrachtung der individuellen Persönlichkeitsstruktur jedes Einzelnen nicht unbeachtet bleiben. Jeder Mensch hat ein unterschiedliches Bedürfnis nach sozialen Kontakten. [35]

4.2     Die Disengagement - Theorie

Diese Theorie geht genau wie die Aktivitätstheorie von der Beobachtung aus, dass ältere Menschen weniger soziale Kontakte pflegen, beziehungsweise weniger aktiv sind, als Menschen in anderen Lebensaltern.

Mit Disengagement ist Loslösung oder „Sich-Zurückziehen“ gemeint.

Die Aktivitätstheoretiker stellen den sozialen Rückzug als von der Gesellschaft beeinflusst und sich meist gegen den Willen des Menschen gerichtet dar.

Im Gegensatz dazu gehen die Vertreter der Disengagementtheorie von der Annahme eines „Sich-Selbst-Zurückziehenden“ alternden Menschen aus. Der Rückzug sei von der Gesellschaft und ebenso vom alten Menschen gleichermaßen erwünscht und die Reduzierung der sozialen Kontakte sei die Voraussetzung für ein zufriedenes Altern.

Disengagement wird als unvermeidlicher Prozess angesehen, der zu dem Zeitpunkt beginnt, wenn der Mensch sich der Abnahme seiner Fähigkeiten und des bevorstehenden Todes bewusst wird und endet mit dem Tod des Menschen. Anfang und Ende des Prozesses sind je nach Individuum unterschiedlich.

Die Theorie wurde von Elaine Cumming und W. Henry (1961) begründet und enthält neun Grundannahmen. Der Disengagementsprozess wird als positiv bezeichnet, wenn das Disengagement zur gleichen Zeit von der Gesellschaft und vom alternden Menschen, wenn er zum Beispiel das Nachlassen seiner Fähigkeiten spürt, angestrebt wird. Zu Konflikten kommt es dann, wenn die Gesellschaft dem alten Menschen den Rückzug nahe legt und er jedoch weiterhin aktiv bleiben möchte.

Nach Havighursts Untersuchungen sind Menschen mit passiveren, häuslicheren Lebensweisen im Alter zufriedener, wenn ihnen ein Rückzug ermöglicht wird, weil sie darin eine Erleichterung verspüren.

Menschen, die generell schon immer aktiver waren und stets viele Kontakte gepflegt haben, werden im Alter zufriedener sein, wenn sie ihren Lebensstil beibehalten können.

Nach dieser Untersuchung wird die Disengagementtheorie, die besagt, dass im Alter die Lebenszufriedenheit immer mit einer Verringerung der sozialen Aktivität einher geht, bezweifelt. Auch andere Studien von Fröhlich, Becker & Bigit wiederlegten die Theorie. Sie stellten in ihren Untersuchungen eine hohe Übereinstimmung von Aktivität und Lebenszufriedenheit, sowie zwischen geringerer Aktivität und weniger Lebensfreude fest.

Beide Theorien, die Aktivitätstheorie und die Disengagementtheorie haben zahlreiche empirische Untersuchungen ausgelöst, von denen meist die Aktivitätstheorie bestätigt wurde. Trotz heftiger Kritik sollte man positiv bemerken: Es ist der Verdienst der Disengagementtheorie, dass sozialpsychologische Aspekte in der gerontologischen Forschung in den Vordergrund gerückt sind. [35]

4.3     Ein ökologisches Modell des Alterns

Es geht nach Zublin (1973) davon aus, dass mit dem Älterwerden viele Funktionen und Fähigkeiten nachlassen oder sogar ganz verloren gehen.

In diesem Modell werden als Ursache vor allem die ökologischen Gegebenheiten dargestellt. Die Umgebung, in der das Individuum lebt, zum Beispiel Klima, Wohnsituation, Infrastruktur, Verkehrslage usw. beeinflussen den Alterungsprozess.

Günstige Umweltbedingungen, die auf die Bedürfnisse der Älteren zugeschnitten sind und ihm Eigenaktivität ermöglichen, führen zu einer Verringerung des Fähigkeits- und Funktionsverlustes.

Ungünstige Umweltbedingungen produzieren hingegen Funktionsverluste, vor allem bei denjenigen, die im Bezug auf Gesundheit, geistiger Beweglichkeit und sozialer Kontaktfähigkeit an sich schon benachteiligt sind.

Die Theorie besagt, je schlechter es jemanden geht, umso wichtiger werden ökologische Faktoren, die die Aktivität des Individuums fördern oder hemmen.

Den ökologischen Bedingungen wurde bislang in der Altersforschung zu wenig Bedeutung beigemessen. Da die ökologische Situation eines Menschen einen wesentlichen Teil seines Lebensraumes ausmacht, sollte sie stärker in gerontopsychologischen Untersuchungen beachtet werden.

Wohnt zum Beispiel ein leicht gehbehinderter Mensch im vierten Stock eines Hauses ohne Aufzug und hat auch keinen Telefonanschluß, so ist er in seinem Aktionsradius stark eingeschränkt. Je stärker die Behinderung, um so massiver wirkt die Beeinflussung durch ökologische Gegebenheiten auf Aktivität, soziale Beziehungen und Lebenszufriedenheit.

Allerdings beeinflussen nicht nur objektive Umweltgegebenheiten die Lebenszufriedenheit des Menschen, sondern, wie schon in der kognitiven Alterstheorie beschrieben, vor allem die Art und Weise wie der Einzelne seine Umwelt erlebt und was sie für ihn subjektiv bedeutet. [35]


E   Theorie der Lebensphasen

Der bekannte Psychologe Erik Erikson schuf die Theorie von den Lebensphasen, den Entwicklungsstadien und Entwicklungsaufgaben des Lebens.

Er geht davon aus, dass sich die Aufgaben mit dem Lebensalter ändern. Wie gut wir eine Aufgabe in einem bestimmten Alter erfüllen, hängt davon ab, wie gut wir frühere Aufgaben in einem vorherigen Lebensabschnitt gelöst haben. Von Geburt an bis zum Lebensende sind wir bemüht, diese Aufgaben zu erfüllen. Selten erfüllen wir die Lebensaufgaben ganz. Wir bekommen aber immer wieder neue Chancen hinzu. Ungelöste Aufgaben plagen uns und verfolgen uns bis ins hohe Alter, lange Zeit vergrabene Gefühle brechen im Alter wieder hervor.

Naomi Feil stellt die Lebensphasen von Erikson in ihrem Buch „Validation“ vor und fügt dem noch eine weitere Phase hinzu.

1     Stadium: Frühkindliches Alter

Hier besteht unsere Aufgabe darin, Vertrauen zu entwickeln. Wir lernen darauf zu vertrauen, dass die Mutter immer wieder kommt. Wir überstehen Kälte, Wärme und Hunger. Wir werden von der Mutter geliebt und können uns selbst lieben, weil wir liebenswert sind. Wird dieses Vertrauen dadurch gebrochen, dass die Mutter dem Säugling zu wenig Zuwendung schenkt oder nicht wieder zurückkehrt, wird das Kind das Vertrauen nicht aufbauen können. Es wird auch später misstrauisch gegenüber anderen sein. Wenn dem Kind das Selbstvertrauen fehlt, kann es sich selber nicht lieben. Es fühlt sich oft als Opfer, leugnet eigene Verantwortung und sucht jemanden, den es beschuldigen kann.

Ist die Aufgabe im frühkindlichen Alter misslungen, wird dieses Misstrauen den Menschen sein ganzes Leben begleiten, sogar bis ins hohe Alter. Wird aus dem Jungen ein alter Mann, der stürzt, weil seine Knie von Arthritis geschwächt sind, wird er die Putzfrau beschuldigen, sie habe absichtlich den Boden nicht trocken gewischt.

Auch Angst, die in der Kindheit nicht eingestanden wird, taucht im Alter wieder auf. Wenn wir von klein auf lernen, dass wir Liebe nur durch eigene Perfektion erfahren, vergrößert sich dies als Last bis ins hohe Alter. Auch im Alter tragen wir das Bedürfnis nach strikter Kontrolle in uns. Wir zeigen keine Gefühle, keine Schwächen, vermeiden Fehler und werden sie vor allem vor anderen nicht eingestehen. Aber gerade im Alter können wir Fehler nicht vermeiden, die Kontrolle lässt nach. Viele horten dann ihre Besitztümer und bewahren diese am richtigen Ort auf. Verlieren sie etwas oder verlegen sie es, beschuldigen sie andere, es gestohlen zu haben. Wenn das Bett der alten Frau nass ist, regt sie sich über den Handwerker auf, der das Dach ihrer Meinung nach nicht repariert hat und schuld ist, dass der Regen auf ihr Bett tropft. Sie kann sich oder anderen ihre Inkontinenz nicht eingestehen. Je mehr Dinge außer Kontrolle geraten, um so mehr horten die Menschen zum Beispiel in ihrer Handtasche.

2     Stadium: Kindheit

In der Kindheit lernen wir, Regeln zu befolgen und Selbstkontrolle zu erlangen. Misslingt uns diese Aufgabe, schämen wir uns. Es entstehen Schuldgefühle und Selbstvorwürfe. Auch diese können den Menschen bis ins hohe Alter begleiten.

3     Stadium: Adoleszenz

Als Teenager haben wir die Aufgabe uns abzunabeln. Wir rebellieren. Wir lehnen uns gegen Regeln auf und lernen unsere eigenen Werte zu entdecken. Wir stellen unsere eigenen Gesetze auf. Wir versuchen herauszufinden, wer wir sind, um uns von unserer Familie loszulösen. Oft verfluchen wir unsere Eltern, um diese Abnabelung zu vollziehen. Wenn wir in der 1. Phase gelernt haben, dass unsere Eltern uns auch dann lieben, wenn wir gegen sie kämpfen, können wir die Rebellion wagen. Besteht aber die Angst, wir könnten die Liebe der Eltern verlieren, dann kapitulieren wir, sind brav und lieb. Wir verhalten uns entsprechend den Erwartungen unserer Eltern. Dabei lernen wir aber nicht, wer wir eigentlich sind, ohne unsere Eltern und ohne Autorität. Wir sind Musterschüler und im Berufsleben anerkannt. Aber unsere eigene Identität und unsere eigenen Gefühle haben wir dabei nicht gefunden. Wir lernen uns weder abzunabeln, noch was es bedeutet, ohne die Familie und unser zu Hause zu existieren.

Im Alter können wir dann auch keine Verluste ertragen, weil wir nicht gelernt haben, ohne etwas weiter zu leben, das wir verloren haben. Wir akzeptieren weder die Abnabelung unserer Kinder, noch den Verlust unserer Sehkraft oder die Tatsache, dass wir im Rollstuhl sitzen. Wir leben in Abhängigkeit zu anderen. Bei vielen Frauen ist die Folge, dass sie sich im Alter an ihre Kinder klammern sowie im Altenheim dann an das Pflegepersonal. Meist klagen sie über ihre Schmerzen und jammern über ihren Zustand und darüber, dass die Kinder zu wenig Zeit für sie haben. Sie fühlen sich immer allein gelassen.

4     Stadium: Erwachsenenalter

Hier besteht die Aufgabe darin, Intimität zu lernen, in dem man eine enge Beziehung zu einem anderen Menschen aufbaut. Haben wir als Teenager unsere eigene Identität erworben, dann haben wir keine Angst, zurückgewiesen zu werden. Wenn wir uns selbst lieben, sind wir auch in der Lage, andere Menschen zu lieben. Haben wir aber in der Erfüllung der früheren Aufgaben versagt, können wir Nähe nicht zulassen und wollen Verletzungen nicht riskieren, oder werden uns in Abhängigkeit von anderen begeben. Wir haben Angst, verlassen zu werden, weil wir diese Erfahrungen vielleicht bereits in der Kindheit erlebt haben. Uns quält das Versagen aus der Kindheit, oder die Furcht aus der Teenagerzeit, abgewiesen zu werden. So halten wir uns von Fremden fern. An diesem Ballast haben wir bis ins hohe Alter zu tragen. Im Altenheim sitzen wir dann abseits, ziehen uns in uns selbst zurück und leiden unter dem schwindenden Hör- oder Sehvermögen.

5     Stadium: Lebensmitte

Die fünfte Aufgabe in der Lebensmitte besteht darin, sogenannte Schicksalsschläge zu bewältigen. Wir müssen akzeptieren, wie der Körper sich verändert. Die Falten werden tiefer, das Haar dünner und ergraut. Uns treffen Verluste, aber wir bieten dem Leben die Stirn. Wir lernen zu trauern. Wir begreifen die Endlichkeit und nehmen die Tatsache des Alterns an. Wir bewegen uns weiter, vergrößern unser Lebensrepertoire und bilden uns weiter. Wir erkennen neue Wege.
Halten wir aber an alten Verhaltensweisen, ausgedienten Rollen und unserem Beruf fest und finden sonst keine Aufgabe, so sind wir eingesperrt. Nachdem die Kinder aus dem Haus sind oder nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben sind wir verzweifelt, weil wir keine neuen Aktivitäten entwickelt haben. Es kommt darauf an, neue Wege zu finden: „Neue Schlüssel zu neuen Türen“. Stirbt der Partner, können wir neue Freunde finden. Im Ruhestand haben wir zum Beispiel die Möglichkeit, ehrenamtliche Aufgaben zu übernehmen.

6     Stadium: Alter

Nach Erikson besteht die letzte Aufgabe darin, das Leben zu resümieren. In dieser Phase schaut man zurück und versucht herauszufinden, wer man war. Wir lassen die Vergangenheit Revue passieren, um die Zukunft vorauszusehen. Wir haben aus Fehlern gelernt und denken darüber nach, was wir hätten anders machen können. Wir denken an unerfüllte Träume und an Verluste.

Sehr alte Menschen, die sich Zeit ihres Lebens den Aufgaben gestellt haben, akzeptieren sich so, wie sie sind. Sie betrachten ihre Erinnerungen, ihre Entscheidungen und nehmen das Leben so an, wie sie es gelebt haben. Sie haben Integrität erlangt. Integrität im Alter heißt, die eigenen Stärken trotz Schwächen zu erkennen. Diese Menschen haben innere Stärke erlangt und erkennen den Sinn ihres Lebens, auch wenn sie den Ehepartner verloren haben, im Rollstuhl sitzen und im Pflegeheim leben.

Sind Gefühle aber ein Leben lang erfolgreich unterdrückt worden, dann gehen wir mit einer unerträglich werdenden Last ins Alter.

Die Statistiken zeigen, dass wir immer älter werden und nicht mehr früh an Krankheiten, wie Lungenentzündungen sterben werden. Da wir also wahrscheinlich das hohe Alter erreichen, kommt es darauf an, die Aufgaben der Lebensstadien zu bewältigen und sie auch im hohen Alter zu erfüllen.

 

Naomi Feil fügt in ihrem Buch „Validation“ dem noch ein letztes Stadium hinzu: Sie stellt die Theorie über noch ein weiteres, die des siebten Stadiums, auf.

7     Stadium: Hohes Alter

Feil sagt: Die letzte Aufgabe im hohen Alter besteht darin, die Vergangenheit zu verarbeiten. Es ist die Aufgabe jenseits der Integrität, die des Verarbeitens statt des Vegetierens. Sehr alte Menschen, die mit ungelösten Gefühlen aus den früheren Stadien belastet sind, kehren immer wieder in die Vergangenheit zurück. Es ist nicht der bewusste Rückzug, wie der in Erikson´s sechster Phase. Es ist ein zutiefst menschliches Bedürfnis, in Frieden sterben zu können. Da wir immer länger leben, wird es eine immer größer werdende Zahl von Menschen geben, die in dieses Endstadium des Verarbeitens geraten. Sie brauchen Menschen, die sich Zeit für sie nehmen, um ihnen zuzuhören. Ansonsten ziehen sie sich in das Vegetieren zurück. Sehr alte Menschen, die keine Stimulierung von der Umgebung erfahren, vegetieren im Altenheim vor sich hin. Ihre Gefühle werden bis zu ihrem Tod unverarbeitet bleiben. Werden die Gefühle aber ausgesprochen, zerstreuen sie sich. [20]

„Die alten Menschen mustern schmutzige Wäsche aus, die sich im Lagerhaus der Vergangenheit angesammelt hat. Sie sind damit beschäftigt, Ordnung zu machen.“ [Naomi Feil]

“Der sehr alte Mensch setzt den Verarbeitungsprozess fort und bereitet sich darauf vor, in einem aufgeräumten Haus zu sterben.“ [NaomiFeil]

Kurt Witterstätter beschreibt die Aufgaben im Alter im seinem Buch Soziologie für die Altenarbeit wie folgt:

„Das Alter als die Endzeit des Lebens scheint, vordergründig betrachtet, eine Lebensphase zu sein, in der der Mensch nicht mehr expandiert, in der er keine Fähigkeiten und Möglichkeiten mehr hinzugewinnt. Eher scheint das Alter von Eingrenzung, von der Beschränkung von Möglichkeiten gekennzeichnet zu sein. Wachstum und Lernen werden allgemein den Stufen von Kindheit und Jugend zugeschrieben. Dies ist jedoch sehr verkürzt. Auch der alte Mensch hat Aufgaben. Es ist sogar von ganz typischen, dem Alter eigentümlichen und gemäßen Entwicklungsaufgaben die Rede:

·    Selbstfindung trotz mancherlei Aufgabenverlusten – oder aber anders herum gedacht: Gerade wegen der Freistellung von Aufgaben in Betrieb, Familie und Vereinigungen bestehen Zeit und Abstand für Selbstfindungsprozesse;

·    das Ziehen der eigenen Lebensbilanz;

·    das Schließen von Frieden mit dem eigenen Lebensablauf, wie er sich vollzog und mit jenen Personen, die einem in diesem Leben nahe gestanden und eine Rolle spielten;

·    Annahme des Lebensendes, das unweigerlich innerhalb einiger Jahre bevorsteht. [40]

 


8     Resümee

Um das Vegetieren der Menschen im hohen Alter, die im Alten- und Pflegeheim untergebracht sind, zu vermeiden, müssen wir uns Zeit für sie nehmen. Wir müssen mit ihnen sprechen und ihnen helfen ihre Gefühle zu ordnen, um alte Erinnerungen zu verarbeiten. Das Erzählen und das Zuhören ist hier die Möglichkeit für die Alten ihr Leben zu resümieren. Nur so können sie in Ruhe sterben. Ich finde es wichtig, diese Menschen dabei zu unterstützen und ihnen Hilfe anzubieten. Ich glaube, dass ich selbst glücklich wäre, wenn ich im Alter jemanden hätte, der sich für mich und mein Leben interessieren würde. Jemanden, dem ich Geschichten aus meinem Leben erzählen kann, um es dadurch besser abschließen zu können. Aus diesem Grund habe ich mich mit dem Thema Erzählen intensiv auseinander gesetzt.

Bevor ich auf die Relevanz des Erzählens für alte Menschen näher eingehen werde, möchte ich mich erst einmal ganz allgemein mit dem Thema Erzählen beschäftigen.

 

Ich möchte nun erst einmal fragen, welche Bedeutung das Erzählen für Menschen im Allgemeinen hat und auch danach, wie wichtig Erzählen für Menschen in anderen Kulturkreisen ist und dann einen historischen Rückblick über Erzählen in Europa geben.


F   Erzählen

1     Wo wird erzählt?

Erzählen ist eigentlich ein aktives Element des täglichen Lebens. Wir erzählen den Kindern Märchen vor dem Schlafengehen oder dem Psychiater auf der Couch unsere Probleme. Auch in der Therapie wird erzählt, worauf ich später im Kapitel F6 eingehen werde. Erzählen ist fester Bestandteil bei der Predigt in der Kirche und auch auf dem Beichtstuhl. In anderen Religionen, die weniger rationalisiert sind, als das Christentum, wird nur erzählt anstatt gepredigt. Manche Leute erzählen ihrem Friseur ihre Lebensgeschichte oder ganz alltägliche Begebenheiten. Im Wartesaal, auf dem Bahnhof, an der Haltestelle, im Bus oder im Zugabteil treffen die unterschiedlichsten Menschen zusammen und erzählen etwas von sich oder über „Gott und die Welt“. Auch im Wartezimmer beim Arzt werden meist Krankheitsgeschichten erzählt. Auch in der Familie wird bei Tisch, wenn sich alle Familienmitglieder versammeln, erzählt. Wenn wir von einer Urlaubsreise kommen, erzählen wir von Land und Leuten und den Abenteuern, die wir erlebt haben. Erzählt wird auch in der Kneipe, am Stammtisch sowie im Kindergarten und in der Schule. Auch im Altenheim und am Krankenbett wird erzählt.

Seit einiger Zeit wird zunehmend in Talkshows im Fernsehen erzählt. Dieses Bedürfnis, in der Öffentlichkeit Privatangelegenheiten zu erzählen, scheint sich immer mehr zu manifestieren. Allerdings geht es hier meist nicht darum, sich gegenseitig zuzuhören, sondern vielmehr wird gestritten, sich gegenseitig ins Wort gefallen und zum Teil werden, meiner Ansicht nach, niveaulose Beleidigungen verteilt. Menschen mit teilweise großen persönlichen Problemen öffnen sich in diesem Medium, ohne dass ihnen fachgerechte, professionelle Hilfe geboten wird. Durch diese Entwicklung kommt es bereits zu „Talkshowopfern“, die durch die Folgen der Sendung psychologischen Beistand benötigen. Die Offenbarung persönlicher Probleme im Fernsehen wird im Rückblick von vielen bereut. Nicht selten kommt es im nahen sozialen Umfeld zu Konflikten. Abschließend sollte man aber erwähnen, dass es auch seriöse Talkrunden gibt, in denen Menschen, weniger private Probleme aufdecken, sondern über interessante Ereignisse sprechen, diskutieren oder aus ihrem Leben erzählen.

2     Was wird erzählt?

Es gibt die unterschiedlichsten Gattungen von Erzählungen. Neben Alltagsgeschichten auch Abenteuer und Reisegeschichten. Auch Witze, Lügengeschichten, Märchen und Ausreden werden erzählt, sowie Anekdoten zum Besten gegeben. Neben Krankheitsgeschichten werden auch oft Unfallgeschichten und Missgeschicke erzählt. Am meisten wird wohl Biographisches erzählt. Es gibt traurige, lustige und interessante, sowie aufregende, ja sogar Angst einflößende Geschichten.

3     Wer erzählt?

„Erzählen kann jeder, und jeder tut es täglich, oft, ohne es zu bemerken.“ [Johannes Merkel]

Eigentlich sind es alle gesellschaftlichen Gruppen, die erzählen. Kinder, Jugendliche, Erwachsene und alte Menschen erzählen genauso, wie Frauen und Männer. Entweder Freunden, Bekannten, Nachbarn, den Eltern bzw. der Familie wird erzählt oder aber in der Öffentlichkeit. Früher erzählte man mit der Nachbarschaft in der Spinnstube, heute gibt es zunehmend Erzählcafés. Professionelle Erzähler erzählen nach Erzähltradition bei Veranstaltungen, wie Erzählfestivals.

4     Über das Erzählen

„Unsere Erinnerung ist ein Sack voller Geschichten. Sie schleichen sich in unsere Unterhaltungen ein.“ [Johannes Merkel]

Wie Johannes Merkel in seinem Buch „Erzählen tut jeder – Erzählen ist eine Kunst von einer fast unbekannten Textform“ erwähnt, ist es schwierig eine Geschichte, die man mündlich erzählt oder erzählt bekommen hat, aufzuschreiben. Geschichten leben von einer komischen Situation, deren Witz darin besteht, sie lebendig zu machen. Man erzählt Geschichten oder Anekdoten in Geselligkeit und ein anderer will noch „einen draufsetzen“. Durch einen kritischen Blick erkundet man, ob die Geschichten Anklang finden und ob man Aufmerksamkeit erwarten kann. Bereits nach den ersten Sätzen merkt man, ob die Geschichte greift. Geschichten, die mündlich erzählt, witzig klingen, entlocken aufgeschrieben kein müdes Lächeln. Man schreibt nie in dem Wortlaut, in dem man mündlich erzählt. Man verwendet im Mündlichen andere Redewendungen. Schriftliche Formulierungen stammen oft aus „ästhetischen Kategorien“.

Durch die Kombination mit Gesten erzählen sich Geschichten allmählich fast von selbst. Gesten ziehen Sätze nach sich und Sätze Gesten. [30]

5     Über das Zuhören

Das Zuhören hängt ganz eng mit dem Erzählen zusammen. Erzählen ist ein dialogischer Vorgang des Mitteilens. Knut Hickethier beschreibt den dialogischen Prozess zwischen Erzähler und Zuhörer: Der Erzähler muss sich durch Blickkontakt auf den Zuhörer einstellen. Der Zuhörer ist nicht passiv. Er nimmt auf und vergegenwärtigt sich das Erzählte. Er macht deutlich, ob etwas interessant oder langweilig ist. Der Erzähler erfährt also auch etwas vom Zuhörer. Der Zuhörer beeinflusst den Erzähler. Das Erlebnis des Erzählers wird auch zum Erlebnis der Zuhörer. Die Geschichte wird über Betonung, Akzentuierung, Stimmveränderung, mimische und gestische Formen der Unterstützung beim Erzählen, dem Zuhörer vermittelt. Leuchtende Augen der Zuhörer, offene Münder der Selbstvergessenheit, Zwischenrufe und Nachfragen sind sprachliche und nichtsprachliche Signale der Zuhörer.

Erzählen ist doppelte Lust, die des Erzählens und auch die des Zuhörens. Zuhören fördert die Lust zum Gegenerzählen. Zuhören aktiviert Erinnerungen und fördert den Mitteilungsdrang. [Hickethier, K.: Vom Erzählen und Zuhöreren in [30]]

6     Erzählen als Therapie

Elke Liebs beschäftigt sich mit dem Erzählen in der Therapie. Sie macht deutlich, dass Menschen, die Hilfe brauchen, das Gespräch suchen und einen Zuhörer brauchen. Aus der Lust und Freiwilligkeit beim spontanen Erzählen werden hier Notwendigkeit und Zwang. In der Therapie lernt der Erzähler sich selbst zuzuhören, und sich zu akzeptieren in seiner eigenen Individualität. Er erinnert, wiederholt und durchlebt durch das Erzählen. Beim Erzählen über sich selbst entwickelt sich eine neue emotionale Selbstwahrnehmung. Menschen werden ohne Ansprechpartner krank. Aus der zweckfreien Freude am Zuhören ist daher ein Beruf geworden. Es gibt Menschen, die erst in der Therapie lernen, wie befreiend und wichtig Erzählen ist. Sie sind im Erzählen gehemmt und verbinden mit Erzählen Schwatzhaftigkeit, sich wichtig machen, irrationale Gefühlsduselei und Zeitverschwendung. Das „Einfach-drauf-los-erzählen“ hat in unserer Gesellschaft eine nahezu negative Bedeutung. Es wird als etwas Primitives, Infantiles und Anarchisches angesehen. Erzählen wird heute in unserer Gesellschaft oft zeitlich determiniert, angeordnet, in einen fremden Zusammenhang gezwungen, bezweifelt, vor allem auch bewertet und protokolliert. Institutionalisierte Erzählmöglichkeiten gibt es in der Seelsorge, am Notruftelefon, in der Beratungsstelle und in der Sprechstunde oder Therapiestunde. [Liebs, E.: Natürliches Erzählen in der Therapie. In: [30]]

7     Das Medium Erzählen in der Gegenüberstellung zu anderen Medien

Der Vorteil des Erzählens gegenüber dem Vorlesen aus einem Buch ist, dass einem der Text beim Erzählen vertrauter ist. Liest man aus einem Buch vor, kennt man den Inhalt nicht so gut, da man ihn ja nicht selbst formuliert hat. Außerdem ist man mit den Augen beim Text und nicht beim Zuhörer. Der Blickkontakt kann nicht gehalten werden und der Reaktion der Zuhörer kann nicht soviel Beachtung geschenkt werden. Betonungen und Pausen erfolgen nicht immer an der richtigen Stelle. Das frei Erzählte hingegen hat Rhythmus durch die Strukturierung mit Pausen und Betonungen. In den Pausen kann das Erzählte beim Zuhörer ein Bild entstehen lassen, die Situation kann zur Wirkung kommen. Gezielter wird der Assoziationsraum durch Fragen des Erzählers, durch Aufforderung zur Bestätigung, Kommentierung und Ergänzung der Hörer.

Das Erzählen ist durch audiovisuelle Medien, wie Fernsehen oder auch durch Medien, wie Bücher und Radio, mehr und mehr abhanden gekommen. Diese Medien sind nur Einwegkommunikationen. Der Mensch kann nicht aktiv in die Geschichten eingreifen und sie mitgestalten. Die Gesellschaft ist aktiv als Käufer, Leser und Konsument, aber, im Hinblick auf das Erzählen, passiv geworden. Medien wie Fernsehen und Stereoanlage bleiben Medien. Sie stehen zwischen dem Erzähler und dem Hörer. Würden wir nur über diese Einwegmedien kommunizieren, würden wir uns unserer persönlichen und kollektiven Erfahrung berauben. In den letzten Jahren erfuhr das Erzählen wieder eine Aufwertung. Es wurde sozusagen wieder neu entdeckt, denn es hat den Vorteil des persönlichen Gegenübers, des menschlichen Umgangs, der Spontaneität und der Unmittelbarkeit. Das persönliche Erzählen ist die Grundlage allen medialen Erzählens, ob im Buch oder im Fernsehen. Das persönliche Erzählen hat den Vorteil, dass der Erzähler befragt werden kann, er ist sichtbar und greifbar. In anderen Medien verschwinden die Erzähler wieder und sind weder greifbar, noch kann man mit ihnen diskutieren oder ihnen Fragen stellen. Trotzdem kann auch das Fernsehen einen positiven Einfluss auf den Menschen haben, obwohl es meist gering geschätzt wird. Das Lesen eines Buches wird dagegen als unsinnig hoch bewertet. Dabei hat jedes Medium seine eigene Berechtigung. Das Fernsehen erfreut sich großer Beliebtheit und hat eine starke Wirkung, da es viele Sinne gleichzeitig anspricht. Oft befürchten Pädagogen durch das Fernsehen einen Verlust an Phantasie. Aber Phantasie ist nicht angeboren. Man kann sie erlernen und sie kann gefördert werden. Phantasie braucht Material und findet es auch unter anderem im Fernsehen. Frühere Wahrnehmungen werden in Teilen aufgenommen, mit anderen Erinnerungen aus Fernsehen, Comics, Büchern und selbst Erlebtem verbunden. Das, was Eindruck gemacht hat, bleibt zurück. Also auch Geschichten und Bilder aus dem Fernsehen tragen zur Förderung der Phantasie bei.

Bedenklich ist allerdings ein besinnungsloser Medienkonsum. Dazu kommt auch die Qualität der Filme, die gesehen werden. Erst wenn zum Beispiel der Fernseher Ersatzerzähler geworden ist, dann stellt er eine Einschränkung der Phantasie da. Schade ist es, wenn die Massenmedien uns überfluten und zum Ersatz des Selbsterlebtem und miteinander Erzählen werden. Das Erzählen ist eine Alternative zu anderen Unterhaltungsmöglichkeiten. Wir sollten dem Erzählen wieder mehr Beachtung schenken, um es nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. [30] [19]

 

Ich möchte nun verschiedene Kulturen und ihre Bedeutung zum Erzählen,  sowie einen historischen Rückblick darstellen. Ich werde erläutern, warum erzählt wurde und noch erzählt wird.


G  Die Bedeutung des Erzählens in anderen Kulturen.

Um deutlich werden zu lassen, wie wichtig, ja sogar lebensnotwendig, das Erzählen einmal war, oder teilweise noch sein kann, möchte ich gerne einige andere Kulturen und deren Erzählkunst vorstellen. Danach möchte ich einen kurzen historischen Rückblick zum Erzählen in Europa geben. Vielleicht ist dies auch ein Anstoß, um das Erzählen in unserer hochtechnisierten und rationalen Gesellschaft nicht ganz in Vergessenheit geraten zu lassen. Ich glaube, man kann von den sogenannten primitiven Völkern lernen und auch einiges in unsere Gesellschaft übernehmen, um den Alltag wieder etwas „wärmer“ und freundlicher zu gestalten und um das zwischenmenschliche Miteinander zu fördern.

Vor allem sollte man darüber nachdenken, wie unwichtig uns die Alten mit ihren Geschichten geworden sind. In anderen Kulturen sind Geschichtenerzähler meist aus der alten Generation. Die Jungen und die Alten verbringen ihre Zeit mit gemeinsamen Erzählungen und sie gehören einer gemeinsamen Gesellschaft an.

1     Die Bedeutung des Erzählens bei den Eskimos und den Alaska-Indianern

Bei den Eskimos und den indianischen Inlandsbewohnern Alaskas spielte das Erzählen eine wichtige Rolle bei vielen Anlässen.

Sie überlieferten sich Religion und Geschichte in Form von Erzählungen, die sie für wahr gehalten haben. Bei den Eskimos war es wichtig, Geschichten ernst zu nehmen, denn es wurden lebensnotwendige Erfahrungen über die Jagd, Hauswirtschaft und den Umgang mit anderen Menschen weitergegeben.

Regeln und juristische Zusammenhänge sind nirgendwo schriftlich festgelegt. Sie sind Thema der Erzählungen. Es kam darauf an, gut zuhören zu können, Geschichten ernst zu nehmen und selbst erzählen zu können.

Bei den Eskimos waren die Alten gut angesehen, sie galten als die Wissenden und die Jungen hörten ihren Geschichten zu.

Die Leute kamen ins Karigi (Gemeinschaftshaus) um Geschichten zu erzählen. Eskimogeschichten sprechen die visuelle Vorstellungskraft an, Wünsche der Hörer und Erzähler drücken sich in den Geschichten aus.

Die sogenannten Epen waren sehr lang und wurden über viele Abende erzählt. Meist fing der Erzähler früh, bei Anbruch der kalten Jahreszeit, an und sprach jeden Abend einige Stunden lang, so dauerten die Geschichten bis in den Frühling.

Ein weiterer Sinn des Erzählens war es einschläfernd zu wirken: „Einlullendes Erzählen“! Hier spricht der Erzähler im monotonen Redestil. Am Ende solcher Geschichten steht meist der Satz: „Nun ist der Winter wieder ein Stück kürzer“. Die Hauptaufgabe dieser Geschichten ist es, die Zuhörer zum Schlafen zu bringen. Das größte Lob für den Erzähler ist es, dass die Zuhörer seine Geschichten niemals zu Ende hören.

In der Winterzeit wird in einem Haus erzählt, in dem 10 – 15 Personen gemeinsam die kalte und schlechte Zeit verbringen. Man musste oft mit wenig Nahrung auskommen und war gezwungen im Haus zu bleiben, um möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Dann überwand man diese Zeit nur dadurch, dass man Geschichten erzählte.

Ein ganz anderer Erzählanlass ist das Sänger-Fest. Es findet dann statt, wenn es genug zu Essen gibt. Man schickt Boten los, um Menschen von weither einzuladen. Sie kommen dann für mehrere Tage zum gegenseitigen Erzählen und Singen. Bei den erzählenden Gesängen wird auch geschauspielert.

Wieder ein anderer Anlass ist der Sängerstreit. Verfeindete Männer entscheiden einen Streit durch ein „Duell mit Worten“, anstatt mit Fäusten oder Harpunen. „Das Duell mit Worten“ ist eine juristische Handlung in der Öffentlichkeit, bei der ein Streit ein für alle Mal entschieden wird.

Die Erziehung der Eskimokinder findet auch durch Erzählen statt. Tabus und Regeln werden erklärt und praktische Erfordernisse des Lebens vermittelt.

Geschichten waren entweder „Schlafmittel“ oder „juristische Plädoyers“.

Außerdem wurden bei den Eskimos auch Geschichten erzählt, um eine unfreundliche, karge Umgebung durch eigene Phantasie zu verändern und lebendig werden zu lassen.

Auch heute noch werden bei den Eskimos viele Geschichten erzählt, aber nur noch von den alten Leuten. [Nagel, M.: Und darum sind wir nicht unwissend. in: [30]]

2     Erzählen in afrikanischen Kulturen

In den schriftlosen afrikanischen Kulturen steht das mündliche Erzählen als wichtige Kunstform in hohem Ansehen.

„Wenn wir etwas hören, kommt es in unsere Herzen!“ –

„Unsere Herzen sind unsere Bücher!“

 

Zur Funktion der Geschichten:

Die afrikanischen Kinder werden durch die Geschichten belehrt und erzogen. Rechtsstreitigkeiten werden über das Erzählen ausgehandelt. Die Alten erklären den Jungen die Entstehung der sie umgebenden Kultur. Durch Geschichten begründet man die Gesellschaftsordnung des Stammens. Die Afrikaner vermitteln über die Erzählungen ihre eigene Geschichte.

Bei den Afrikanern hat das Geschichten erzählen vor allem auch einen Unterhaltungswert. Meist wird in der langen Trockenzeit viel zusammen gesessen und erzählt.

Bei den Limba erzählt man meist nach Sonnenuntergang. In der fruchtbaren Periode wird weniger erzählt, da man da meist auf dem Feld ist, um zu arbeiten.

Die beste Zeit zum Erzählen ist in Afrika bei Vollmond. Unter dem Licht des Mondes und der Sterne, beim Licht einer Öllampe oder am Feuer wird gerne erzählt. Geläufig ist auch der Zeitpunkt nach dem Abendessen, wo alle satt sind und die Dunkelheit anbricht.

Es gibt Geschichten, die über tausende Kilometer weit verbreitet sind und sie werden fast identisch erzählt. Dann gibt es aber auch Geschichten, die man nur in ganz bestimmten Volksstämmen antrifft.

In Afrika nehmen alle Generationen an den Erzählabenden teil. Die Jungen singen meist dabei vor sich hin, oder trommeln, oder machen Tanzbewegungen. Bei afrikanischen Völkern sind vor allem Rätsel weit verbreitet. So geben die Alten den Kindern oft Rätsel auf. Zuerst erzählt man einfache und kurze Geschichten. Danach geht man dazu über, lange, kunstvolle Geschichten zu erzählen, in denen Lieder und Chorgesang vom Erzähler angeführt und von den Zuhörern nachgesungen werden. Hatte jemand ein Erlebnis und ist darüber sehr aufgeregt oder aber vergnügt, dann fängt er einfach an, diese Geschichte zu erzählen, beginnend mit einer gebräuchlichen Eröffnung. Allmählich hören dann die Leute zu und es kommen immer mehr dazu, die dann auch den Erzählern mit Gesang oder Rede antworten. Ist die Geschichte abgeschlossen, beginnt einfach ein Anderer eine weitere Geschichte. Meist erzählt ein guter Erzähler direkt mehrere Geschichten hintereinander.

Die Kinder werden von den Eltern ermutigt, zu erzählen. Das Erzählen, verbunden mit Singen und Tanzen gehört zum täglichen Leben der Afrikaner und wird auch bei der Feldarbeit praktiziert. Sieht man zum Beispiel einen Besucher schon von weitem kommen, so begrüßt man ihn oft mit einem Tanz.

Das Erzählen gehört zu einer selbstverständlichen Art des sozialen Lebens. Die Art des Erzählens wird von den Alten überliefert und ist oft wichtiger, als der Inhalt der Geschichten. Wichtig ist nicht, dass der Inhalt vollständig richtig wiedergegeben wird, sondern es kommt den Zuhörern auf die Darstellung einzelner Szenen und ihre lebendige Darstellung an. Das Ende der Geschichte bestimmt der Erzähler. Entweder kommt am Ende eine Moral, dann hat die Geschichte einen erzieherischen, belehrenden Charakter, oder man lässt das Ende mit einer Frage offen stehen, dann wird sie zur Diskussion anregen. Manchmal lässt man sie auch zu einer Entstehungsgeschichte werden. Oft geht es um den Witz der Handlung und den guten Erzähler, der das Publikum durch Gestik, Mimik sowie Aktion mit verstellten Stimmen zum Lachen bringt. Die Zuhörer tragen durch Kommentare und Zwischenrufe zu der Geschichte bei. Sie werden mit in die Geschichte einbezogen, singen und antworten, wenn sie gefragt werden.

Auch am Tage werden Geschichten erzählt, dann allerdings nicht zur Unterhaltung, sondern um Sachverhalte oder Meinungen deutlich zu machen, wie zum Beispiel bei einem Rechtsfall, der vom Häuptling abgehalten wird. Auch Angeklagte werden durch Geschichten verteidigt. Um einen offenen Streit zu vermeiden, sagt man sich, auf indirekte Art und Weise, die Meinung: „Ich habe da mal von einem Mann gehört, der hat dieses oder jenes getan ...... , aber zur Strafe ........“ Statt dem Übeltäter den Fehler direkt vorzuhalten, sollte ein guter Redner erst lange in Gleichnissen „drumherum gehen“, wie die Limba sagen, um „den Weg zum Herzen des Mannes zu finden“. Die westafrikanischen Völker sind sehr diskussions- und redefreudig. Man bespricht alles im Detail und argumentiert hin und her. Alle verfolgen mit Interesse die dörflichen, öffentlichen Gerichtsverhandlungen. Jeder kann seine Meinung dazu sagen.

Mit dieser Diskussionslust hat noch eine besondere Art des Erzählens zu tun. Es sind Geschichten, in deren Verlauf sich eine Frage zuspitzt. Am Ende wird sie gestellt und die Zuhörer können sie lösen. Dadurch werden stundenlange Diskussionen ausgelöst. Diese sogenannten Gewissens-Rätsel gibt man auf, um das juristische Denken zu schärfen und um es zu ermöglichen, dass verschiedene Meinungen aufeinander treffen. Die Einsicht, dass es im Leben selten nur eine einfache Lösung gibt, wird so bei den Menschen wachgehalten.

Eine modere Art des Geschichtenerzählens sind die Märchenstunden des nigerianischen Rundfunks. Er richtet sich vor allem an die Kinder.

Kinder erzählen auch untereinander Geschichten, zum Beispiel während der Regenzeit, wenn sie im Haus bleiben müssen. Das Erzählen ist sogar zum Unterrichtsfach in der Schule geworden. Die Kinder erzählen im Schatten eines Baumes, wenn es sehr heiß ist. Geschichten mit didaktischer Richtung, also Belehrungen darüber, was richtig und falsch ist, richten sich nicht nur an die Kinder. Es wird keine strikte Trennung zwischen den verschiedenen Lebensaltern gemacht. Auch bei den langen Erzählnächten sitzen die Kinder bei Vollmond als Zuhörer zwischen den Alten. Ein Unterschied im Inhalt der Geschichten wird bei den Limba für Jung und Alt nicht gemacht. Man findet nur einen Unterschied über den Inhalt in den verschiedenen Gesellschaftsschichten, nicht aber in den Altersstufen. In elitären Kreisen der Nigerianer wären erotische Geschichten unerhört. Bei dem einfachen Volk ist dies ganz natürlich, die Erotik ist kein Tabuthema. In den Erzählungen nimmt man „kein Blatt vor den Mund“. Während man in Europa die Kinder wegen Jugendgefährdung aus dem Zuhörerkreis nehmen würde, sitzen sie dort wie selbstverständlich dabei.

Die Bini, ein Volk in Benin in Nigeria, haben zwei charakteristische Arten von Geschichten. Die „Ibota“ und die „Okhpobhie“. Die „Ibota“ bedeutet Verlängerung des Abends. Anlass für die Geschichte ist ein festliches Ereignis in der Familie. Sie wird nach dem Abendessen erzählt. Anlass kann auch sein, dass jemand wieder gesund geworden ist, das man einen guten Handel am Tage gemacht hat, oder aber es ist Besuch gekommen. Hier erzählen vor allem die Frauen, die sehr viele Geschichten kennen, und sie sehr gut erzählen. „Ibota“ besteht nicht nur aus Geschichten, sondern auch aus Rätseln. Man unterhält sich auch über alltägliche Begebenheiten und Neuigkeiten. Die Übergänge werden mit Liedern gefüllt. Die Zuhörer singen mit.

Das Gegenstück zu „Ibota“ ist „Okhpobhie“. Es heißt übersetzt: „Trommeln, während andere schlafen“. Man trifft sich im gleichen großen, öffentlichen Raum, dem „Ikun“. Teilnehmer sind ebenfalls die Familie und Gäste. Hierzu lädt man einen professionellen Erzähler ein, der Helfer und einige Musikinstrumente mitbringt. Der „Okhpobhie“ dauert die ganze Nacht, bis in den nächsten Tag hinein. Anlass ist ein bedeutendes Ereignis, wie zum Beispiel eine Hochzeit, ein Gedenktag für die Vorfahren oder eine Geburt. Nach einer ausführlichen formalen Eröffnung beginnt der Erzähler mit einer Geschichte, die ca. 12 bis 18 Stunden dauert. Erzählt werden Epen aus lang zurückliegender Zeit von Stammenshäuptlingen, ihren Kämpfen, Liebschaften und magischen Helfern. Der Erzähler begleitet die Geschichte mit seiner Laute. Die professionellen Erzähler haben vor Beginn der Kunst einen etwa zweijährigen Erzählunterricht bei jemandem aus der Familie durchlaufen, meist bei den Ältesten. Sie bauen die Instrumente selbst, lernen darauf zu spielen und prägen sich traditionelle Geschichten ein. Die Zuhörer sind während der Vorstellung gut gelaunt und tanzen. Erzähler führen ihre Kunst auch deshalb aus, um sich von eigenen, quälenden Gedanken zu befreien und um schlechte Gedanken zu töten. Die Anwesenheit eines professionellen Erzählers gibt einer Feier eine zusätzliche Wichtigkeit.

In der afrikanischen Kultur gehört es zur Höflichkeit, jemanden nicht in eine leere Schweigsamkeit hineinreden zu lassen. Das Publikum beteiligt sich durch Zwischenrufe, Tanz und eigenes Erzählen. Das Erzählen ist eine hochentwickelte Kunstform bei den sogenannten „primitiven“ Völkern und gehört als fester Bestandteil zur gesamten Lebensweise und ist auch heute noch anzutreffen! [Nagel, M.: Sieh, damit wir sehen. in [30]]

 

3     Erzählen in Asien

3.1     Taiwan

An der Nordküste Taiwans liegt ein kleines Städtchen namens Luodong. Im „Club zum langen Leben“ treffen sich allabendlich ein paar alte Männer. In diesem Club sind die Ehrenplätze den Alten vorbehalten. Sie trinken Tee, diskutieren Erinnerungen und pflegen die traditionelle Erzählkunst.

Die Geschichten, die erzählt werden, brachten chinesische Siedler im 17. und 18. Jahrhundert mit nach Taiwan. In den Großstädten und auf dem Festland war das Erzählen Teil der Unterhaltung in Vergnügungsvierteln und wurde von professionellen Erzählern ausgeübt.

In Taiwan entwickelte sich eine eher private Form. Im 19. Jahrhundert entstand die Taiwanoper. Hier sind Elemente dieser alten Erzählform wieder zu finden. In Taiwan treten Erzähler außerdem in Teehäusern, am Eingang einer Gasse oder in einem Park auf. Die Geschichten sind klassische Legenden, Episoden aus der Umgebung, Ungewöhnliches oder von religiösem Inhalt. Im Gegensatz zu der Oper ist weder der Text noch der rituelle Ablauf vorgeschrieben.

In Luodong hat sich eine Erzähltruppe als Verein eintragen lassen und den Nudelsuppenverkäufer vom Park zum Vorsitzenden gewählt, da er allen Leuten des Ortes bekannt ist. Die Erzähler proben lange, verwenden Kostüme und Make-up und bemühen sich viele Musiker auf die Bühne zu bekommen. Geschichten, Mythen und Legenden wurden seit der Han-Zeit gesammelt und aufgeschrieben (Han-Zeit = Beginn unserer Zeitrechnung). Damals schickte der Kaiser besonders dafür beauftragte Beamte zum einfachen Volk, um deren Erzählungen zu sammeln. So informierte sich der Hof über Sitten, Gebräuche und Gedanken der Menschen. Diese Geschichten galten dem Kaiser nur zur Informationsvermittlung. Die gebildeten Beamten gaben den Geschichten keinen hohen Stellenwert und nannten sie „kleines Gespräch“. Diese gesammelten Geschichten werden noch heute erzählt. [Proksch, B.: Das kleine Volkstheater. in: [30]]

3.2     China

Es gibt umfangreiches Textmaterial aus der frühen Tradition chinesischer Erzählkunst. Dies ist der Entdeckung von Schriftrollen im Jahre 1900 in Dunhang zu verdanken. Dunhang liegt im Westen der heutigen Provinz Gansu und war lange Umschlagplatz auf dem Handelsweg zwischen China und dem Westen. Die Schriftrollen stammen aus dem 6. und 8. Jahrhundert und blieben über die darauffolgenden Jahre verschollen.

Der Zweck der Erzählungen war die Mission und Bekehrung der Menschen zu Buddha. Sie hatten einen moralischen Unterton mit einer religiös- erzieherischen Absicht. Sehr typisch war die Vermischung der reinen buddhistischen Lehre und dem chinesischen Volksglauben. Beliebt war die Erzählkunst der Mönche. Sie wurde bald auch von weltlichen Erzählern aufgegriffen.

Bald handelten die Erzählungen der weltlichen Künstler von Nichtreligiösem. Inhalt waren Legenden aus früheren Dynastien, die man versuchte, anschaulich darzustellen. Man findet einen Wechsel von Prosa, Gedichten und Liedern, der sich bis heute erhalten hat.

Spätere Geschichtenerzähler schöpften aus den umfangreichen Erzählungen aus der Song-Dynastie Material. In dieser Dynastie gab es Wohlstand und Überfluss und die Geschichtenerzählung blühte.

In allen Teilen Chinas haben sich über viele Jahrhunderte die gleichen Inhalte der Geschichten erhalten. Zur Zeit der Mongolenherrschaft im 14. Jahrhundert verschwanden Vorführungen und Textbücher über Geschichten gingen verloren. Der Kaiser begab sich aber von Zeit zu Zeit nach Shang-Dong, um dort Geschichten zu hören. Erzähler fuhren auf dem See, um von dort aus die Zuschauer mit einfacher Volkserzählung und Singen zu unterhalten.

Später fanden dann wieder unzählige Aufführungen im Freien und in Aufführungshäusern für ein gemischtes Publikum statt. Allen erzählten Geschichten lag die gleiche Moral zugrunde: Schlechtes wurde bestraft, und Gutes im Sinne der konfuzianischen Ethik belohnt. Die Geschichten beinhalteten Handlungsweisen der eher einfachen Menschen. Jede Provinz Chinas hat seinen eigenen Erzählstil entwickelt.

In China maß man den Geschichten einen großen Einfluss auf die Menschen zu. Die eine Geschichte sollte man nicht hören, wenn man jung ist, weil man dann kämpferisch wird. Die andere nicht, wenn man alt ist, weil man davon listig wird. Dies galt nach herrschender Moralvorstellung als negativ. Kinder wurden häufig zu Geschichtenerzählern geschickt, wenn sie ungezogen waren. Eindeutig war in den Geschichten immer die Trennung von Gut und Böse. Die Eltern erhofften sich dadurch eine erzieherische Wirkung.

Allerdings verachtete man von Seiten der Gebildeten die Geschichten. Diese Art von literarischer Kunst wurde immer negativ bewertet, aber gleichzeitig entschuldigte man die Popularität als notwendige Erziehung des Volkes.

Während der Kulturrevolution waren die Geschichtenerzähler fast ganz von den Straßen verschwunden. Aber seit einigen Jahren sind sie in China wieder sehr verbreitet. Die alten Geschichten wurden wieder lebendig und es sind neue hinzugekommen. [30]

3.3     Japan

In Tokio gibt es acht Varietés, in denen professionelle Erzähler auftreten. Es ist eine Kombination aus moderner und traditioneller Erzählkunst. Professionelle Erzähler lernen in ihrer Jugend viele Jahre bei einem Meister das Erzählen. Sie üben durch Nachahmung und Wiederholen die Geschichten ein. Während der Veranstaltungen gibt es einen traditionell festgelegten Rahmen. Die Erzähler übernehmen verschiedene Rollen in einer Geschichte. Der Erzähler spricht durch ein Mikrofon, während ungefähr 300 Zuschauer auf Kissen, der Vorstellung beiwohnen und grünen Tee trinken. Die Erzähltheater sind tagtäglich, das ganze Jahr über, bis auf drei Tage vor Neujahr geöffnet. Die Vorstellungen finden vom Mittag bis zum Abend und nach einer kurzen Pause dann wieder bis zum späten Abend statt und sind alle immer sehr gut besucht. Neben den Geschichtenerzählern treten auch Jongleure und Sänger auf. Der japanische Erzähler trägt ein bestimmtes Kostüm, ein Kimono mit Schärpe, die Farbe hängt von der Jahreszeit ab. Die Erzähler benutzen bestimmte Requisiten: Ein quadratisches Tuch und einen zusammengelegten Fächer. Mit dem Fächer würden sich die Erzähler niemals Luft zufächeln oder mit dem Tuch die Stirn abwischen. Denn die professionelle Etikette verurteilt jedes Zeichen von Lampenfieber und persönlicher Schwäche. Dies wird als Zeichen mangelnder Disziplin gedeutet. Der Fächer und das Tuch werden zur Darstellung von bestimmten Gegenständen in der Geschichte eingesetzt. Die Beherrschung der Technik und die Selbstdisziplin erfordern eine lange Lehrzeit. Die Erzählungen dauern bis zu zwanzig Minuten. Der Erzähler tritt ohne Schuhe auf und läßt sich auf einem Kissen nieder. Die schauspielerischen Möglichkeiten sind auf Gestik und Mimik des Gesichts und der Hände begrenzt. Dem Schluß einer Geschichte wird eine besondere Bedeutung beigemessen. Kenner ordnen eine Geschichte nach Art des Schlusses ein. Es gibt zwölf verschiedene Arten des Schlusses. Die Zuschauer müssen sofort das Ende erkennen und klatschen. Das Ausbleiben dieser Reaktion bedeutet einen katastrophalen Fehlschlag für den Erzähler. Viele Zuschauer kommen, um sich am „Schluß“ ihres Lieblingserzählers zu erfreuen.

Die tagtäglich sehr gut besuchten Erzählvorstellungen zeigen, wie stark das Bedürfnis nach dem Hören von Geschichten ist. Das Erzählen wird in Japan hoch geachtet. [30]

3.4     Indien

Der klassische indische Tanz ist eine Art des Erzählens in Indien. Er ist vielfältig und schön anzusehen und nicht nur in Indien beliebt.

Er hat seinen Ursprung im 4. vorchristlichen Jahrhundert. Er wurde ursprünglich für Menschen verfasst, die nicht lesen konnten. Sie sollten durch Hören und Sehen Zugang zu religiösen Überlieferungen bekommen. Die Grundstruktur ist bis heute wenig verändert worden. Es entwickelten sich nur ort- und zeitbedingt verschiedene Tanzstile. Der Tanz wurde damals auch als eine Art des Gebets angesehen und vorwiegend in Tempeln aufgeführt. Früher tanzte man für Gott, später dann für das Publikum. Am Hof und im Tempel genossen die Tänzer hohe Anerkennung. Sie wurden großzügig von den Königen unterstützt.

Nach einem Rückschlag im letzten Jahrhundert, als der Tanz im Ansehen stark sank, gewinnt er heute wieder mehr an Bedeutung. Er hat weltweit Beliebtheit errungen. Junge Leute aus vielen Ländern erlernen die Kunst, die ihr altes Niveau fast wieder erreicht hat.

Der klassische, indische Tanz besteht aus reinem Tanzen und aus dem Tanzdrama, bei dem durch gesprochene Worte erzählt wird. Der moderne, klassische Tanz ist eine Art des Erzählens. Kostüme, Make-up und stilistische Handgesten tragen zum Erzählen bei. Der Tanz erzählt über Götter, Heldentaten und Geschichten aus der indischen Mythologie. Themen sind vor allem Liebe, Sehnsucht der menschlichen Seele nach Übermenschlichem, Loblieder für Könige und am häufigsten die mythologische Darstellung Krishnas.

Mit dem Gesicht zeigt die Tänzerin die Gemütszustände. Die Tänzerin übernimmt abwechselnd die Rollen der einzelnen Personen, die in der Geschichte vorkommen. Mimik, Darstellung und Interpretation ist der Phantasie der Tänzerin überlassen. Sie muss allerdings, die für die Gestik vorgeschriebenen und erlernten Handgesten benutzen; insgesamt sind es vierundsechzig. Da Rhythmus, Melodie und Ausdruck harmonisch kombiniert sind, ist es eine der schönsten Erzählarten. [Ramesh, R.: Krishna zeig´ Dein Gesicht! in [30]]


4     Erzählen in Europa: deutschsprachige Gegenden vor ca. 100 Jahren

4.1     Erzählkreise in dörflichen Gemeinschaften

Im Winter wurde in ganz Europa, wenn die landwirtschaftliche Arbeit pausierte, zu den verschiedensten Anlässen in den dörflichen Gemeinschaften erzählt. Noch um 1930 gab es im Münsterland Erzählkreise, bei denen Nachbarn an den langen Winterabenden zusammenkamen. In Ungarn hielten sich die Erzählkreise bis in die 50er Jahre. Beliebter Versammlungsort war das Haus eines guten Erzählers. In den meisten Dörfern waren die erzählenden Dorfgemeinschaften vor allem zwischen 1880 und 1910 sehr aktiv. Zuhörer kamen sogar aus den Nachbardörfern. In der großen Stube erzählten sie den ganzen Winter hindurch. Die Frauen saßen zum Spinnen zusammen, es wurde gestrickt und genäht und die Männer erzählten Geschichten. Bei den Arbeiten halfen sich die Nachbarn untereinander: Federnschleißen, Flachshecheln, Mais ausschälen und abkernen und Rübenschneiden. Bei den Zusammenkünften erzählte man Geschichten oder unterhielt sich über Vorfälle und Ereignisse im Dorf oder über die Arbeit. Erzählt wurde meist von allen Anwesenden rundherum. Witze, Spukmärchen, Schwänke, Sagen und auch Märchen wurden erzählt. Gefragt waren kurze und abwechslungsreiche Beiträge. Nur bei langwierigen, ermüdenden dörflichen Gemeinschaftsarbeiten bestand Interesse an langen Erzählungen. Oft lud man einen ganz besonders guten Erzähler ein, um damit freiwillige Helfer anzulocken und diese bei Laune zu halten.

4.2     Die Bedeutung des Erzählens für Saisonarbeiter

Besondere Bedeutung hatte das Erzählen für Saisonarbeiter, meist Häusler, die zuwenig Land hatten, um davon leben zu können. Im Sommer gingen viele Bauern aus deutsch-ungarischen Dörfern auf Erntearbeit zu herrschaftlichen Großgrundbesitzern in der Umgebung. Die Felder waren viele Kilometer weit entfernt und die Bauern blieben oft wochenlang aus. Sie bauten sich für die Nacht große Zelte auf, während sie den ganzen Tag über arbeiteten. Abends wurde am offenen Feuer in einem Kessel das Essen gekocht. Beim Kochen und Essen sangen und erzählten sie jeden Abend sehr lange.

Dadurch, dass sie den ganzen Tag über hart arbeiteten und lange von ihren Familien getrennt waren, blieb ihnen das Erzählen als einzige Abwechslung, um in ihrem tristen Alltag zu bestehen.

4.3     Die Bedeutung des Erzählens für die Schwabengänger

Die Schwabengängerei war eine Sommerauswanderung der armen Kinder aus den Talschaften des Vorder- und des Hinterrheins. Die Kinder verließen zu Hunderten, geführt von sprach- und wegekundigen Frauen und Männern, um Sankt Joseph (19. März) ihre Dörfer und zogen in die Bodenseegegend. Sie arbeiteten dort auf Bauernhöfen bis gegen Martini (11. November). Bis Ende des 19. Jahrhunderts war die Schwabengängerei weit verbreitet. Für die Kinder hatte das Erzählen auf dem langen Weg eine große Bedeutung. Es half ihnen die lange Reise, Strapazen und das Heimweh zu erleichtern.

4.4     Die Bedeutung des Erzählens für die Holzfäller

In waldreichen Gegenden arbeiteten die Männer im Winter als Holzfäller. Bei den „Szekler“-Holzfällern war besonders das Märchenerzählen weitverbreitet und beliebt. Die Lohnarbeiter der „Szekler“-Holzfällerunternehmen arbeiteten seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts den ganzen Winter über im Wald. Die Männer übernachteten nach dem Essen zu 50 bis 60 Personen in Hütten. Das Märchenerzählen hatte für diese Männer eine existenzielle Bedeutung. Für sie war das Märchen unentbehrlich und bedeutete für sie geistige Nahrung. Sie kamen nur selten nach Hause und ohne das Märchenerzählen konnten sie ihre Situation nicht aushalten. Die Erzähler wurden sehr geehrt und mit Zigaretten und anderen Kleinigkeiten dazu ermuntert in den Abendstunden vor dem Einschlafen zu erzählen.

4.5     Die Bedeutung des Erzählens für die Arbeiter in Ungarn

Die Bauern in Ungarn arbeiteten zur Zeit des verstärkten Städte- und Fabrikbaus im Baugewerbe. Ganze Dörfer gingen, um als Erdarbeiter, Straßenbauer und Mauergehilfen zu arbeiten. Sie arbeiteten fast ihr Leben lang und schliefen in Baracken, die neben der Arbeitsstelle lagen und erzählten sich zum Einschlafen Geschichten. Die Arbeiter brauchten die Märchen, um sich von den täglichen Anstrengungen zu erholen. Erzählt wurden meist lange Zaubermärchen von anerkannten Erzählern. Häufig wurde auch tagsüber während der Arbeit erzählt.

Auch Seeleute, Fischer und Soldaten in den Kasernen erzählten sich Geschichten zur Unterhaltung und um sich vom meist harten Alltag abzulenken.

4.6     Erzählen in Gefängnissen

Auch in Gefängnissen wurde trotz Verbot erzählt. Im Arbeitssaal mit bis zu 80 – 90 Leuten durfte kein Wort gesprochen werden. Meist saßen 10 – 20 Leute an einem Tisch, um zu arbeiten. Die Gefangenen erzählten heimlich mit ganz leiser Stimme, denn das Erzählen ist ein Grundbedürfnis des Menschen.

4.7     Das Erzählen unter den Zigeunern

Zigeuner erzählten zu vielen Gelegenheiten Märchen. Abends zum besseren Einschlafen, bei der Arbeit, um diese zu erleichtern, bei Festen zur Unterhaltung und auf Wanderungen. Auf ihren Wagen saßen 9 – 10 Zigeuner, von denen einer eine Geschichte erzählte. Die Märchen wurden vor allem deshalb erzählt, um die langen Reisen der Zigeuner zu überbrücken.

4.8     Die Bedeutung des Erzählens für die Bergleute

Die Bergleute aus „Kisatyán“ mussten 12 Kilometer zu Fuß gehen, um ihre Arbeitsstelle zu erreichen. Sie brachen mitten in der Nacht mit einer Lampe auf, damit sie um sechs Uhr mit der Arbeit beginnen konnten. Auch sie erzählten regelmäßig auf ihrer nächtlichen Wanderung. Hier war das Erzählen auf dem langen Weg zur Unterhaltung und Ablenkung notwendig. Dies lenkte sie vom anstrengenden Marsch ab und sorgte dafür, dass die „Zeit schneller verging“.

4.9     Das Erzählen unter den Bauern

Wohlhabende Bauern erzählten sich beim Trinken Anekdoten, aber über die langen Zaubermärchen lachten sie nur. Der Bauer wollte etwas „Wahres“ hören, eine historische Erzählung oder das, was in der Zeitung steht. Lügengeschichten waren hier unbeliebt. Das Märchenerzählen war weniger im Dorf bei den Bauern Tradition, sondern besonders bei den Landproletariern, Tagelöhnern, Knechten, Fischern, Seeleuten und Soldaten war es während der Arbeit oder danach zum Ausruhen sehr wichtig. Im Märchen wurden die Lebensverhältnisse der armen, ländlichen Bevölkerung qualitativ kaum unterschiedlich von den feudalen Zuständen geschildert. Märchen wurden vor allem auch deshalb erzählt, weil dort für die Menschen ein besseres Leben vorstellbar war.

4.10   Die Erzähler in Europa

Erzähler kamen damals viel herum. Sie gehörten zu kleinen ländlichen Handwerkern und zogen durch das Land, um Arbeit als Schuster, Schneider, Holzhauer, Wegmacher und Zimmerer zu suchen. So zogen sie von Hof zu Hof und erzählten. Das Repertoire dieser Erzähler war sehr umfangreich. Sie konnten 100 – 200 Märchen erzählen. Sie wurden irgendwo gehört, nach und nach gelernt und behalten. Die Erzähler gestalteten die Märchen aktiv. Sie vermochten die gegenwärtige Situation, die Erwartungen der Zuhörer und die eigenen Erfahrungen in die Märchen mit einzubeziehen. Sie wurden immer wieder neu und fernab von Texttreue vorgetragen.

Andere Erzähler sind Soldaten gewesen und haben in den Kasernen Märchen und Geschichten kennen gelernt, behalten und dann weiter erzählt.

Dann gab es noch die „Umgeher“. Das waren wandernde Erzähler, die sich das Essen und die Unterkunft mit Erzählen verdienten. Es waren Pinklkrämer, Bündelkrämer, Bettler, Landstreicher und Zigeuner. [Schmidt, J.: De kann usen Härgott un’n Dübel annenleisen in [30]]

4.11   Märchenerzähler in Russland

Es wird von Zigeunerfamilien aus Russland berichtet, die aus dem Kölderaschas kamen. Sie erzählten zum Beispiel während der Arbeit Märchen, in dem jeder Familienangehörige eine Erzählrolle übernahm. Es ging dramatisch dabei zu. Es kamen immer mehr Personen hinzu, die auch Rollen spielten. Den Zuhörern, die den ganzen Tag arbeiteten, kam die ausdrucksstarke Mimik, Gestik und die Anschaulichkeit durch Körpersprache entgegen. So mussten sie nicht so sehr aufpassen, wenn sie müde waren. Oft waren sie es auch nicht gewöhnt, sich selbst verbal zu äußern.

4.12   Erzählen in Großbritannien

1920 regte die Leiterin einer Londoner Schule die Wiederbelebung der keltischen Bardentradition an. An fast jeder Bibliothek in Großbritannien gibt es Auftritte von Erzählern. Fast jede Kinderbücherei in England hat regelmäßige Erzählstunden. Es finden Erzählwochen und unzählige Erzählaktionen statt.

Das Erzählen für Kinder in Großbritannien entstand an einem ganz bestimmten Wochentag: dem puritanischen Sonntag. Er galt als ein sehr ruhiger, nach innen gewandter Tag. Bis in dieses Jahrhundert wurde Kindern an diesem Tag das Spielen verboten, sie wurden mit Geschichten ruhig gehalten. Die Erzählungen waren meist Mythen und Sagen.

Früher waren Erzähler nur Bibliothekare, heute erzählen auch andere Menschen, wie Lehrer, Sozialarbeiter und Schauspieler unter anderem in Ferienerzählprogrammen. Heute werden Geschichten auch auf Sportplätzen, in Parks, Freibädern und auf Spielplätzen sowie in isolierten Wohnblocks erzählt. Nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene „hungern“ nach den Geschichten. [30]


5     Der Transfer in unsere heutige Gesellschaft

Ich glaube, dass wir in den „weiterentwickelten“ Industrieländern, die weitgehend rationalisiert sind, von den sogenannten „primitiven“ Völkern etwas lernen und übernehmen können.

Auch bei uns könnte das Erzählen wieder mehr ins Leben gerufen werden, um dem zwischenmenschlichen Miteinander im Alltag wieder mehr Bedeutung zukommen zu  lassen.
Auch sollte dem Erzählen, als Medium zum Lehren, wieder mehr Beachtung geschenkt werden. Wert und Normvorstellungen, Informationsvermittlung sowie kulturelle und gesellschaftliche Aspekte können von Alt zu Jung übergeben werden.
Die Erzähl- und Sprachkultur der Kinder könnte wieder mehr gefördert werden und somit helfen, Erzählhemmungen zu überwinden, um einen eigenen Sprachstil zu erwerben. Dies ist für Kinder, die in unserem Kulturkreis überwiegend mit technischen Medien konfrontiert werden, wichtig, um ihre Defizite in diesem Bereich auszugleichen. In Afrika ist das Erzählen zum Schulfach geworden und könnte auch bei uns wieder mehr in den Unterricht mit einbezogen werden, vor allem auch in den weiterführenden Klassen, da es dort besonders vom Ausdruck in Schriftform verdrängt worden ist. In der Schule ist die Vermittlung der Lehrinhalte für Kinder über Geschichten weit aus bildhafter und verständlicher als das didaktische Fachbuch. Lehrinhalte, verpackt in einer Geschichte, prägen sich besser ein. Geschichten fördern auch die visuelle Vorstellungskraft der Kinder.
Auch das „einlullende“ Erzählen der Eskimos kann man in unsere Gesellschaft übertragen. Es wäre möglich, dass sich mehrere Menschen am Abend zusammenfinden, um zur Unterhaltung, zur Gemütlichkeit und zum besseren Einschlafen, vor allem auch für die Kinder, erzählen. So verhindert man Isolation von einzelnen Kleinfamilien und nimmt sich Zeit für die Bedürfnisse der Kinder. Erzählen schafft für Kinder nicht nur Geborgenheit, sondern über Geschichten werden auch Menschenkenntnis, Sensibilität für Problemlagen oder Lebenssituationen geweckt und das Erzählen sowie das Zuhören kann gelernt werden.
Das Erzählen als Kunstform, so wie es in anderen Kulturen allgegenwärtig ist, kann auch unsere Gesellschaft kulturell bereichern.
Beispielhaft ist auch die Konstellation der Altersstufen während der Erzählaktionen in den dargestellten Völkern. Alt und Jung sitzen nah beieinander und die Alten sind als Geschichtenerzähler bei der jungen Generation sehr angesehen. In unserer Gesellschaft wird bei der Freizeitgestaltung stark zwischen den Lebensaltern unterschieden. Hier kann man auch von den Völkern lernen, da sich verschiedene Generationen nicht nur bereichern können, sondern auch Ausgrenzung verhindert werden kann.
Streitigkeiten, die in anderen Kulturen durch Diskussionen bereinigt werden, trägt man in weiterentwickelten Industrieländern häufig vor Gericht aus, obwohl viele Konflikte schon durch Gespräche geklärt werden könnten.
Auch kann man im historischen Rückblick erfahren, dass das Erzählen häufig über Krisensituationen, Alltagsstress, lange Reisen, Heimweh, Isolation und andere Belastungen hinweggeholfen hat. Auch heute noch könnte es uns bei der Überwindung verschiedener Probleme helfen.
Die Eskimos erzählen auch, wie bereits erwähnt, um ihre karge und triste Umgebung mit Phantasie bunt zu gestalten. Menschen, die sich in unserer Gesellschaft vorübergehend oder auch dauerhaft in einer erlebnisarmen oder tristen Umgebung befinden, zum Beispiel im Krankenhaus oder im Altenheim, können sich über Erzählungen durch visuelle Vorstellungskraft in eine andere, wärmere und buntere Phantasiewelt hineindenken.

 


H   Die Relevanz des Erzählens

1     Relevanz des Erzählens für den Menschen

Früher gehörte das Erzählen zum Rüstzeug des Lehrers. Lernziele wurden in Geschichten verpackt und so wurde kindgerecht gelehrt. Heute gibt es mehr fachdidaktische Bücher, die Wissen vermitteln. Aber immer noch gehört das Erzählen zu einer „Grundform des Lehrens“.

Erzählen dient auch in vielen Kulturen dem Transfer von Erfahrungen, besonders von Alt zu Jung. Welche Bedeutung das Erzählen in anderen Kulturen hat und in der Vergangenheit hatte, habe ich bereits im Kapitel G - Die Bedeutung des Erzählens in anderen Kulturen ausführlich dargestellt.

Erzählen überwindet Isolation. Es ist soziales Handeln. Es ist unterhaltsam und es verbindet den Erzähler mit dem Zuhörer.

Die Menschen erzählen um sachliche Informationen mitzuteilen.

Derjenige, der erzählt, steht im Mittelpunkt, alle hören ihm zu und nehmen teil an dem was er sagt.

Oft erzählt man auch etwas, was einen bedrückt und man möchte es „sich von der Seele reden“. Wenn ich etwas erzähle, was mich belastet, dann werde ich es los. Ich bekomme mehr Abstand dazu und kann es besser bewältigen.

Erzählen bedeutet jemandem etwas mitteilen, etwas, was einen selbst betrifft. Man möchte, dass ein anderer es jetzt auch weiß.

Es ist unterhaltsam, gemütlich und macht Spaß.

Erzählen ist fester Bestandteil unseres Alltags. Es ist sprachliches Handeln und hat eine lebenspraktische Bedeutung. Durch das Erzählen wird mitgeteilt und auch verändert. Es entwirft Veränderungen.

Der Erzählende ist aktiv, er tritt aus der Isolierung oder aus der Passivität heraus. Sitze ich in einem Zugabteil, so bin ich passiver Reisender und halte mich anonym. Sobald ich vor den anderen Fahrgästen etwas sage oder erzähle, sind alle Blicke auf mich gerichtet und ich trete aus der Anonymität heraus.

Das Erzählen ist Verständigung und Selbstverständigung.

Es bereichert den Alltag und gestaltet ihn.

Erzählen ist auch eine Kunstform. Professionelle Erzähler erzählen gattungsbewusst und nach Tradition. Erzählen trägt zur Unterhaltung bei und bekämpft Langeweile.

Wenn wir mit meisterhaften Erzählungen in Berührung kommen, so wirkt sich dieses anspruchsvolle Erzählen auf die eigene Erzählfähigkeit oftmals als Unsicherheit aus. Die reiche, literarische Erzählkultur entwertet die eigene Erzählfähigkeit des passiven Lesers.

Das Erzählen bedeutet aber noch mehr als das. Es birgt Verwandlungskräfte und Erinnerungen, die auf den Menschen eine Wirkung haben. Wenn wir erzählen, verändern wir uns und diejenigen, denen wir erzählen. Der Mensch kann über das Erzählen zu innerem Reichtum gelangen und zur Ganzheit finden. Erzählen wir über uns selbst, verwandeln wir uns gewissermaßen in uns selbst. Wir lernen uns besser kennen.

Durch das Erzählen von Geschichten können wir schöpferische Verwandlungskräfte in uns fördern. Wir können einen inneren Dialog mit uns führen und abgespaltene Fähigkeiten in uns wieder entdecken.

Das mündlich gesprochene Wort hat im Vergleich zum geschrieben Wort eine weitaus stärkere Ausstrahlung. Es ist ursprünglich, durchatmet und berührt uns. Sobald es niedergeschrieben ist, wird es zum Zeichen reduziert. Erst wenn wir es wieder aussprechen, kommt seine Lebendigkeit zurück.

Wir Menschen haben uns eine Welt der Massenmedien geschaffen. Angesichts der Fülle an Entfremdungserscheinungen, die immer mehr Besitz von uns ergreifen, dürfen wir das Erzählen, das aus uns selbst heraus kommt, nicht in Vergessenheit geraten lassen. Viele Menschen haben es sich abgewöhnt zu erzählen, aber langsam beginnen die Menschen sich wieder nach einem eigenen, authentischen Erzählen zu sehnen. Würden wir wieder mehr erzählen, entstünde in der Welt mehr Wärme und Geborgenheit, mehr persönliche Wahrnehmung und Bestätigung.

Erzählen schafft ein Wechselverhältnis, das auch den Zuhörer zum Sprechen über eigene Erfahrungen bringt. Für Kinder ist es wichtig auf dem Schoß eines Erwachsenen Zuflucht zu finden und seinen Erzählungen zu lauschen. Es schafft Vertrauen und Geborgenheit. Kinder können durch die Worte, die Gestik und Mimik des Erwachsenen, Informationen aufnehmen und fühlen sich angenommen.

Durch Erzählen wird auch die Sprach- und Gesprächskultur herausgefordert. Durch Erzählen kann man seine eigene Erzählsprache finden und seine Erzählfähigkeit erweitern.

Es kommt zur Aufarbeitung von Gefühlen. Denn unausgesprochene Gefühle, die unbewältigt bleiben, belasten die Psyche. Der Mensch sollte sich seine eigenen Erfahrungen und inneren Prozesse bewusst machen, benennen und gestalten, damit er daran wachsen kann.

Das Erzählen sollte in der alltäglichen Lebenskultur zur Gewohnheit werden. Viele Menschen denken, sie können nicht erzählen, da es den Anstrich von etwas Besonderem und Schwierigem hat, das der normale Mensch nicht leisten kann. Man überlässt es Profis und den technischen Medien. Daraus entwickelt sich beim Menschen die Einstellung, alltägliche Erlebnisse seien nichtssagend und haben keine Qualität. So werden die eigenen Erlebnisse immer weniger beachtet und abgespalten. Dies kann zu Defiziten an Selbstwertgefühl und Lebendigkeit führen. Kinder, die mit dem Erzählen von eigenen Erlebnissen aufwachsen, geraten weniger in solche Entfremdungsprozesse.

Dazu kommt, dass durch den Umgang des Sprechens bzw. des Erzählens mit Menschen unsere Menschenkenntnis wächst. Man wird sensibel für Menschen und ihre augenblickliche Situation, die sich in ihrer Art des Erzählens wiederspiegelt.

Beim Erzählen ist nichts festgelegt, alles kann gedreht und gewendet und von verschiedenen Seiten betrachtet werden. Aus der Therapie ist bekannt, dass man festzementierte Erlebnisse und Sätze, auch aus der Kindheit, durch Erzählen bewusst machen kann. Durch das Aussprechen kann man Sätze wieder beweglich und veränderbar machen. Man kann sie neu in den Lebenszusammenhang einordnen und zu neuen Sichtweisen gelangen und sich dadurch letztendlich selbst positiv verändern. Man kann die Fertigkeit zu einem beweglichen Umgang mit den Ereignissen des Lebens erlangen.

Darüber hinaus ist mit dem mündlichen Erzählen das innere Hinhören auf die eigene Intuition verbunden. Das mündliche Erzählen wird von einer inneren Stimme beeinflusst. Wir müssen lernen, auf sie zu hören und sie in unser Handeln einbeziehen. Hören wir nicht auf unsere innere Stimme, bringen wir sie zum Schweigen. So verfremdet sich der Bereich unserer Intuition oder geht sogar ganz verloren. Eigene Entfremdungserscheinungen prägen dann unser ganzes Leben und äußern sich als mangelndes Selbstvertrauen und Unsicherheit. So entsteht dann auch die Unsicherheit zum eigenen Erzählen. Die Unsicherheitsfaktoren verstärken sich noch, wenn wir auf die erzählende Interaktion von Mensch zu Mensch verzichten.

Sekundäre Erfahrungen und technische Medien können niemals Ersatz sein, für die lebendige Selbsterfahrung im Erzählen. Diese Medien lassen meist keinen Raum für eigene schöpferische Einfälle und Gestaltungskräfte und sie sind unveränderbar und oft undurchsichtig.

Viele Menschen haben im Erwachsenenalter Minderwertigkeitskomplexe und empfinden das Erzählen als überaus schwierige und sogar Angst machende Aufgabe. Sie glauben, sie könnten keine Erzählsprache sprechen.

Was ist denn eigentlich das Erzählen? Was ist es, wenn es nicht das übliche Sprechen ist, nicht der Alltagsjargon und nicht das unablässige Gerede und auch nicht die verkopfte Wissenschaftssprache?

„Das was aus dem eigenen erfüllten Herzen kommt!“ [Oehlmann, Chr.]

Worauf soll man sich denn in der Unsicherheit beim freien Erzählen stützen, wenn man nichts ablesen kann, wenn man nicht vorausplanen kann und ein perfekt durchformuliertes Konzept vor sich liegen hat?

„Auf das Vertrauen zu sich selbst. Einfach aus der eigenen Mitte und Lebendigkeit heraus die Worte strömen lassen!“ [Oehlmann, Chr.]

Erzählen ist niemals vorbestimmt. Es ist kein fertiges Produkt, sondern ein lebendiger Prozess. Das Erzählen trägt den Wert in sich und ist im Gegensatz zum Schriftlichen lebendig, widersprüchlich, neu und unvorhersehbar. Es setzt unsere kommunikative, kreative Gestaltungskraft frei.

Erzählen und Zuhören ist spannend. Durch aktives Zuhören, Vordenken, Nachdenken, Nachvollziehen, durch Mimik und Gestik, durch Fragen und Kommentare gestaltet sich jeder Prozess neu und wir sind gespannt, was diesmal aus der Erzähler- Zuhörer- Gruppierung und aus der Geschichte und aus uns selber wird. Jedes mal entstehen neue und andere Geschichten. Auch das Stammeln und Suchen nach Wörtern führt uns zu neuen Gedanken, neuen Wegen und aus der Entfremdung zu eigenen, erlösenden Worten. Erzählen ist wie eine Lebensnahrung für den Menschen.

Wir müssen uns das nötige Selbstvertrauen aufbauen, das wir zum Erzählen brauchen. In Selbsterfahrungsseminaren zum Erzählen können wir uns die Bedeutung des Erzählens als kommunikatives Lernfeld bewusst machen. Wir können wieder lernen zu erzählen und uns selber neu erleben, indem wir feststellen, über welch inneren Reichtum an Ausdrucksmöglichkeiten jeder Mensch verfügt. Wir können im Erzählen unsere Bewusstwerdungs- und Selbstfindungsprozesse fördern und können im erzählerischen Nachvollziehen und Nachgestalten uns unsere Erlebnisse, Erinnerungen und Beziehungen vor Augen führen.

Aber Menschen brauchen auch Zuhörer. Eine mündliche Erzählung ist ein Dialog, ein Zwiegespräch, selbst wenn der Zuhörer schweigt. Erst wenn uns jemand zuhört, erzählen wir. Der Zuhörer lockt die Geschichten hervor. Er ist also Mitschöpfer des Erzählens.

Intuition, Spontaneität und Phantasie sind Kräfte, die uns in der Kindheit wie selbstverständlich zur Verfügung standen. Können wir diese Kindheitskräfte in uns wecken, werden auch unsere Erzählungen authentisch und gut. Es gibt kein „gutes“ oder „schlechtes“ Erzählen, sondern nur das Kriterium der Authentizität. Also müssen wir, um erzählen zu können, an uns selbst und unserer Lebendigkeit arbeiten.

„Erzählen ist immer Ausdruck und Folge unserer inneren Lebendigkeit“[Oehlmann, Chr.]

Wir sollten lernen, Vertrauen zu uns selbst aufzubauen und Vertrauen zu den Zuhörern zu entwickeln. Wir müssen lernen, aus Sicherheit und persönlicher Kompetenz heraus, zu erzählen, Mut zu den eigenen Gefühlen entwickeln und sie mit eigenen Worten benennen lernen. Um soziale Isolation zu durchbrechen, müssen wir unsere eigenen Geschichten erzählen und denen anderer Menschen zuhören.

Die Unsicherheit beim Erzählen entspringt der Angst vor Bewertung. Es treten immer dann Bewertungsängste auf, wenn wir von unserem eigenen Erzählvorgang nicht ganz erfüllt sind und statt dessen während des Erzählens die Wirkung des Gesagten reflektieren. Wir haben Wertmaßstäbe und Leistungsvorstellungen verinnerlicht und bewerten daher selbst unsere Erzählungen, während wir sprechen. Diese eigenen Bewertungsmaßstäbe verfremden den Erzählfluss, führen zu Übertreibungen, zum Stottern, zu Floskeln und Worthülsen. Aus Angst vor dem Versagen, trauen sich viele Menschen nicht mehr vor anderen zu erzählen. Aber wir sollten nicht darauf achten, ob der Satz grammatikalisch perfekt formuliert ist, ob wir einen guten Eindruck machen und ob wir wohl die richtigen Worte finden. Wer sich während des Erzählens innerlich mit der Frage beschäftigt, ob er in seiner Einschätzung oder in der der Zuhörer positiv abschneidet, wird nicht in der Übereinstimmung mit sich selbst erzählen. Wir sollten wieder den Mut finden zu erzählen und anderen zuhören, da uns beides sehr bereichern kann.

Erzählen sollte in unserem Alltag noch mehr eine Rolle spielen und auch wieder im Schulalltag Eingang finden. Erzählt wird meist nur noch im Kindergarten und in der Grundschule. Hier wird es als Vorstufe oder Vorübung zum späteren schriftlichen Ausdruck gesehen. Aber Erzählen könnte in der Unterrichtssituation die Trennung zwischen Lebens- und Lernsituation mindern. Erzählen kann eine Rückmeldung geben für die subjektive Verarbeitung eines Lernprozesses. Schüler könnten sich durch eigene sprachliche Darstellung ihre Lerninhalte und –erfahrungen vor Augen führen.
Erzählen übt auch die soziale Wahrnehmung, die visuelle Vorstellungskraft, die Fähigkeit zuzuhören, aufeinander einzugehen und Beziehungen aufzunehmen. Dies sind alles sehr wichtige Erziehungsziele.
Allerdings kann mündliches Erzählen in der Schule nicht wirklich gefördert werden, solange es bewertet wird. Schule bewertet Leistungen nach gut und schlecht und fördert somit die Unsicherheit zum Erzählen. Es kommt nicht darauf an, das Erzählen zu bewerten, damit es besser wird. Erzählfertigkeiten nehmen ihren eigenen Weg und entwickeln sich parallel zur Persönlichkeit. [34], [19], [30].

So ist es die wichtigste Aufgabe, auch in unserer Arbeit als Sozialpädagogen, das Selbstwertgefühl, die Lebendigkeit und die schöpferischen Quellen der Menschen zu fördern, mit denen wir arbeiten.


2     Relevanz des Erzählens für den alten Menschen

Generell kann man sagen, dass Erzählen für alle Menschen, egal welchen Geschlechts, welcher ethnischen Herkunft oder Kultur, welcher gesellschaftlichen Stellung und egal welchen Alters, eine große Bedeutungen hat.
Was für Kinder und Erwachsene gilt, trifft sicherlich auch für Hochbetagte zu.

Aber gerade für ganz alte Menschen hat das Erzählen neben den im Kapitel H1 erwähnten Gründen noch einige weitere ganz besondere Bedeutungen. Da der alte Mensch schon lange gelebt hat, hat er auch ganz besonders viel erlebt, viele Erinnerungen gesammelt und somit auch ganz viel zu erzählen.

Man sollte sich vergegenwärtigen, was Menschen, die jetzt über 90 Jahre alt sind, alles erlebt haben. Ich möchte daher einen kurzen Abriss einiger wichtiger Ereignisse aus diesem Jahrhundert darstellen, um diese Zeit zu verdeutlichen. Natürlich erhebt die folgende Auflistung nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.

Menschen, die über 90 Jahre alt sind haben noch die Zeit Wilhelm des II. erlebt, die Zeit, als es in Deutschland noch einen Kaiser gab. 1914-1918 erlebten sie dann den ersten Weltkrieg, der die Kindheit dieser Menschen mitgeprägt hat. Von 1919 – 1933 lebten sie in der Weimarer Republik, 1924 wurde die Reichsmark zur Überwindung der Inflation eingeführt. 1929 erlebten sie die Weltwirtschaftskrise, die das deutsche Wirtschaftsleben lähmte und die Zahl der Arbeitslosen schnellte in die Höhe. Dies führte unter anderem zur Machtübernahme der NSDAP 1933, sowie zum Ausbruch des 2. Weltkrieges 1939. Jeder von ihnen erlebte den Krieg in einem anderen Kontext, an einem anderen Ort und mit unterschiedlichen Erfahrungen. Der Krieg endete endlich 1945 durch die Gesamtkapitulation des deutschen Nationalstaats. Auch von dem zweiten Weltkrieg waren sie, jeder auf seine Weise, ganz persönlich betroffen. Ab 1945 entstanden zwei getrennte sozialökonomische Systeme in dem besiegten Deutschland, was schließlich in der Gründung der DDR und der BRD endete. 1948 war dann wieder eine Inflation, gefolgt von der Währungsreform, mit der Umstellung von Reichsmark auf die D-Mark. Nach der Währungsreform wurde Konrad Adenauer zum 1. Bundeskanzler der neu gegründeten BRD gewählt. Unter seiner Regierung erlangte die Wirtschaft einen ungeahnten Aufschwung und der Begriff des Wirtschaftswunders wurde geprägt. 1949 wurde das Grundgesetz verfasst, Ost-Berlin wurde Hauptstadt der DDR und Bonn die Hauptstadt der BRD. Viele Menschen waren auch vom Bau der Mauer im Jahre 1961 persönlich betroffen. Von 1961 – 1965 war Ludwig Erhard 2. Bundeskanzler in Deutschland. Sie erlebten die 68 er -Generation mit den Studentenunruhen und den damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Veränderungen in den Folgejahren. 1969 – 1973 ist dann Willy Brandt 3. Bundeskanzler der BRD gewesen bis er nach seinem Rücktritt 1974 von Helmut Schmidt abgelöst wurde. 1982 wurde dann Helmut Kohl Bundeskanzler. Unter seiner Regierung erlebten sie dann 1989 wieder ein einschneidendes Ereignis in der deutschen Geschichte: Den Fall der Berliner Mauer. Jetzt ist Gerhardt Schröder Bundeskanzler und wieder wird eine neue Währung eingeführt: Der Euro. Deutschland ist erstmals wieder aktiv beteiligt an einem Krieg, im Kosovo, und es geht auf das Jahr 2000 zu. Somit haben diese Menschen fast ein ganzes Jahrhundert durchlebt.

Ich habe natürlich nur einige wenige Eckdaten und größere geschichtliche bzw. politische Veränderungen erwähnt. Die Mode und die Musik wandelte sich in all den Jahren und kehrte zum Teil auch wieder zurück. Dazu kamen viele wichtige Erfindungen und technische Errungenschaften, wie zum Beispiel das Auto und das Fernsehen und viele Haushaltsgeräte, wie zum Beispiel die Waschmaschine, die das Leben der Menschen veränderten. Alte Menschen können sich noch an die Zeit erinnern, als es noch keinen Strom gab und die Menschen mithilfe von Petroleum Licht erzeugten.

Im Jahr 1876 wurde bereits der Ottomotor von Nikolaus Otto entwickelt, jedoch erst 1938 wurde die Firma Volkswagen in Deutschland gegründet und die professionelle Vermarktung des Automobils eingeleitet. Alte Menschen können sich also noch an die Zeit erinnern, als die ersten Autos fuhren.

Otto Lilienthal erforschte bereits 1891 den Vogelflug und startete Versuche des Gleitfluges. Aber erst in diesem Jahrhundert überquerte man nach dem ersten Weltkrieg den Atlantik mit einem Flugzeug. Charles Lindbergh startete 1927 als Erster den Alleinflug von New York nach Paris.

1920 wurde das erste Radiokonzert in Deutschland als Versuchssendung übertragen. Den regulären ersten deutschen Rundfunksender eröffnete man 1923. In diesem Jahrhundert wurden weitere Planeten entdeckt, so zum Beispiel 1930 der Planet Pluto. 1957 fanden die ersten bemannten Raumflüge statt. Der erste Flug zum Mond gelang im Jahre 1969, den beiden Astronauten N. Armstrong und E. Aldrin. 1958 starteten die ersten Satelliten ins Weltall. Sie dienten der Forschung sowie der Nutzung von Kommunikations-, Wetter-, Navigations-, Frühwarn- und Aufklärungssystemen. 1953 wurde das 1. Deutsche Fernsehen (ARD) und 1963 das 2. Deutsche Fernsehen (ZDF) eingeführt. Der offizielle Beginn des Farbfernsehens folgte dann im Jahre 1967.
An all diese Erneuerungen können sich die Menschen erinnern.


Die folgende Tabelle listet einige wichtige technische Erfindungen in diesem Jahrhundert auf (nicht vollständig):

Zeit

Entwicklung

Erfinder

1900

Starrluftschiff

Ferdinand Graf von Zeppelin

1900

Elektronenröhre

Ambrose Fleming

1903

Farbfotografie

Auguste Marie Louis Nicolas Lumière und Louis Jean Lumière

1904

Offsetdruck

Ira W. Rubel

1908

Kreiselkompaß

Hermann Anschütz-Kaempfe

1910

Neonröhre

Georges Claude

1915

Ganzmetallflugzeug

Hugo Junkers

1929

Schweröl-Flugmotor

Hugo Junkers

1931

Elektronenmikroskop

Max Knoll und Ernst Ruska

1937

Strahltriebwerk

Frank Whittle

1942

erste kontrollierte nukleare Kettenreaktion

Enrico Fermi

1945/46

Rechenautomat (elektronische Großrechenmaschine ENIAC)

John William Mauchly und J. Presper Eckert

1947

Polaroidkamera

Edwin Land

1947/48

Herz-Lungen-Maschine

Åke Senning und Clarence Crafoord

1948

Holographie

Dennis Gábor

1948

Kunststofflangspielplatte

Peter Carl Goldmark

1948

Transistor

William Shockley, John Bardeen und Walter Houser Brattain

1954

Luftkissenboot (Hovercraft)

Sir Christopher Cockerell

1957

Drehkolbenmotor

Felix Wankel

1959

Floatglasherstellung

Sir Lionel Alexander Bethune Pilkington

1960

Rubinlaser

Theodore Harold Maiman

1960/63

PAL-System (Farbfernsehen)

Walter Bruch

1961

Gaslaser

William Ralph Bennett jr., All Javan und Donald Richard Herriott

1962

Leuchtdiode

Nick Holonyak

1969/70

Mikroprozessor

Marcian Edward Hoff

1973

Computertomograph

Godfrey Newbold Hounsfield

1973

Kernspintomograph

Paul Christian Lauterbur

1977

Neutronenbombe

USA

1981

Rastertunnelmikroskop

Gerd Binnig und Heinrich Rohrer

1981

Personalcomputer

USA

1983

Compact Disc

Niederlande, Japan

1988

Stehbild-Videokamera

Japan

1990

Hubble-Weltraumteleskop

USA (NASA), Europa (ESA)

Abbildung 9 Technische Erfindungen in diesem Jahrhundert


Viele dieser technischen Errungenschaften wirkten sich auf die gesamten Lebensumstände und die persönliche Situation der Menschen aus. Neben diesen technischen Veränderungen fanden sehr große, einschneidende gesellschaftliche Veränderungen statt. Die gesamte Umwelt mit ihren Normen und Werten wandelte sich. Die Emanzipation der Frau ist nur ein Beispiel von vielen. Auch Erziehungsziele und –methoden haben einen großen Wandel erlebt.

Der alte Mensch war im Lauf seines Lebens so vielen Veränderungen ausgesetzt und hat neben den historischen, alle betreffenden großen Veränderungen, auch viele individuelle, prägende Ereignisse erlebt. Somit kann man auch nicht von den Erfahrungen der Alten sprechen, denn jeder Mensch hat die verschiedenen Begebenheiten jeweils anders erlebt. Je nach Region, sozialer Stellung, Familienzugehörigkeit, Erziehung und Persönlichkeitsentwicklung ist er zu einem reifen und ganz individuellen Menschen geworden. Je mehr ein Mensch erlebt, um so mehr bildet sich seine eigene Persönlichkeit heraus. Deshalb hat jeder alte Mensch eine ganz starke Persönlichkeit entwickelt.

Vielleicht macht dieser kurze Abriss, der ja nur sehr oberflächlich ist, deutlich, wieviel alte Menschen erlebt haben, über welchen Erfahrungsschatz sie verfügen und wieviel sie an persönlichen Erinnerungen haben, die sie weitergeben können.

Wer hätte mehr zu erzählen, als ein alter Mensch?

Gerade im Alter kann es wichtig sein, zurückzuschauen auf sein Lebenswerk, um es zu betrachten. Das Erzählen ist ein Mittel, um die Erinnerung aufleben zu lassen. In der Rückschau kann man sich gute und schlechte Erinnerungen bewusst machen. Man sieht, was man im Leben erreicht hat und auch das, was man gerne erreicht hätte. Der alte Mensch kann Wünsche und Träume, die er hatte, aus einer ganz anderen Perspektive betrachten und vielleicht vieles aus heutiger Sicht belächeln, was ihn damals bedrückt hat.
Durch diese Betrachtung des Lebenswerkes kann er einen gewissen Stolz erlangen. Indem er das Erlebte in Erzählungen mitteilt, kann er es wieder aufleben lassen, aus einer anderen Sichtweise beleuchten und er bekommt vom Zuhörer auch eine Rückmeldung über das Gesagte. Der Zuhörer, der ihm Aufmerksamkeit schenkt, gibt ihm das Gefühl, das sein Leben hörenswert und bedeutend ist. Der Zuhörer kann ihm auch helfen zu anderen Sichtweisen zu gelangen und auch Fehler, die er im Leben gemacht hat, in einem anderen Zusammenhang zu sehen und zu akzeptieren. Somit können auch Schuldgefühle verarbeitet werden. Nur durch Bewusstmachung und Aussprechen können Fehler und Schwächen akzeptiert und in den gesamten Lebenszusammenhang integriert werden.

Nicht nur für den alten Menschen als Erzähler ist dies sehr wichtig, sondern auch den Zuhörer kann es bereichern, wenn er sich darauf einläßt. Er kann sein Leben mit dem des Erzählers vergleichen und über historische Erzählungen die heutige Gesellschaft und die gesamte Umwelt in einem neuen Zusammenhang sehen. Er wird bereichert durch die spannenden und interessanten Erzählungen und lernt die Welt mit anderen Augen kennen. Kein Buch und kein Schulunterricht kann einem so lebendig, authentisch und anschaulich von der Vergangenheit erzählen, wie ein Mensch, der selbst dabei gewesen ist, der mitten im Geschehen war.

Durch das Zuhören zeige ich dem alten Menschen Respekt. Wenn alte Menschen den Respekt fühlen, entsteht für sie das Gefühl des Angenommenwerdens und der Sicherheit. Wenn alte Menschen ihre Schuldgefühle, Wünsche und Ängste der nächsten Generation mitteilen, können diese ihr „Erbe“ antreten und vielleicht auf anderer Weise die Zukunft gestalten. Das bedeutet, alte Menschen können mit ihren Geschichten helfen, die Zukunft mit zu gestalten. Darüber hinaus findet bei jungen Menschen im Gespräch mit den Alten auch ein Reifeprozess statt.

Wenn alte Menschen befragt werden und ihre Geschichten gehört werden, müssen sie ihr altes, vergangenes Leben innerlich nicht „wegwerfen“ und damit zerstören oder abspalten. Dies kann der Altersdepression entgegenwirken.

Für unsere Gesellschaft, die schwache Menschen oft ausgrenzt, ist es wichtig sich mit diesem Thema zu beschäftigen, denn wir alle werden, falls wir nicht vorher sterben, hilfe- oder pflegebedürftige alte Menschen werden und vielleicht dann selbst Hilfe und Kontakt brauchen.

Im Gegenwärtigen ist immer auch das Vergangene enthalten. Das Gegenwärtige strahlt auch gleichzeitig in die Zukunft. Wenn wir uns mit unserer Geschichte, einschließlich der Geschichte unserer Vorfahren auseinander setzen, können wir die Zukunft vorausahnen und planen. Es sollte nicht Ziel des Zuhörens sein, möglichst vollständige Daten und Ereignisse zu sammeln, sondern etwas über die Wirklichkeit des subjektiv geprägten Lebensweges zu erfahren. Ziel ist es, sich auf die Suche nach Identität und Persönlichkeit zu begeben und dem alten Menschen die Möglichkeit zu geben ,die Frage zu stellen „Wer bin ich, wer war ich, woher komme ich und wohin gehe ich?“ „Wie ist mein Lebenslauf eingebettet in das zeitliche und räumliche Umfeld?“ [77], [6]

 

 

 

 

Die Jugend ist entflohn,

man ist nicht mehr gesund.

Es drängt die Reflexion

sich in den Vordergrund.

(Hermann Hesse)


Gefühle, die ausgedrückt und dann von einem vertrauten Zuhörer bestätigt und validiert werden, werden schwächer, ignorierte oder geleugnete Gefühle stärker.

Aus einer nicht beachteten Katze wird ein Tiger.           

                                                                                                           (C. G. Jung)

 

Frühe, gefestigte Erinnerungen überleben bis ins hohe Alter.

                                                                         (F. G. Schettler und G. S. Boyd)

 

Wenn das Kurzzeitgedächtnis versagt, stellen sehr alte Menschen durch frühe Erinnerungen das Gleichgewicht wieder her.

Versagt der Gesichtssinn, sehen sie mit dem inneren Auge,

versagt der Gehörsinn, so hören sie Klänge aus der Vergangenheit.

                                                                                                 (Wilder Penfield)

 

Die Kunst des Vergessens und Erinnerns wird denn auch verhüten,

dass man sich in einem Lebensverhältnis festrennt.

Das Vergessen können hängt immer davon ab, wie man sich erinnert.

                                                                                          (Sören Kierkelgaard)

 

Erzählen dient ebenso der Bewältigung der Gegenwart,

in dem es vergesslich die Vergangenheit erinnert. 

                                                                                                  (Wilhelm Mader)

 

Stellt diese Person nicht in ihrer Ganzheit das wahre Gedächtnis ihres Lebens dar?

  (Daniel und Isabelle Bertaux)

 


3     Relevanz des Erzählens im Altenheim

 

 

Sie warten. Immer warten sie. Warten ist ihr Leben. Morgens warten sie auf das erste Schlagen der Türen. Auf das Klappern des Geschirrs. Sie zuckt zusammen, wenn sich die Tür öffnet, obwohl sie weiß, dass es die Schwester ist. Sie kennt den Plan des Altersheims ganz genau: Heute morgen wird Schwester Grete kommen. Heute nachmittag Schwester Susanne. Und Nachdienst hat Schwester Beate.

Alle sind freundlich. Freundlich und steril. So wie das weißbezogene Bett, die frischgewaschenen Gardinen und der blankgebohnerte Fußboden.

Sie kann sich nicht beklagen. Nein, das kann sie wirklich nicht. Aber jeder, der in ihr Zimmer kommt, hat es eilig. Auch der Arzt. Zeit hat nur sie. Zeit zum Warten.

Natürlich hat sie auch schon Besuch gehabt. Jedenfalls in der ersten Zeit. Die Besucher haben sich umgeschaut und alles sehr schön gefunden. „Hier kannst Du es aushalten“ und „Du hast wirklich alles, was Du brauchst“. Immer die gleichen Worte. Alle Verwandten und auch die alten Freunde gingen sehr beruhigt, wie sie ihr beim Abschied versicherten. So beruhigt, denkt sie, dass niemand ein zweites Mal kam. Warum auch? Es geht ihr ja gut. Und draußen in der Welt, wie sie es nennt, sind die Tage für die Menschen zu kurz. Woher sollen sie wissen, wie lang ein Tag sein kann?    [Bintig, Ilse: Zeit zum Warten, in: [4]]

 


Selbstverständlich gelten die Ausführen aus den vorhergehenden Kapiteln H1 und H2 auch entsprechend für alte Menschen im Altenheim. Jedoch möchte ich hier auf das spezifische Umfeld „Altenheim“ näher eingehen.

In einem Altenheim werden die Menschen dazu gedrängt, ihr gesamtes Leben hinter sich zu lassen. Für viele bricht jetzt die Restzeit des Lebens an, da die eigene Wohnung mit persönlichen Erinnerungen und persönlichen Gegenständen aufgegeben werden musste. Beim Einzug in das Heim wird das Hab und Gut auf ein Minimum begrenzt, die Menschen erleben den Verlust materieller Werte und einen Verlust an Symbolen des persönlichen Lebens. Allerdings stehen die Menschen beim Einzug nicht kurz vor dem Tod, sondern leben teilweise noch einige Jahre.

Im Heimalltag herrschen Hektik und Stress, auf Grund der personellen Situation. Der Alltag wird bestimmt durch Routinen, feste Regeln und gleichförmige Abläufe. Für die Pflegedienstmitarbeiter ist es ein Zwang, sich auf die gegenwärtige Situation des Bewohners zu konzentrieren. Für die Pflege stehen Krankheiten, Behinderungen, Schwächen und Nöte des Bewohners im Vordergrund. Das heißt, es wird an Defiziten gearbeitet. Die Lebensgeschichte des Menschen ist im Pflegealltag nicht erkennbar und wird von der augenblicklichen Situation abgetrennt gesehen. Man sollte aber den Menschen immer in seiner Ganzheit und mit seinen individuellen Ressourcen betrachten. Wird der Mensch nur nach seinen biologischen und medizinischen Grenzen und nach seinen biogenetischen, also gattungsgeschichtlichen Gesichtspunkten, betrachtet, wird er letztendlich nur als Objekt gesehen. Die Biographie eines Menschen ist eine einmalige Geschichte, einer Person, die gelebt hat. Im Heim leben sehr viele Menschen, in der Regel in 2-Bettzimmern. Durch die große Institution gehen die einzelnen Menschen in der Menge der Bewohner unter.

Je mehr ein Mensch seine Vergangenheit vergisst, um so weniger weiß er von seiner Gegenwart und über sich selbst.
Alte Menschen, die oft an einem Verlust von Erinnerungen leiden, verlieren ihren biographischen Bezug. Beim Erzählen wird Vergangenes wieder gegenwärtig und prägt das Leben in der Gegenwart.
Alte Menschen im Heim sind umgeben von Krankheit, Gebrechen, zunehmender Schwäche, Schmerzen, Verlusten, Einsamkeit und Tod. Von dem ein oder anderen sind sie auch persönlich betroffen. Diese negativen Empfindungen verengen die Wahrnehmung vieler alter Menschen.
Durch Isolation und wenig sozialen Kontakt konzentrieren sich ihre Gedanken auf die Selbstwahrnehmung. Gefühle des Unwohlseins werden genau unter die Lupe genommen und es wird sich auf Schmerzen und Gebrechen konzentriert. Krankheit und Leid werden dann von ihnen immer wieder thematisiert. Viele fangen an zu „jammern“ über ihren Zustand. Andere äußern ihre Unzufriedenheit durch Aggressivität, sogar in körperlicher Weise, indem sie Mitbewohner angreifen oder aber der Aggression verbal freien Lauf lassen. Einige „hacken“ dann auf den Schwächen der anderen Bewohner herum, vielleicht, um ihre eigenen Schwächen zu vertuschen. Manche machen sich lustig über andere, die verwirrt sind, oder sprechen zumindest abwertend über sie. So versuchen sie sich davon zu distanzieren, vielleicht aus Angst, sich auch einmal so zu verändern. Unzufriedenheit wird auch dem Pflegepersonal gegenüber geäußert. Einige Bewohner fangen an zu „meckern“, sie machen die Pflegekräfte für ihren Zustand verantwortlich. Sie wecken häufig Schuldgefühle bei den Pflegekräften, in dem sie ihnen vorwerfen, zu wenig Zeit zu haben, um sich um sie zu kümmern. Da die Mitarbeiter tatsächlich unter Zeitdruck stehen und sie durch die Hektik und schwere Arbeit strapaziert sind, werden sie durch solche Äußerungen frustriert und machen sich nicht selten Vorwürfe, zu wenig für die Bewohner da zu sein.
Andere Bewohner ziehen sich einfach in sich selbst zurück. Sie werden depressiv. Sie reagieren kaum noch auf Ansprache und fangen an, zu vegetieren.
Dieser Gedanken- und Gefühlskreislauf wirkt sich lähmend auf mögliche Aktivitäten der alten Menschen aus. Sie weisen Angebote zurück, mit der Begründung, sie seien zu schwach oder zu alt. Aber gerade wenn die Bewohner keinen Ausgleich zu dieser Situation haben, verstärkt sich der Zustand und die Wahrnehmung von Schwäche, Schmerz und Einsamkeit vergrößert sich.
Erzählen kann ein Gegengewicht zu einer verengten und negativen Wahrnehmung sein. Die Bewohner können durch die Konzentration auf das Erzählen von ihrem Zustand und ihrer Umgebung abgelenkt werden. Darüber hinaus kann durch das Nachfragen nach angenehmen Erlebnissen und Vorlieben die Wahrnehmung auf positive Inhalte gelenkt werden. Das Erinnern, Nachdenken, Zuhören und die Gespräche schaffen eine Unterbrechung des Gedanken- und Gefühlskreislaufes. Durch Erzählen kann die Wahrnehmung in eine positive Richtung gelenkt werden.
Um sich in der Gesellschaft als Individuum zu fühlen, muss man das Bewusstsein haben, eine einmalige Person mit einer unverwechselbaren Lebensgeschichte zu sein.
Im Altenheim ist es nicht leicht, sich als Individuum zu fühlen. Es ist schwer, sich ein Bewusstsein für die eigene Persönlichkeit zu erhalten. Die Regelmäßigkeit, die Angleichung des Tagesablaufes und die Gleichheit des Wohn- und Lebensumfeldes ebnet individuelle Unterschiede ein. Nicht nur die eigene Wohnung wurde vor dem Einzug aufgegeben, sondern auch die eigenen Möbel. Nur einige wenige persönliche Dinge können aus Platzgründen in das Heim mitgebracht werden. Auch das Haustier, vielleicht ein Hund, der oft ein treuer und wichtiger Partner alter Menschen ist, musste zurücklassen werden. Es gibt nur wenige Heime, die es ermöglichen, eigene Haustiere mitzubringen. Persönliche Dinge, die auch immer Teil der Persönlichkeit sind und den Menschen in seiner Individualität hervorheben, die zu ihm gehören und auch etwas über ihn aussagen, wurden auf ein Minimum begrenzt.
Vor allem aber das Gefühl, Einer unter vielen zu sein, genau so behandelt zu werden, wie alle Bewohner, macht es noch schwerer. Der Nachbar im Zimmer und alle anderen auf dem Wohnbereich und im ganzen Haus bekommen genau die gleiche Pflege, wie man selbst. Es ist eine einheitliche Pflege, die sich sehr wenig an die persönlichen Wünsche des Bewohners stören kann. Das alles macht es schwer, die Konturen der eigenen Person noch wahrzunehmen.
Dabei ist jeder der Menschen eine einzigartige Person, mit einer eigenen Geschichte, nur geht dies für ihn selbst und für andere im Alltag oft unter und ist nicht mehr so leicht ersichtlich.
Erzählen schafft Gelegenheiten, bei denen sich der alte Mensch als Individuum erleben kann. Jeder hat eine andere Art zu erzählen, seinen eigenen Sprachstil, einen eigenen Dialekt und eine unverwechselbare Stimme. Jeder hat andere Erfahrungen gesammelt und jeder hat eigene Geschichten, die er erzählen kann.
Die Lebenssituation im Altenheim ist für die meisten Bewohner arm an Erfolgserlebnissen. Sie sind abhängig von anderen und fühlen sich ausgeliefert. Sie haben über sehr viele Dinge die Kontrolle verloren. Wenn man mit der Situation konfrontiert wird, dass man den Alltag ohne fremde Hilfe nicht mehr bewältigen kann, schwächt dies das Selbstwertgefühl. Die meisten Bewohner trauen sich wenig zu. Sie sind in einer Zeit mit autoritären Strukturen aufgewachsen und haben oft nicht gelernt, ein Selbstbewusstsein aufzubauen. Dies wird durch die Situation im Heim verstärkt. Leider können verbliebene Fähigkeiten nicht mobilisiert werden und bauen sich ab. Dies, zum Teil aus Angst der Bewohner, es sowieso nicht zu können und teilweise auch, da es in der Pflegeroutine äußerst viel Zeit bedarf, die Selbständigkeit der Bewohner im höchsten Maße aufrecht zu erhalten. Dies geschieht nicht aus Unwissenheit oder Gleichgültigkeit der Altenpfleger, sondern ist ein Ergebnis der äußerst knappen Besetzung in der Pflege.
Ich möchte ein Beispiel geben: Es wäre theoretisch richtig, sich zu einem Bewohner an den Tisch zu setzen, um ihm Hilfestellung bei Essen zu geben. Man könnte ihm dabei helfen, die Nahrung auf die Gabel zu befördern und ihm beim Schneiden durch Führung der Hände behilflich sein. Die Gabel und genauso das Glas, das man ihm in die Hand gibt, könnte er selbst zum Mund führen. Da alte Menschen ihre Bewegungen langsamer ausführen und auf Grund von Schwäche und der Schwierigkeit bei der Umsetzung, noch mehr Zeit benötigen, kann diese Hilfestellung aus Zeitgründen nicht gewährleistet werden. Die pflegende Person wird dem Bewohner das Essen anreichen, wobei der Bewohner passiv bleibt. Mit der Zeit wird der Bewohner seine Fähigkeiten mehr und mehr verlieren. Dies ist eine traurige Folge und nicht nur für die Bewohner selbst, sondern auch für das Pflegepersonal, das sich zunehmend in Schuldgefühle verstrickt oder aber diese Gefühle abspalten muss, um die Situation zu akzeptieren.
Das Erzählen kann hier natürlich kein Allheilmittel sein. Seine Wirkung hat ihre Grenzen, aber es kann immerhin die geistigen Fähigkeiten des Bewohners aktivieren ohne Versagensängste zu erzeugen. Beim Erzählen kann man kleine Erfolgserlebnisse sammeln, zum Beispiel dadurch, dass andere nachfragen, zuhören, schmunzeln, lachen oder betroffen sind. Man wird wahrgenommen und hat das Gefühl, als Mensch interessant zu sein.
Auch das Erzählen von Gedichten spielt bei den Bewohnern eine große Rolle. Es gibt Bewohner, die auf Ansprache kaum reagieren oder nur unzusammenhängende Wörter aneinander reihen, die für andere nicht verständlich sind. Erzählt man im Beisein dieser Menschen ein Gedicht aus ihrer Schulzeit, sprechen sie, teilweise sogar sehr lange Gedichte, automatisch mit. Denn die Bewohner mussten in ihrer Schulzeit sehr viele Gedichte auswendig lernen.
Das Langzeitgedächtnis ist bei vielen Menschen noch vorhanden und kann durch Erzählen gezielt aktiviert werden. Vor allem bekommen die Bewohner durch das Vortragen von auswendig gelernten Gedichten Anerkennung. Sie werden von anderen bewundert, da sie dies alles noch wissen. Außerdem werden durch die Gedichte Kindheitserlebnisse wieder erlebt. Nicht nur die geistige Fähigkeit und das Langzeitgedächtnis werden gefördert, sondern vor allem auch das Selbstwertgefühl der Bewohner wird gestärkt.
Für einen Menschen, der im Heim lebt, ist das Erleben von Gemeinschaft nicht ohne weiteres zu realisieren. Die Gemeinschaft, in der er lebt, ist eine zwangsläufige, die er sich nicht selbst ausgesucht hat. Vor allem werden durch die Anwesenheit der anderen Bewohner Bedürfnisse nach Privatheit und Intimität verhindert. Die Gemeinschaft wird oft eher als einschränkend und beeinträchtigend empfunden. Die Bewohner leben nicht freiwillig im Heim. Der Gesprächsstoff wird immer weniger und ist nach einiger Zeit ganz ausgegangen. Es wird auch aus Angst oder Abneigung vermieden mit anderen Kontakt aufzunehmen. Oft entsteht Streit und Eifersucht unter den Bewohnern. Fast alle möchten möglichst viel Zuwendung seitens der Pflegedienstmitarbeiter. Leider werden die Situationen der Langeweile sehr wenig genutzt, um sich gegenseitig zu besuchen, sich etwas zu erzählen und sich Mut zuzusprechen. Aber auch in dieser unfreiwilligen Gemeinschaft gibt es Potentiale, die das Bedürfnis nach Nähe, Geborgenheit, Wärme, Vertrauen und Verbundenheit befriedigen können. Solche Erfahrungen werden aber selten selbständig und aktiv von den Bewohnern initiiert. Es bedarf einer Person, die die entsprechende Atmosphäre herstellt und den ersten Schritt zu einer solchen Gruppe unternimmt. Kann der Bewohner erst einmal motiviert werden, so entsteht in der Gruppe ein wohltuendes Gemeinschaftserlebnis.
Oft kennen die Bewohner eines Altenheims nur sehr wenig Einzelheiten von- einander. Sie wissen nichts über die Lebensgeschichte des Nachbarn, weil sich die Gelegenheit, darüber zu erzählen, nie geboten hat. Die Bewohner kennen sich nur auf dem Hintergrund ihrer momentanen Situation. Sie wissen voneinander, dass der Eine im Rollstuhl sitzt, ein Anderer blind ist und der Nächste schlecht hört. Aber was die Menschen früher erlebt haben, dass sie einmal mitten im Leben standen und dies bewältigt haben, wird nicht sichtbar.
Eigentlich könnten die Bewohner sehr interessante Gesprächspartner füreinander sein, weil alle ähnliche historische Bezüge in ihrer Biographie haben. Sie könnten sich austauschen und allerhand Erinnerungen beim Anderen wecken und es könnten spannende Parallelen vieler Alltagserfahrungen gefunden werden. Viele kleine, scheinbar nutzlose Bruchstücke mit hohem Erinnerungswert gibt es im eigenen Leben und in dem des anderen zu entdecken. Es könnten Mosaike entstehen, die den anderen die damalige Situation förmlich miterleben lassen. Dieses Lebendigwerden von Vergangenheit wird vor allem durch die Form des Austausches ermöglicht. Das Kennenlernen, das über den Erfahrungsaustausch beim Erzählen entsteht, verhindert Anonymität, Fremdheit und Misstrauen im Umgang miteinander. Man ist dann füreinander kein unbeschriebenes Blatt mehr. Trotzdem kann man den Schutz der Privatsphäre wahren, in dem man nur preisgibt, was man möchte.
In der Arbeit mit alten Menschen ist es vor allem wichtig, sie nicht nur zu betreuen, sondern sie auch zu verstehen und zu achten. Menschen sollten auch im Alter als liebenswert und interessant angenommen werden. Beim Erzählen sollte es nicht ums interpretieren, vermuten und analysieren gehen, sondern um die Begegnung von Mensch zu Mensch, um durch das Gespräch den Versuch zu unternehmen, sich gegenseitig kennenzulernen, zu verstehen und zu achten. Es geht vor allem auch nicht darum, dem Menschen in die Seele schauen zu wollen, um ihn zu verändern und zu funktionalisieren.
Beim Erzählen ist das Einfließen von Humor auch sehr wichtig für alte Menschen. Denn Humor kann ihnen etwas von der früheren Leichtigkeit und dem Leichtsinn wiedergeben, den sie als junge Menschen geschätzt haben. Humor schafft Erleichterung und Distanz zu vielen Dingen des Lebens. Es entlastet und hilft dabei, sich freier zu fühlen. Deshalb ist nicht nur biographisches Erzählen, sich Leid von der Seele reden oder auch das Erzählen von Gedichten zur Steigerung des Selbstwertgefühls wichtig, sondern auch das Erzählen von Witzen und lustigen Anekdoten aus dem Alltag.

Das Erzählen im Altenheim ist nicht nur für den Bewohner relevant und bereichernd. Gerade auch für die Pflegedienstmitarbeiter ist es sinnvoll, den Bewohner kennenzulernen, um zu erfahren, wie er früher einmal war, um ihn anders wahrnehmen zu können. Die Mitarbeiter können mehr Respekt zu den Bewohnern entwickeln, wenn sie mehr Achtung vor ihnen haben.
Ich möchte ein Beispiel geben: Eine Bewohnerin, die sehr unruhig ist, immer wieder aufsteht und umherläuft, das Essen nicht mehr selbständig zu sich nehmen kann und ihre Zahnprothese mit der Zunge aus dem Mund schiebt, wirkt auf dem ersten Blick unästhetisch. Wenn sie nicht antwortet, wenn man mit ihr spricht oder nur für andere Menschen unverständliche und unzusammenhängende Wörter aneinander reiht, ist es schwierig, Respekt vor dieser Frau zu entwickeln. Man nimmt sie als Person weniger wichtig, weil sie nach Ansicht vieler, sowieso nicht mehr „viel mitkriegt“. Beschäftigt man sich mit der Biographie dieser Frau, und erfährt, dass sie das Abitur als Beste ihres Jahrgangs bestanden hat, eine behinderte Tochter großgezogen und noch vieles mehr erreicht hat, wächst die Achtung vor ihr. Das Bewusstmachen vieler Details aus dem Leben dieser Frau lassen sie zu dem Bild einer starken und bewundernswerten Frau werden. Man kann sich vorstellen, wie sie früher einmal gewesen ist, und kann sich besser mit ihr identifizieren. Selbstverständlich sind nicht nur Personen, die einen guten Schulabschluss haben oder einen hochgeachteten Beruf ausführten, bewundernswert, sondern jeder Mensch hat auf seine Weise sein Leben gemeistert, etwas geschaffen und erreicht.
Es ist für alle Mitarbeiter eines Altenheims wichtig, sich mit den Biographien der Bewohner zu beschäftigen, um den Respekt, den man jedem Menschen entgegenbringen sollte, besser herstellen zu können. Bewohner, die sich selber nicht verbal zu ihrer Vergangenheit äußern können, haben nicht die Möglichkeit, über das Erzählen Anerkennung zu erlangen und sich zu präsentieren. Hier gibt es die Möglichkeit über das Erzählen mit den Angehörigen etwas über die Person zu erfahren.

Das Erzählen ist im Altenheim für die Bewohner sowie für die Mitarbeiter relevant und bereichernd. [6]

Kritisch anzumerken ist natürlich, wer denn die Bewohner zum Erzählen motivieren soll, bzw. wer gemeinsam mit ihnen erzählen könnte, wenn der Personalmangel so erheblich ist. Es ist für die Schwestern neben der Pflege nicht möglich, die Zeit dafür aufzubringen, auch alle anderen Mitarbeiter sind zeitlich nicht in der Lage, diese Aufgabe noch zusätzlich zu übernehmen.

Da ich aber das Erzählen für die Heimbewohner als sehr wichtig erachte, ist es mein Ziel, die Bewohner dazu zu motivieren, untereinander zu erzählen und selbst zu Gesprächspartnern zu werden. Eine weitere Möglichkeit wäre, Angehörige oder auch Ehrenamtliche für das Erzählen zu begeistern.

Ich habe bereits meine eigenen Ansichten über die Relevanz des Erzählens im Heim vorgestellt. Ich möchte im Folgenden, bevor ich ein praktisches Angebot zum Erzählen plane, erst einmal die Bewohner selbst und die Mitarbeiter des Hauses zu dieser Frage zu Wort kommen lassen.

Wenn sich meine Annahme bestätigt und das Bedürfnis zum Erzählen vorhanden ist, möchte ich versuchen, die Bewohner zusammenzubringen und mit ihnen einen Erzählnachmittag, der einmal in der Woche stattfinden soll, durchzuführen.
Dieses Erzählangebot möchte ich „Erzählcafé“ nennen, da ich eine Kombination aus Erzählen und Kaffeetrinken plane. Außerdem nehme ich schon bestehende, ähnliche Angebote in anderen Städte zum Vorbild, die immer mehr Beliebtheit erlangen und auch unter dem Begriff „Erzählcafé“ zusammengefasst werden. Im Kapitel I 2 werde ich einige Erzählcafés vorstellen.


4     Die Planung der Interviews

Um der Relevanz des Erzählens für Heimbewohner auf den Grund zu gehen, ist es natürlich am besten, die Bewohner eines Heimes selbst zu befragen. Zu diesem Zweck werde ich ausgewählte Bewohner interviewen.

Es wäre neben der Befragung der Bewohner auch sinnvoll, Menschen zu befragen, die tagtäglich mit den Bewohnern in enger Verbindung stehen. Hiermit meine ich Mitarbeiter aus dem pflegerischen und dem sozialen Bereich.

Bevor ich die Interviews mit den Mitarbeitern und Bewohnern des Altenheims durchführte, habe ich erst einmal der Heimleitung, sowie dem Leiter des Sozialen Dienstes mein Anliegen vorgetragen. Nachdem sich beide positiv zu dem Vorhaben äußerten, bekam ich auch die Möglichkeit auf einem Teamgespräch mein Angebot vorzustellen.

Dort erläuterte ich das Thema meiner Diplomarbeit und meine Ansicht zur Relevanz des Erzählens. Ich fragte nach Anregungen, Tipps und Vorschlägen. Auch erkundigte ich mich danach, wer von den Mitarbeitern zu einem Interview bereit wäre.

Die Mitarbeiter äußerten sich zu dem von mir geplanten Angebot überwiegend positiv. Allerdings wurde die Verwirklichung eines Erzählcafés im Altenheim bezweifelt. Insbesondere der Sozialpädagoge merkte kritisch an, dass sich die Bewohnerstruktur in den letzten Jahren stark verändert habe. Er bezweifelte, auf Grund der zunehmenden Pflegebedürftigkeit und Demenzen der Bewohner, das Interesse und vor allem die Fähigkeit der Bewohner an der Teilnahme. Mein Ziel, ein Erzählcafé einzurichten, um die Bewohner zum gegenseitigen Erzählen zu motivieren und um sich gegenseitig als Gesprächspartner zu entdecken, wurde in Frage gestellt. Meine geäußerten Ziele, mich zum einen, vor allem zur Aktivierung der Bewohner, mit der Zeit zunehmend zurückziehen zu können, zum anderen hierdurch die selbständige Weiterführung des Erzählcafés durch die Bewohner selbst zu erwirken, wurde als nicht realisierbar eingeschätzt. Vor allem der Sozialpädagoge war überzeugt, dass ein Erzählcafé, wenn es überhaupt realisierbar wäre, nicht alleine bestehen könne, da die Bewohner dazu nicht in der Lage sind. Auch meine Frage nach anderen Personen, die das Erzählcafé eventuell übernehmen und weiterführen könnten, blieb wegen des personellen Mangels unbeantwortet. Wir beschlossen den Bewohnern das Erzählcafé als ein zeitlich begrenztes Angebot anzubieten.
Allerdings wurde mein Interesse und meine Motivation an dem Vorhaben begrüßt und dankbar angenommen.

Ich nutzte die Teilnahme am Teamgespräch vor allem dafür, die Mitarbeiter um Unterstützung bei der Suche nach potentiellen Bewohnern, die für ein Interview in Frage kämen, zu bitten.

Auf diesem Teamgespräch wurde vereinbart, dass die Angehörigen des Sozialen Dienstes eine Liste mit Namen von Bewohnern erstellen würden, die für ein Interview in Frage kämen. Die Liste der Namen und den dazugehörigen Wohnbereichen wurde mir bereits eine Woche später überreicht. Wir hielten es für angemessener, die Bewohner nicht unvorbereitet zu besuchen, sondern sie über die Möglichkeit der Teilnahme an einem Interview, durch ihnen vertraute Personen, zu informieren.

Das weitere Vorgehen gestaltete sich wie folgt:
Die Mitarbeiter suchten im Abstand von einigen Tagen jeweils zwei bis drei Bewohner auf, erzählten ihnen von mir und meiner Diplomarbeit und fragten nach der Bereitschaft zur Teilnahme an einem Interview. Bei Interesse an der Teilnahme wurde zwischen den Bewohnern und mir ein fester Termin vereinbart, so dass die Bewohner nicht unvermittelt aufgesucht wurden und auf meinen Besuch vorbereitet waren.

Ich beschloss, mir über die Interviews mit den Bewohnern ein genaueres Bild über die Realisierbarkeit und das Interesse an einem Erzählcafé zu machen und überlegte mir eine Alternative. Wenn das Vorhaben eines Erzählcafés auf Grund der Bewohnerstruktur scheitern sollte, plante ich, dem Bedürfnis der Bewohner zum Erzählen durch Einzelbesuche gerecht zu werden.

4.3     Das Interview mit den Mitarbeitern

4.3.1    Auswahl der Befragten

4.3.1.1 Begründung für Interviews mit Pflegedienstmitarbeitern

Die Pflegedienstmitarbeiter haben eine ganz besondere Bedeutung für die alten Menschen. Sie sind sozusagen ihre zweite Familie. Sie sehen sie nicht nur täglich über meist viele Jahre, sondern sie haben zu ihnen eine äußerst intime Beziehung. Sie werden morgens von ihnen geweckt und je nach Hilfebedürftigkeit gewaschen und angekleidet. Die Bewohner sind größtenteils abhängig vom Wohlwollen, der Freundlichkeit und den Kenntnissen des Pflegepersonals. Die Mitarbeiter helfen den Bewohnern dabei, aus dem Bett aufzustehen und sich mit den anderen Bewohnern zum Beispiel zu den Mahlzeiten gemeinsam an einen Tisch zu setzen. Sie ermöglichen ihnen also Mobilität und sozialen Kontakt. Neben der Hilfe bei der Nahrungsaufnahme, der Körperpflege und der medizinischen Versorgung sind sie Ansprechpartner für die Bewohner. Über sie erfahren sie auch Körperkontakt und Zuwendung. Deshalb möchte ich auch ein Interview mit einer Pflegedienstmitarbeiterin durchführen. Für mache Bewohner sind sie die einzigen Bezugspersonen.

4.3.1.2 Begründung für Interviews mit dem Sozialen Dienst

Zusätzlich möchte ich auch die Beschäftigten im sozialen Dienst über die Relevanz des Erzählens im Altenheim befragen.

Der Sozialpädagoge des Altenheims und die Ergotherapeutinnen hat / haben jahrelange Erfahrungen mit alten Menschen im Altenheim gesammelt. Sie beschäftigen sich neben den Pflegekräften, die hauptsächlich für die Körperpflege zuständig sind, täglich mit den sozialen Belangen der Heimbewohner. Sie führen Einzelgespräche und organisieren Gruppenangebote für die Bewohner. Gerade sie können mir über die Erzählgewohnheiten und das Bedürfnis der Alten zum Erzählen berichten.

Da sie schon viele Jahre im Haus arbeiten und die meisten Bewohner kennen, konnten sie mir Bewohner nennen, die für ein Interview in Frage kommen. Sie sprechen die Bewohner an, erzählen von mir und meiner Diplomarbeit und fragen sie, ob sie für ein Interview bereit wären. Sie wissen auch, welche Bewohner Interesse an einem Erzählcafé haben könnten. Über ihre Vermittlung werde ich also den ersten Kontakt zu den Bewohnern aufnehmen. Das halte ich auch schon deshalb für sinnvoll, da mich die meisten Bewohner nicht kennen. Wenn sie von einer von ihnen vertrauten Person gefragt werden, ob sie an einem Interview teilnehmen, fällt es ihnen sicherlich leichter, eine Zusage zu geben.

4.3.2    Methode der Befragung

Grundsätzlich besteht hier die Möglichkeit das Interview in Form eines strengen, chronologisch aufgebauten Fragebogens durchzuführen. Ich bevorzuge aber das freie Interview, damit die Befragten auch die Möglichkeit haben, Anregungen und für sie bedeutsame Aspekte mit einfließen zu lassen.
Ich werde die Befragung nach der Methode der „narrativen
[5]“ Interviews durchführen. Mein Ziel ist, etwas über die Bedeutung des Erzählens für Heimbewohner sowie für Mitarbeiter zu erfahren. Insgesamt habe ich lediglich einen Leitfaden ausgearbeitet, der als loses Gesprächskonzept dienen soll. Die Interviews sollen je nach Situation und Person ca. eine Stunde dauern. Die Interviews werden von mir, selbstverständlich nur mit Einverständnis der Befragten, mit einem Diktiergerät aufgenommen. Im Gegensatz zur schriftlichen Fixierung während der Befragung, habe ich hierbei die Möglichkeit, Blickkontakt zu den Befragten zu halten und ihnen intensiver zuzuhören. Hinzu kommt die Problematik, dass ich nicht so schnell schreiben kann, wie die Befragten sprechen und sie somit in ihrem Redefluss hemmen würde. Falls einer der Befragten mit der Aufzeichnung nicht einverstanden sein sollte, werde ich dies akzeptieren und mir nach dem Gespräch die wichtigsten Punkte aufschreiben. Allerdings bevorzuge ich die Aufnahme, da im nachhinein Details von mir vergessen werden könnten. Die Bewohner, sowie die Mitarbeiter werden vorher über den Sinn und Zweck und die genaue Verwendung des Interviews informiert. Sie werden darauf hingewiesen, dass die Aussagen anonymisiert verwendet werden.

4.3.3    Interviewfragen an die Mitarbeiter

·    Welchen Beruf üben Sie aus?

·    Seit wie vielen Jahren arbeiten Sie mit alten Menschen?

·    Welche Bedeutung hat Ihrer Meinung nach das Erzählen für einen Menschen? Welche Bedeutung hat es für Sie selbst?

·    Ist das Erzählen Ihrer Meinung nach besonders für Bewohner im Altenheim relevant? (Wie sieht das Leben im Altenheim aus?)

·    Mit wem sprechen die Bewohner gerne über Themen, die sie bewegen?

·    Welche Themen haben für die Bewohner eine besondere Bedeutung?

·    Glauben Sie, dass sich die Bewohner durch Erzählen „etwas von der Seele“ reden können?

·    Glauben Sie, dass die Bewohner genügend Ansprechpartner haben, um diesem Bedürfnis gerecht zu werden?

·    Glauben Sie, dass es im Alter wichtig sein kann, über das Erzählen sein Leben zu resümieren?

·    Kennen Sie Bewohner, die sich für Geschichten, Anekdoten und Gedichte interessieren? Welche Gedichte sind den Bewohnern aus ihrer Schulzeit bekannt?

·    Kennen Sie Bewohner, die selbst Geschichten, Gedichte oder Tagebuch schreiben oder geschrieben haben?

·    Kennen Sie Bewohner, die gerne Witze oder Rätsel erzählen?

·    Gibt es Bewohner, die alte Fotos von sich, ihrer Familie oder ihrer Heimat haben und dazu etwas erzählen könnten?

·      Können Sie Bewohner nennen, die eventuell an einer Gruppe teilnehmen würden, aber an den vorhandenen Gruppen kein Interesse haben?

·      Können Sie Bewohner nennen, die Interesse an einem Erzählcafé hätten? Glauben sie, dass sie Gedichte, Geschichten oder Anekdoten vortragen würden? Würden diese Bewohner auch Geschichten aus ihrem Leben erzählen?

·    Glauben Sie, dass es gerade für junge Menschen interessant wäre, diese Geschichten aus dem Leben der Alten zu hören?

·    Finden Sie die Lebensgeschichten der alten Menschen interessant?

·    Können wir aus dem Leben anderer und aus der Vergangenheit lernen?

4.4     Das Interview mit den Bewohnern

4.4.1    Auswahl der Befragten

Ich werde alle Bewohner interviewen, die mir von Seiten der Mitarbeiter, die schon viele Jahre im Haus arbeiten, genannt wurden. Dies habe ich bereits im Kapitel H4 näher erläutert.

4.4.2    Methode der Befragung

Ich werde die Befragung auch hier in Form eines „narrativen“ Interviews durchführen. Ich möchte dies hier etwas näher erläutern. Erstens werde ich das Interview selbst und mündlich durchführen. Mündlich deshalb, da ich dem persönlichen Gegenüber eine besondere Bedeutung beimesse und die Mündlichkeit gerade auch Thema der Diplomarbeit ist. Außerdem ist es sicherlich für die Bewohner mühsam, einen Fragenbogen in Schriftform zu beantworten. Der Ein oder Andere ist Analphabet, in der Sehkraft eingeschränkt oder kann auf Grund einer Lähmung oder anderer Erkrankungen nicht schreiben. Darüber hinaus glaube ich, dass die meisten Bewohner nicht in der Lage sind, einen Fragebogen selbstständig, ohne fremde Motivation beantworten zu können. Wahrscheinlich würde der Fragebogen verlegt, vergessen oder weggeworfen. Zusätzlich ist mir die schriftliche Befragung zu anonym. Ich erhebe nicht den Anspruch auf eine repräsentative Umfrage mit der daraus resultierenden großen Anzahl an Befragungen. Im Vordergrund steht für mich, nicht die Quantität an Interviews, sondern die Qualität bzw. das Eingehen auf den einzelnen Menschen. Ich werde die Bewohner in ihrer vertrauten Umgebung besuchen, sie persönlich befragen und mir vor allem auch Zeit für ein längeres Gespräch nehmen. Durch diese Vorgehensweise ist es mir möglich, bereits eine Auswahl an geeigneten Bewohnern zu treffen, die später an dem Erzählcafé teilnehmen könnten. Gleichzeitig lernen die Bewohner mich auf diese Weise schon etwas näher kennen und überwinden vielleicht dadurch die Hemmung, an einem Gruppentreffen teilzunehmen. Natürlich hoffe ich auch, durch diesen Besuch die Motivation an einem Erzählangebot teilzunehmen, zu fördern. Zweitens werde ich während der Interviews keinesfalls vorgefertigte Fragen in einer strengen Reihenfolge stellen. Durch meine Erfahrung mit alten Menschen in Institutionen, wie der Gerontopsychiatrie und Altenheimen, weiß ich, dass ich die Fragen in der Reihenfolge flexibel, einfach und für jeden individuell und verständlich formulieren sollte. Ich werde allerdings mein Grundgerüst im Hinterkopf behalten und in Form eines Gesprächs zu den verschiedenen Fragenstellungen überleiten, um somit den „roten Faden“ nicht zu verlieren. Neben den Fragen zu Alter und Aufenthaltsdauer im Heim werde ich auch nach den sozialen Kontakten der Bewohner fragen. Darüber hinaus wird die aktuelle persönliche Situation, das Leben im Heim und wie es dazu kam, thematisiert. Die Bewohner haben während des Interviews die Möglichkeit, über sich und ihre Vergangenheit zu erzählen. Am Ende des Gesprächs wird das geplante Erzählcafé näher erläutert und nach dem Interesse an der Teilnahme gefragt. Die Interviews sollen mir nicht nur Auskünfte über die „Relevanz des Erzählens“ geben, sondern vor allem zur Auswahl geeigneter Teilnehmer dienen.

4.4.3    Interviewfragen an die Bewohner

·      Wie alt sind Sie?

·      Seit wann leben Sie im Heim?

·      Fühlen Sie sich wohl hier?

·      Sind Sie freiwillig hier eingezogen oder zwangsläufig?

·      Fühlen Sie sich hier wohl?

·      Haben Sie genügend Ansprechpartner oder fühlen Sie sich oft allein?

·      Haben Sie noch Familie?

·      Haben Sie noch Bekannte außerhalb des Altenheims, die Sie besuchen?

·      Haben Sie Freunde?

·      Haben Sie guten Kontakt zu Mitbewohnern? Besuchen Sie sich auch ab und zu?

·      Mit wem unterhalten Sie sich am liebsten?

·    Worüber unterhalten Sie sich gerne?

·      Erzählen Sie gerne über sich selbst? Welche Bedeutung hat das für Sie? Wem erzählen Sie am liebsten über sich?

·      Haben Sie genügend Möglichkeiten zum Erzählen?

·    Haben Sie schon einmal etwas vor mehreren Leuten erzählt?

·    Welche Bedeutung hatte das Erzählen in ihrer Kindheit? Wurde in Ihrer Familie erzählt?

·    Hören Sie gerne etwas aus dem Leben anderer Menschen? Was kann das für Sie selbst bedeuten?

·    Glauben Sie, dass man durch Erzählen sich „etwas von der Seele reden“ kann?

·    Hören Sie gerne Geschichten, Märchen, Anekdoten oder Gedichte?

·      Schreiben Sie selbst Geschichten, Gedichte oder führen Sie ein Tagebuch? Haben Sie dies in früheren Zeiten getan? Würden Sie sich zutrauen diese Geschichten oder Gedichte vor anderen Bewohnern vorzutragen? Wenn nicht, wären Sie damit einverstanden, wenn ich diese vortragen würde?

·      Kennen Sie noch Gedichte aus der Schulzeit? Können Sie diese Gedichte noch auswendig oder würden sie diese vorlesen?

·    Haben Sie alte Fotos von Ihnen, von Ihrer Heimat oder Familie? Würden Sie andere Menschen an den Geschichten zu diesen Fotos teilnehmen lassen?

·    Würden Sie an dem Angebot eines Erzählcafés mit anderen alten Menschen hier aus dem Altenheim teilnehmen?

·    Kennen Sie noch jemanden, den Sie gerne dazu einladen würden?


5     Durchführung der Interviews

5.1     Mitarbeiter

Die folgenden Interviews mit den Mitarbeitern des Altenheims sind von mir sinngemäß und nur kurz im Überblick wiedergegeben.

Ich habe auch diese Interviews, mit Einverständnis der Mitarbeiter, mit dem Diktiergerät aufgenommen, zu Hause auf CD gebrannt und später dann wortwörtlich aufgeschrieben.

Die wortwörtlich aufgeschriebenen, ausführlichen Orginalinterviews sind, um den Lesefluss nicht zu beeinträchtigen und der Überschaubarkeit halber, im Anhang A ab Seite 222 dargestellt.

Jeder einzelne Mitarbeiter hatte die Möglichkeit, die von mir aufgeschriebenen Originalinterviews sowie die sinngemäße Darstellung der Interviews, vor der Darstellung in dieser Diplomarbeit, durchzulesen und ggf. nochmals zu bearbeiten. Im Überblick folgen die relevantesten Aussagen aus den Interviews:


5.1.1    Heimleiter

Der Leiter arbeitet seit dem 01.01.1991 als Heimleiter und Geschäftsführer im Altenheim „Haus X“.

Aufgabenbereiche als Geschäftsführer:

·        Verantwortung für die wirtschaftliche Lage des Hauses

·        Verantwortung für die Unternehmenspolitik, die von der Gesellschafterversammlung vorgegeben wird

·        Vertretung der Gesellschaft (gGmbH) im Rechtsverkehr, Vertretung als Organmitglied

 

Aufgabenbereich als Heimleiter:

·        Hausinterne Organisation

·        Übergreifende Verantwortung für sämtliche Dienstleistungsbereiche im Haus, Vorgabe von Richtlinien, während die Detailarbeit von den einzelnen Leitungskräften bestimmt wird.

·        Kann die Aufgabe als „Hausvater“ nicht wahrnehmen

·        Heimleitung ist eine reine Management- und Leitungsaufgabe

·        Hat nach eigenem Empfinden zu wenig Kontakt zu den Bewohnern

·        Macht auch Besuche bei Bewohnern, aber Kontinuität ist nicht möglich

 

Die Bedeutung des Erzählens aus der Sichtweise des Heimleiters:

·        Die Zeit für das Erzählen wird seit Einführung der Pflegeversicherung nicht anerkannt, keine Einplanung für zwischenmenschlichen Bereich

·        Erzählen (zwischenmenschlicher Bereich) ist wichtiger als vieles andere

·        Erzählen hat eine große Bedeutung für Bewohner

·        Erzählen bedeutet „Sich-anderen-mitteilen“

·        Erzählen ist Ausdruck von Beziehung und Beziehungsqualität

·        Erzählen ist besonders für alte Menschen wichtig, da sie rückwärts gewandt leben und nicht viele Zukunftsperspektiven haben.

·        Über das Erzählen wird eine lebendige Beziehung zum Gegenüber ausgedrückt

·        Bewohner haben auf Grund ihres Alters bzw. langen Lebens viel zu erzählen

·        Das Erzählen hat auch eine große Bedeutung für die Zuhörer, die aus dem Erfahrungsschatz der Alten profitieren können, dabei ist es wichtig den Alten richtig zuzuhören.

·        Beim Erzählen und gegenseitigem Mitteilen findet ein Lernprozess und ein Informationsaustausch statt

·        Auch ein Lerneffekt auf anderer Ebene findet statt: Die junge Generation kann lernen, sich mitzuteilen und erfahren, dass man erzählen kann.

·        Die Alten können uns etwas für die Zukunft mitgeben

·        Beim Erzählen haben alte Menschen ihr ganzes Leben im Blick und sehen fast an einem Ziel angekommen auf ihr Werk zurück.

·        Viele alte Menschen kommen selbst nicht auf die Idee ihr Leben zu resümieren.
Grund: mangelndes Selbstbewusstsein
Abhilfe: durch Ermunterung zum Erzählen und Hilfe beim Erkennen vom Wert des eigenen Lebens

·        Die Motivation für Bewohner von außen ist sehr wichtig, da sie zurückhaltend sind und sich selber nicht trauen

·        Viele Menschen haben das Erzählen verlernt, sie können sich nicht selber mitteilen.

·        Für Kinder ist es wichtig zu lernen, sich mitzuteilen

·        Es gibt einen Mangel an Kommunikation unter den Bewohnern.
Begründung: Scheu und durch zwangsläufiges Leben im Heim, unglückliche Konstellation der Bewohner in einem Zimmer.
Abhilfen: Person einsetzen, die ermuntert, Ängste und Scheu nimmt und Interaktion fördert.

·        Erzählen hilft, zu neuen Sichtweisen zu kommen.

·        Terminus „Erzählen“ ist in der Gesellschaft negativ besetzt, positive Assoziationen sollten mit dem Wort neu verknüpft werden

·        Es gibt einen Mangel an Angeboten zum Erzählen für die Bewohner

·        Alt sein ist in der Gesellschaft negativ belastet. Die Beschäftigung mit Alten wird von der Gesellschaft vermieden, das Altenheim ist ein Ghetto.

·        Personal kann dem Bedürfnis des Erzählens aus zeitlichen Gründen nicht gerecht werden: Änderung der Situation ist dringend erforderlich.

 

Das Originalinterview befindet sich im Anhang A1 (Seite 222 ff).

5.1.2    Sozialpädagoge

Der Diplom-Sozialpädagoge arbeitet seit 8 Jahren als Leiter des Sozialen Dienstes im Altenheim „Haus X“.

Sein Aufgabenbereich umfasst:

·        Leitung des Sozialen Dienstes

·        Leitung der Beschäftigungstherapie

·        Vertretung der Heimleitung

·        Aufnahmen der Bewohner, auch Erstgespräche führen und die Entscheidung über eine Aufnahme treffen (Integrationsförderung)

·        Angehörigenarbeit

·        Betreuungsanregungen vom Amtsgericht
Berichte schreiben / Stellungnahmen für das Amtsgericht

·        Wöchentliche Sprechstunde

·        Wöchentliche Präsenz auf den Wohnbereichen (Bewohnergespräche)

·        Adäquate Ansprechstelle bei Problemen und Weitervermittlung zu anderen Ansprechpartnern

·        Hausbesuche vor Aufname der Bewohner und Krankenhausbesuche der Bewohner

·        Zusammenarbeit mit allen Berufsgruppen: Pflegekräfte, Ergotherapeuten , Ärzte, Pastoren, andere externe Sozialdienste, Amtsgericht, Betreuungsbehörde und medizinische Sachverständige

·        Organisation von Festen

·        Öffentlichkeitsarbeit (Zeitungsartikel, Präsentation des Hauses, Suche nach Sponsoren und Ehrenamtlichen)

·        Das Durchführen und Planen von Freizeiten

·        Hausführungen

 

Die Bedeutung des Erzählens aus Sicht des Sozialpädagogen:

·        Bewohner, die sich verbal nicht mehr äußern können, geben Signale in anderer Form von sich, es ist wichtig diese aufzufangen.

·        Tägliche Gespräche sind wichtig zur Begleitung nach der Aufnahme und zur Integrationsförderung.

·        Für die Bewohner ist ein Telefon auf dem Zimmer sehr wichtig, um Außenkontakte zu halten und um sich mitzuteilen.

·        Ansprechpartner für die Bewohner sollten sein: vor allem Angehörige, Pflegekräfte und Sozialer Dienst

·        Kommunikation unter den Bewohnern ist nur ansatzweise vorhanden.
Begründung: fehlendes Vertrauen, gestörte Kommunikation.

·        Dem Bedürfnis nach Erzählen kann nicht nachgekommen werden.
Begründung: mangelnde personelle Besetzung und mangelnde Vorbildung der Mitarbeiter bei psychoanalytischen Inhalten.
Folge: Bewohner haben zu wenig Ansprechpartner.

·        Bewohner haben fast alle ein starkes Bedürfnis nach Bindung, Beziehung und Erzählen.

·        Bewohner erzählen auch mimisch, gestisch und in Form von Körperhaltung oder durch Geräusche.

·        Erzählen ist wichtig, um eigene Bedürfnisse zu äußern.

·        Für einige Bewohner bedeutet Erzählen ihr Leben zu resümieren und es durch Erzählen zu reflektieren.

·        Erzählen ist für mich primär Informationsvermittlung.

·        Es gibt geschlechtspezifische Unterschiede beim Erzählen: Frauen sind offener im Austausch, Männer reflektieren für sich selbst.

·        Es gibt kulturelle Unterschiede beim Erzählen.

·        Es gibt berufsgruppenabhängige Unterschiede beim Erzählen.

·        Erzählen schafft Atmosphäre.

·        Erzählen wird wichtiger, wenn man, so wie die Bewohner, nicht die Möglichkeit dazu hat.

·        Erzählen ist in sozialen Berufen sehr wichtig.

·        Thema der Erzählungen der Bewohner ist oft die Selbstdarstellung. Erzählen bietet den Bewohnern die Möglichkeit, sich selbst positiv darzustellen.

·        Erzählen ist hilfreich, um die Bewohner besser kennenzulernen, Distanz abzubauen und sich gegenseitig zu öffnen.

·        Erzählen hilft Respekt für Bewohner aufzubauen.

·        Erzählen bedeutet: vom früheren, besseren Leben zu träumen, in Erinnerungen zu schwelgen und sich vom Heimalltag zu entfernen.

·        Erzählen ist Erfahrungsaustausch: aber Lebenserfahrung muss primär durch eigene Erfahrungen erworben werden.

·        Erzählen eröffnet neue Sichtweisen und ermöglicht neue Verknüpfungen von Erfahrungen.

Originalinterview befindet sich im Anhang A 2 (Seite 230 ff).

5.1.3    Altenpflegerin

Die gelernte Altenpflegerin und stellvertretende Wohnbereichsleiterin arbeitet seit 2 Jahren im Haus X.

Ihre Aufgabenbereiche umfasssen:

·      Sachkundige, der Pflegeplanung und den Pflegestandards entsprechende Durchführung der Grundpflege

·      Hilfestellung bei der Ernährung und im Bereich der Mobilität

·      Verantwortung für die Behandlungspflege der Bewohner

·      Pflege von schwerkranken und schwerstpflegebürftigen und Begleitung von sterbenden Bewohnern

·      Durchführung von Reinigungsbädern

·      Sachgerechte Durchführung der Pflegedokumentation einschließlich der Leistungserfassung

·      Stellung der Medikamente

·      Beobachtung und Beurteilung der körperlichen und psychischen Verfassung der Bewohner und des jeweiligen sozialen Bezugsfeldes

·      Seelsorgerische Begleitung Pflegebedürftiger und ihrer Angehörigen

·      Eingehen auf persönliche Bedürfnisse, Probleme und Ereignisse

·      Hilfe bei der Motivierung und Mobilisierung der Bewohner

 

Die Bedeutung des Erzählens aus Sicht der Altenpflegerin:

·      Erzählen ist sehr wichtig für den Menschen - es bedeutet sozialen Kontakt.

·      Erzählen ist Sprechen, Kommunizieren und Sich-mitteilen, egal auf welche Art und Weise, ob verbal oder taktil über die Haut oder mit den Augen

·      Erzählen ist lebensnotwendig, wer nicht die Möglichkeit dazu hat, der stirbt.

·      Erzählen ist wie das tägliche Brot.

·      Alte Menschen, vor allem Heimbewohner, brauchen besonders viel sozialen Kontakt, denn sie leben sozial zurückgezogen und durch die Institution isoliert. Dazu kommen Körperbehinderungen, Krankheiten, Gebrechen und Demenzen, die die Isolation verstärken.

·      Erzählen ist wichtig bei der Sterbebegleitung. Wenn der Bewohner einen Ansprechpartner braucht, sollte jemand da sein, der zuhört, die Hand hält, streichelt, Blickkontakt hält und Trost spendet.

·      Erzählen ist gerade für Alte besonders wichtig, da sie vor ihrem Tod ihre Sachen ordnen wollen „Sie wollen einen unaufgeräumten Schreibtisch aufräumen.“
Sie möchten Wichtiges klären, etwas loswerden oder sich versöhnen.

·      Für viele Alte ist es wichtig, vom Tod zu sprechen, um sich darauf vorzubereiten.

·      Bewohner erzählen gerne von früher. Das Kurzzeitgedächtnis ist eingeschränkt, aber Erinnerungen aus dem Langzeitgedächtnis sind noch vorhanden.
Durch Erinnern an frühere Zeiten wird das Langzeitgedächtnis trainiert. Erinnerungen können durch Symbole hervorgerufen werden, dann erzählen die Bewohner und kommen „von Hölzchen auf Stöckchen“.

·      In der Altenpflegeausbildung haben wir uns auch mit dem Erzählen mit den Bewohnern beschäftigt. Wir haben verschiedene Wege gefunden, um die Bewohner zum Erzählen zu motivieren.

·      Gespräche mit Alten sind wichtig: Aus der Vergangenheit lernen wir für die Zukunft. Ganze Kulturen entwickeln sich so.

·      Viele Menschen interessieren sich nicht für existenzielle Dinge, wie das Erzählen mit alten Menschen.

·      Die Bewohner erzählen gern Gedichte aus der Kinder- und Jugendzeit, die sie auswendig gelernt haben.

·      Nur wenige Bewohner trauen sich, vor einer Gruppe etwas zu erzählen oder ein Gedicht aufzusagen. Begründung: Sie können nicht laut sprechen und haben Angst nicht verstanden zu werden. Sie haben Angst vor Blamage und zu wenig Selbstwertgefühl, um sich zu präsentieren.

·      Ob Interesse an einem Erzählcafé besteht, sollte man ausprobieren. Allerdings sind die Bewohner dies nicht gewöhnt und müssen dazu motiviert werden, aber am Ende würde es ihnen sicher Spaß machen und sie bereichern.

·      Bewohner sind durch die Isolierung, ihrer Abhängigkeit von Pflegekräften und durch die geringe Ansprache, auf Grund der mangelnden personellen Besetzung unzufrieden und meckern oft. Sie werden auch teilweise aggressiv. Vielleicht kann Erzählen ein Ventil sein.

·      Bekommen die Bewohner keine Zuwendung, dann holen sie sich diese auch teilweise über negatives Verhalten, zum Beispiel durch permanentes Schellen oder Schimpfen. Sie brauchen dringend Aufmerksamkeit. Durch Erzählen kann ihnen diese Zuwendung gegeben werden und sie würden zufriedener und weniger aggressiv.

·      Beim Erzählen mit Bewohnern ist eine professionelle Beziehung gefragt. Es besteht die Gefahr, sich in die Abhängigkeit zu begeben. Man sollte sich emotional nicht zu sehr in die Lebensgeschichten hinein begeben und im Kontakt zu den Bewohnern sich nicht selber aufgeben. Die Folge können Schuldgefühle („Ich habe nicht genug getan“), „Burn-out-Syndrom[6]“ und im schlimmsten Fall Selbstmord sein.

·      Nähe aufbauen und Distanz wahren ist in der Arbeit mit alten Menschen sehr schwierig. Man muss diesen schmalen Grad finden und den Bewohnern fair und gerecht gegenüber treten.

 

Originalinterview befindet sich im Anhang A 3 (Seite 246 ff).

5.1.4    Ergotherapeutin

Die ausgebildete Arbeits- und Beschäftigungtherapeutin (Ergotherapeutin) arbeitet seit Beendigung ihrer Ausbildung 1981 im Alten- und Pflegeheim „Haus X“.

Aufgabenbereiche:

·        Überwiegend Gruppenangebote für die Bewohner: Planung und Durchführung.
Inhalt der Gruppenangebote der Ergotherapie: Gymnastik, Basteln, Singen, Gedächtnistraining, Musik, aktuelle Themen usw.

·        Gelegentlich auch Einzelbetreuung

 

Die Bedeutung des Erzählens aus Sicht der Ergotherapeutin:

·        Die Bewohner haben ein großes Bedürfnis zu erzählen.

·        Die Bewohner erzählen gerne über sich selbst.

·        Erzählen ist wichtig für sie, um ihren Herzen „Luft zu machen“.

·        Die Themen handeln meist von der Vergangenheit. Begründung: über Aktuelles sind sie weniger informiert und sie erleben nicht mehr sehr viel.

·        Erzählen gibt ihnen das Gefühl, wichtig zu sein. Sie empfinden Stolz, wenn sie uns Dinge erzählen, die wir noch nicht wissen.

·        Das Leben zu resümieren steht nur bei wenigen im Vordergrund. Das ist auch auf Grund der schlechten personellen Besetzung bei der Einzelbetreuung sowie in einer großen Gruppe nicht möglich.

·        Lebensgeschichten alter Menschen sind für Mitarbeiter sehr wichtig. Begründung: besseres Einfühlen in die Bewohner ist möglich.

·        Durch Erzählen bekommt man Respekt vor den Bewohnern.

·        Lebensgeschichten alter Menschen helfen, ihn in seiner Ganzheit zu betrachten.

·        Die Bewohner erzählen vor allem, um etwas loszuwerden.

·        Die Bewohner wollen über das Erzählen Wissen mitteilen.

·        Die Bewohner bekommen über das Erzählen Anerkennung.

·        Die Bewohner unterhalten sich untereinander kaum. Begründung: gestörte Kommunikation und sie haben sich ihre Mitbewohner nicht selbst ausgesucht.

·        Gespräche unter den Bewohnern sind nur kurze Dialoge.

·        Bewohner brauchen, um miteinander kommunizieren zu können, Motivation von außen.

·        Bei vielen Bewohnern könnte das Vegetieren durch Ansprache von außen verhindert werden.

·        Die junge Generation kann durch Erzählen von den Alten lernen.

·        Die Geschichten der Alten sind interessant und spannend.

·        Alte Menschen kann man als Vorbilder sehen.

·        Erzählen hilft den Bewohnern zu anderen Sichtweisen zu gelangen.

·        Über das Erzählen kann dem Bewohner Aktuelles vermittelt werden.

·        Erzählen bedeutet mir persönlich sehr viel: Erzählen, was mich belastet, schimpfen und dabei Dampf ablassen, Austausch über Situationen und Menschen. Durch das Äußern muss man nicht alles „runterschlucken“, der Zuhörer kann einen beruhigen.

·        Erzählen erinnert mich an meine Kindheit, es vermittelt Atmosphäre und Gemütlichkeit.

·        Das Erzählen plane ich in meinen Tagesablauf für meine Kinder immer feste ein.

·        Neue Medien bieten viel Informationen und Unterhaltung, deshalb ist das Erzählen abhanden gekommen.

·        Menschen scheuen sich vor dem Erzählen, da sie an professionelle Literatur denken.

·        Erzählen steht für zwischenmenschliche Beziehung und dem Erzählen sollte noch mehr Bedeutung zugewiesen werden.

 

Das Originalinterview befindet sich im Anhang A 4 (Seite 255 ff).

5.1.5    Arzt

Der Arzt hat in Musterstadt Musterhausen eine Praxis und ist Hausarzt vieler alter Menschen. Er betreut seit vielen Jahren einige Bewohner im Altenheim Haus X und kommt regelmäßig ins Haus.

Die Bedeutung des Erzählens aus Sicht des Arztes:

·      Erzählen kann gar nicht wichtig genug genommen werden.

·      Bei Hausbesuchen höre ich oft von alten Menschen, dass sie sich allein gelassen fühlen

·      Falls die alten Menschen noch Familienangehörige haben, die sich um sie kümmern, organisieren diese meist nur um die Person herum: Einkaufen, Medikamente besorgen, Kleidung, im Haushalt helfen, usw., aber um die Person selbst wird sich nicht gekümmert. Die Menschen nehmen sich nicht die Zeit, intensiv mit den alten Menschen zu reden.

·      Gespräche sind für Menschen oft wichtiger, als vieles andere.

·      Menschen haben verlernt zu erzählen. Entweder haben sie keine Zeit mehr oder sie haben keine Geduld und kein Gefühl dafür. Sie gehen schwierigen Themen lieber aus dem Weg und führen nur kurze, oberflächliche Dialoge mit den alten Menschen.

·      Die Gesellschaft nimmt das Erzählen, also das miteinander sprechen, nicht so wichtig, wie es eigentlich ist.

·      Es ist gerade für die junge Generation wichtig, den Alten zuzuhören, aber die Jugend hat meist kein Interesse und keine Zeit zuzuhören. Aber wenn die Jugend alt geworden ist, dann möchte sie auch, dass die Jungen sich Zeit zum Zuhören nehmen.

·      Unsere Gesellschaft ist sehr schnelllebig und es wird heute zu viel Wert auf materielle Dinge gelegt: welchen Status man erlangt hat, wieviel man verdient und was man sich leisten kann.

·      Die Menschen haben verlernt, sich auf die wesentlichen Dinge zu besinnen und sich auf das Existenzielle zu konzentrieren. Gespräche mit Alten sind sehr wichtig, um sich zu besinnen.

·      Über die Zeit, die wir mit alten Menschen verbringen und Gespräche, die wir mit Ihnen führen, lernen wir wieder, über Existenzielles nachzudenken.

 

Dieses Interview wurde nicht mit dem Diktiergerät aufgenommen, da es sich spontan während eines Gespräches ergab.

Mit Einverständnis des Arztes wurde das Interview nach dem Gespräch stichpunktartig von mir aufgeschrieben.


5.2     Bewohner

Ich habe von den 106 Bewohnern des Alten- und Pflegeheims 20 Personen befragt.
Diese Bewohner waren, nach Kontaktierung durch ihnen vertraute Mitarbeiter, dazu bereit und verbal in der Lage, an den Interviews teilzunehmen.
Alle 20 Bewohner waren mit der Aufzeichnung des Interviews einverstanden. Die Interviews dauerten jeweils mindestens eine Stunde bis maximal 2¼ Stunden. Jedes einzelne Gespräch wurde von mir auf CD gebrannt und später wortwörtlich abgeschrieben.

Im Folgenden möchte ich einen Überblick über soziographische Daten zu den Bewohnern geben. Es würde den Rahmen der Diplomarbeit sprengen, die Interviews wortwörtlich oder sinngemäß wiederzugeben. Interessant sind neben den soziographischen Daten, die Beantwortung zur Relevanz des Erzählens und die Frage der Teilnahme am Erzählcafé. Zusätzlich erzählten die Bewohner mir sehr viel aus ihrem Leben und ihrer Vergangenheit. Allein die Tatsache, dass sie mir als fremde Person fast alle sehr viel Persönliches erzählt haben, spricht schon für die Bedeutsamkeit des Erzählens. Ich hatte das Gefühl, dass die Bewohner ein sehr großes Mitteilungsbedürfnis haben, was sich auch daran bemerkbar machte, dass die Gespräche sehr lange dauerten und sie immer wieder von sich aus neue Erinnerungen oder Probleme thematisierten. So gestaltete es sich für mich als schwierig, den geeigneten Zeitpunkt zum Abbruch des Interviews zu finden. Die Bewohner waren alle sehr offen und beantworteten gerne meine Fragen.

Um die soziographischen Daten und Aussagen besser ordnen und im Überblick darstellen zu können, habe ich mich für die graphische Auswertung entschieden. Hierfür reduzierte ich die Interviews nach einigen, mir wichtigen Gesichtspunkten und wertete sie graphisch aus.

Von den befragten Bewohnern waren 19 Personen weiblichen und 1 Person männlichen Geschlechts. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass insgesamt nur sehr wenige Männer im Heim leben. Von diesen männlichen Heimbewohnern kamen nur wiederum sehr wenige für das Interview in Frage.

5.2.1    Altersstrukur der befragten Bewohner

Abbildung 10 Auswertung Alter der Befragten

 

Von den 20 befragten Bewohnern ist der überwiegende Teil (55%) über 86 Jahre alt. 10% der Befragten sind unter 75 Jahre.

5.2.2    Aufenthaltsdauer der befragten Bewohner im Heim

Abbildung 11Auswertung Aufenthaltsdauer im Heim

 

Über 60% der befragten Bewohner leben bereits über 5 Jahre im Altenheim. Nur 10% der Bewohner leben weniger als ein Jahr dort. Man erkennt, dass die Bewohner nach Einzug durchaus noch längere Zeit leben. Ziel der sozialen Arbeit sollte es sein, den Bewohnern ihre Aufenthaltszeit so angenehm wie möglich zu gestalten, da die Verweildauer eine nicht vernachlässigbare Zeitspanne im Leben dieser Menschen darstellt.

Beim Gespräch über den Einzug in das Heim stellte sich heraus, dass 18 der befragten Bewohner zwangsläufig einzogen. Nur lediglich zwei Bewohner entschieden den Einzug auf eigenen Wunsch. Allerdings gaben alle 20 Bewohner an, dass das Heimleben zwar kein Ersatz für ihr Zuhause sei, sie sich aber trotzdem wohl fühlen und unter Berücksichtigung der Gegebenheiten in diesem Heim sehr zufrieden sind.

5.2.3    Art der Sozialkontakte

Abbildung 12 Auswertung Sozialkontakte

 

Aus der obigen Tabelle sind die einzelnen Sozialkontakte, unterschieden nach Familie, Bekanntenkreis, Freunden und Mitbewohnern pro Befragten ausgewiesen. Aus der Summe der einzelnen Sozialkontakte (z.B.: Familie mit 36) ergibt sich unter Berücksichtigung der Anzahl der Befragten (20 Personen) eine durchschnittliche Anzahl an Sozialkontakten pro Kategorie (z.B.: Familie 1,8). Somit stehen jedem Bewohner durchschnittlich 1,8 Sozialkontakte zu Familienangehörigen zur Verfügung. Insgesamt haben die befragten Bewohner jeweils durchschnittlich zu 4,25 Personen Sozialkontakte. Die Aufteilung der Sozialkontakte nach den Kategorien ist auch aus dem beigefügten Diagramm ersichtlich. Die ausgewiesenen Sozialkontakte berücksichtigen lediglich die tatsächlichen Kontakte der einzelnen Bewohner und nicht die zum Beispiel noch lebenden Familienangehörigen. Unter der Kategorie „Bekannte“ sind alle Sozialkontakte zusammengefasst, die nicht in eine der anderen Kategorie aufgelistet sind, wie zum Beispiel Betreuungspersonen.
Die Kontakte zu den Mitbewohnern beinhalten keine allgemeinen und zufälligen Begegnungen, da diese zwangsläufig durch die Beengtheit des Lebensraumes unausweichlich sind. Vielmehr beziehen sich diese Kontakte auf Freundschaften, bei denen man sich untereinander besucht.
Die Kontakte zu den Mitarbeitern des Hauses wurden bei der Auswertung nicht berücksichtigt, da diese bei allen Bewohnern im Rahmen der beruflichen Tätigkeit täglich bestehen. Zur Intensität dieser Kontakte sei erwähnt, dass sie, nach Angaben der meisten Bewohner in den Interviews, keinesfalls ihren Bedürfnissen gerecht werden.
Aus der Auswertung ist zu erkennen, dass die Familie den größten Teil der sozialen Kontakte gewährleistet.

Aus den Interviews ging hervor, dass die durchschnittliche Gesamtanzahl von 4,25 Personen pro Bewohner als zu gering erachtet wird. Zumal ist zu berücksichtigen, dass sich diese Kontakte nicht täglich, sondern teilweise in großen Abständen ergeben.

Für mich ergibt sich hier die Feststellung, dass die Bewohner zu wenig Ansprache erhalten und wenige Personen haben, mit denen sie sich austauschen können. Ferner ist fraglich, ob die 4,25 Kontakte pro Bewohner geeignet sind dem Bedürfnis nach Erzählen in Art und Dauer gerecht zu werden.

5.2.4    Die Relevanz des Erzählens

Abbildung 13 Auswertung Relevanz des Erzählens

Jeweils ein Bewohner wollte zu den Fragen entweder keine Angaben machen oder war nicht in der Lage diese zu beantworten. Die beiden letzten Fragen wurden nur den Personen gestellt, die die 2. Frage mit „Ja“ beantwortet haben. Somit ist zu erklären, weshalb die letzten beiden Fragen in der Summe nicht 20 ergeben. Es gab sechs Bewohner, die sehr gerne erzählen und überwiegend angaben, ihr Bedürfnis nach Erzählen würde nicht befriedigt. Dennoch wollten sie nicht an einem Erzählcafé teilnehmen, da sie entweder Hemmungen hatten, vor einer Gruppen zu erzählen oder aber weil sie als Gesprächspartner eine ihnen vertraute Person vorzogen. Einige Bewohner erwähnten auch, dass sie sich über weitere Besuche von mir freuen würden und diese Art des Erzählkontaktes bevorzugen.

Ich werde die Bewohner, die sich für ein Erzählcafé ausgesprochen haben, für die Planung der einzelnen Nachmittage berücksichtigen.

 

 

 


I    Erzählcafé Recherche und Vorbetrachtungen

1     Stadtteilbezogene Erzählarbeit

Lutz von Werner beschreibt in seinem Kapitel „Erfahrungen aus der stadtteilbezogenen Erzählarbeit“ das alltägliche Erzählen und die Möglichkeiten die es in der stadtteilbezogenen Erzählarbeit gibt. Es wurden die unterschiedlichsten Angebote gemacht, die ich im Folgenden nun beschreiben möchte.

Unter alltäglichem Erzählen versteht Lutz von Werner den Austausch von Erfahrungen, Interessen und Motivationen. Auch Krisen des Alltags im Beruf, in der Familie, im Bezug auf Arbeitspaltzverlust oder sozialen Ärger, werden thematisiert. Auch Reisen, Liebesabenteuer, Tod, Politik und Krieg sind Themen des Alltags.

Erzählungen bringen die Lebenswelt der Menschen zum Ausdruck. Er beschreibt die Erfahrungen aus der stadtteilbezogenen Erzählarbeit. Durchgeführt wurden zum Beispiel ein Erzählstadtspiel in einem Stadtteil, an dem die Bewohner sich an einem festgelegten Ort treffen und zum Stadtteil erzählen. Die Geschichten repräsentieren das mündliche Gedächtnis des Stadtteils. Sie aktivieren Nachbarschaftsbeziehungen und wehren soziale Isolation und Desintegration ab, in dem neue Kontakte hergestellt werden können. Es wird von wichtigen Ereignissen der Stadtteilgeschichte und über Biographien der Bewohner gesprochen.

Es wurden auch Erzählaktionen in Form von Hausbesuchen in einer Straße durchgeführt. Die Bewohner der Straße wurden dann zum Abschluss in die Kneipe eingeladen, um dort über die Straßengeschichte mit Fotos und Interviews zu erzählen. Dieses kollektive Gedächtnis bringt die Gegenwart in ein neues Licht.

Ein Stück Lokalgeschichte kann durch die Filmerzählarbeit geschaffen werden. Filme aus der deutschen Filmproduktion werden an einem Ort gezeigt, und nach der Vorstellung kann bei Kaffee und Kuchen diskutiert werden und eigene Lebensgeschichten können zur Sprache kommen.

Eine weitere Form ist die Ausschreibung eines Erzählwettbewerbs. Der Aufruf sollte in einfacher Sprache formuliert sein und die Höhe der Prämie und die Form der Veröffentlichung sollte bekannt gegeben werden. Auch sollte deutlich gemacht werden, dass nicht der schöne Stil ausschlaggebend ist, sondern ein lebensechter Inhalt.
Dies wurde zum Beispiel 1977 von der Kölner Werkstatt der Literatur der Arbeitswelt zum Thema „Leben in Köln“ durchgeführt. Die Geschichten erschienen dann in der lokalen Zeitung.

Eine weitere Möglichkeit ist das reisende Erzählprojekt. Es geht auf die Leute mit Themen zu aktuellen und geschichtlichen Problemen im Stadtteil zu. Die Zuschauer können mit Erzählungen über den Stadtteil selbst aktiv werden.

Wirksam in der Stadtteilerzählarbeit ist auch das Erzählcafé. In der Stadtteilzeitung kann für Besucher geworben werden, die selbst geschriebene Geschichten mitbringen, vorlesen oder mündlich erzählen. Es kann bei Kaffee und Kuchen diskutiert werden. [von Werner, L.: Stadteilbezogene Erzählarbeit in [30]]

2     Was ist ein Erzählcafé

2.1     Recherche im Internet

Bei der Recherche im Internet fand ich in Deutschland einige Erzählcafés, die ich kurz vorstellen möchte:

2.1.1    Zwei Kölner Erzählcafes:

Zwei türkisch-deutsche, beziehungsweise multinationale, Seniorenerzählcafés befinden sich in den rechtsrheinischen Kölner Stadtteilen Kalk und Deutz.

Gastgeber des Erzählcafés Köln-Kalk ist der türkische Altenclub der AWO. Die türkischen Senioren und Gastgeber zeigen sich sehr aufgeschlossen und empfangen und bewirten die deutschen Gäste sehr gerne. Der Sozialberater des Cafés ist der Auffassung, für die türkischen Senioren sei dies deshalb so wichtig, da sie sich in Deutschland nicht als Gastgeber, sondern immer nur als Gast empfinden.

Das andere Erzählcafé mit multinationalem Anspruch befindet sich im Bürgerhaus in Köln-Deutz. Thematisiert werden der Alltag in Deutschland und Lebenserinnerungen. Eine Herausforderung ist, dass in den unterschiedlichsten Muttersprachen erzählt wird, die von den anderen Gästen nicht verstanden werden können. Deshalb ist es wichtig, sich nicht nur auf das miteinander Reden zu beschränken, sondern durch gemeinsame Tätigkeiten die sprachlichen und kulturellen Barrieren zu überwinden. [63]

2.1.2    Ein Erzählcafé in Wuppertal

Schülerinnern und Schüler der Friedrich-Bayer Realschule in Wuppertal gründeten gemeinsam mit zwei Lehrerinnen ein Erzählcafé. Es steht immer unter einem neuen Motto, wie zum Beispiel: „Schulen in der Vergangenheit“. Es werden Menschen eingeladen, die etwas Interessantes zum Leben in Wuppertal erzählen können. Ziel des Erzählcafés ist es auch, informative und vergnügliche Nachmittage in Gemeinschaft zu verbringen. [60]

2.1.3    Erzählfestival in der Akademie Musterstadt

Anfang Juni 1999 fand das 2. Internationale Erzählfestival in der Akademie Musterstadt statt. Kurse gaben die Möglichkeit, das Geschichtenerzählen als lebendige Kommunikation wieder zu entdecken. Professionelle Erzähler und Erzählerinnen boten dazu Einblick in ihre Methodenwerkstatt. Neben Work-shops, zum Beispiel Erzählen mit Alltagsgegenständen, zu Bildern oder mit schauspielerischen Mitteln, luden Erzähler aus aller Welt zu Erzählnächten ein. Es fanden nicht nur Auftritte in Musterstadt, sondern auch in ganz NRW statt. Darüber hinaus gab es Kurse für Lehrer und Lehrerinnen, pädagogische Fachkräfte und Bibliothekarinnen zur methodischen Übertragung auf die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.

Ende des Jahres findet, ebenfalls in der Akademie, ein Werkstattkurs mit dem Thema: „Reden über das eigene Land“ statt. Im Mittelpunkt steht die Auseinandersetzung mit der Heimat. Es werden Heimatgeschichten geschrieben und erzählt. [53]

2.1.4    Das DRK-Erzählcafé in Hürth

Das DRK-Erzählcafé veranstaltet Erzählnachmittage mit Kaffee und Kuchen. Erinnerungen an DRK-Einsätze werden von Ehemaligen und noch Aktiven ausgetauscht. Auch mitgebrachte alte Bilder tragen zu Erzählungen bei. Der Nachmittag steht meist unter einem bestimmten Motto und es werden Gäste eingeladen. [57]

2.1.5    Das Erzählcafé in Limburg

In der Cafeteria des Wichternstiftes in der Kreisstadt Limburg werden Erzählcafés in loser Reihenfolge veranstaltet. Veranstalter ist die Initiative 3. Lebensalter und der Magistrat der Kreisstadt Limburg. Ein Moderator führt in das Thema ein, das daraufhin von den Teilnehmern durch Geschichten und Anekdoten ergänzt wird. Die Veranstaltungsreihe richtet sich vor allem an ältere Menschen und die Einladungen erfolgen über die heimische Presse, Plakate und Handzettel. [54]

2.1.6    Erzählcafe Frankfurt

Die Goethe-Universität „Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie“ veranstaltet in Kooperation mit dem „Institut für Stadtgeschichte“ in Frankfurt ein Erzählcafé. Veranstaltungsort ist das „Institut für Kulturanthropologie“. Berichtet wird im Internet lediglich über eine vergangene Erzählveranstaltung zum Thema „Heimat an vielen Orten“. Sie wurde von einer Schriftstellerin, die im Altenheim lebt, für alle Interessierten veranstaltet. [55]
Darüber hinaus gibt es in Frankfurt noch ein weiteres Erzählcafé am Rothschildpark, über das im Internet keine genaueren Angaben gemacht werden. [62]

2.1.7    Erzählcafé in der Volkshochschule Leipzig

Das Erzählcafé der Volkshochschule wird seit einem Jahr von Studenten des Lehrstuhls für Erwachsenenpädagogik durchgeführt und findet immer mehr Zuspruch. Zielgruppe der Erzählcafés sind überwiegend Senioren, aber es nehmen auch Hausfrauen, Arbeitslose und jüngere Menschen teil. Sehr viel Anklang findet ein Seminar zum Thema Erzählcafé, das von zwei Studentinnen am Lehrstuhl für Erwachsenenpädagogik der Universität Leipzig durchgeführt wird.

2.1.8    Das Erzählcafé der Volkshochschule Augsburg

Erinnerungen und Erlebnisse zu zeitgeschichtlichen Ereignissen werden ausgetauscht und erörtert. Ein aktiver Teilnehmer berichtet als Zeitzeuge zum jeweilig vorher bestimmten Thema, um dann auch andere zum Erzählen anzuregen. Themen sind unter anderem: Schwarzmarkt, Währungsreform, Besatzungszeit, Entnazifizierung und Lebensberichte. Geladen sind alle Menschen, die erzählen oder zuhören wollen. [61]

2.1.9    Das Erzählcafé der Seniorenvereinigung Papenburg

Die Pflegekonferenz in Meppen schreibt im Internet vom Ziel der Verbesserung des generationsübergreifenden Dialoges. Sie berichtet vom positiven Ansatz des Erzählcafés der Seniorenvereinigung in Papenburg und vom Generationentreff im Pflegeheim Sögel. Sie plädieren für eine vermehrte Umsetzung dieser positiven Ansätze. [66]

2.2     Literaturrecherche

Ich möchte das Erzählcafé am „Berliner Wedding“ unter Berufung auf Literatur zur sozialen Arbeit vorstellen.

1977 entdeckte C. Wolfgang Müller, Professor für Sozialpädagogik an der TU-Berlin, zufällig eine Veranstaltung in einer leerstehenden Fabrikhalle in den Südstaaten. Junge und alte Menschen saßen dicht beisammen gedrängt und erzählten. Es war ein Abend der Veteranen des Südstaaten-Jazz. Die Erzähler waren ehemalige Stars, wie zum Beispiel eine alte Pianistin, die im Rollstuhl hereingefahren wurde. Die Erzähler waren sichtbar gealtert, aber ihre Lebensfreude wirkte frisch und vital. Die Menschen beschrieben und bewahrten durch ihre Lebensgeschichten die Geschichte des Südstaaten-Jazz. Durch den Eindruck dieses Abends war Müller auf die Idee der Umsetzung in Berlin gekommen.

Die Idee wurde 1987 im „Berliner Wedding“ realisiert. Veranstaltungsort ist der Bürgersaal im Weddinger Karl-Schrader Haus, welches um die Jahrhundertwende gebaut wurde und zentral gelegen ist. Die Erzählnachmittage finden 14tägig statt und bieten große und kleine Veranstaltungen an. Ein Erzählnachmittag beginnt mit Kaffee und Kuchen oder Buffet. Die erste Stunde dient dem Genießen der Kaffeehausatmosphäre und dem Gespräch. Erst dann beginnt der eigentliche Erzählnachmittag. Es kommen viele Stammgäste, ein oder mehrere geladene, erwartete Gäste, die in Presse und Programmheft vorher angekündigt wurden. Die Erzählungen werden über ein Mikrofon aufgenommen, um die Erinnerungen zu bewahren und um die Erzählungen an die Öffentlichkeit weitergeben zu können. Die Erzählnachmittage werden durch Zusammensetzung des Publikums, der Erzählenden und dem Thema bestimmt und sind immer unterschiedlich im Bezug auf Dynamik, Tempo, Atmosphäre und Spannung. Es gibt keine zeitlichen Grenzen, sie werden durch Erzählfluss und Konzentrationsvermögen beeinflusst. Zeitzeugen und Themen wechseln genauso, wie die Zuhörenden. Themen sind Ereignisse, die Wiederkehr oder der Jahrestag eines Ereignisses. Der Gast leitet die Erzählung ein, nimmt die Schwellenangst und regt Erinnerungen an, die die anderen zum Miterzählen ermuntern. Als Mittel, um Zeitzeugen zu finden, dienen Zeitzeugenaufrufe in Presse und Rundfunk, Hinweise und Tipps von anderen, das Aufgreifen von Notizen oder Mitteilungen in Presse und Rundfunk, Kontakte zu Berufsgruppen, Firmen, Interessenverbänden, das Branchenbuch und die Spurensuche in der Stadt. Die Zusammenarbeit mit Geschichtswerkstätten und Heimatmuseen hilft dabei. Die Moderatoren besuchen die Zeitzeugen zuvor zu Hause. Anfangs suchten die Moderatoren selbst nach Themen und heute unterstützen die Teilnehmer die Auswahl durch Tipps und Hinweise, die sie im Gästebuch eingetragen haben.

Ein Eintrag aus dem Gästebuch des Erzählcafés:

„Dieser Nachmittag hat mich nicht nur beeindruckt, er hat mich verändert!“ (Eine Besucherin)

Finanziert wird das Erzählcafé von der Berliner Senatsverwaltung für Soziales aus dem Topf „Erfahrungswissen älterer Menschen nutzen“. Den Saal, den die Abteilung Volksbildung des Bezirksamtes Wedding von Berlin gemietet hat, kann unentgeltlich genutzt werden. Hinzu kommen Spenden und die Einnahmen der Herausgabe eines Lesebuches über die erzählten Geschichten. [37],[26]

3     Ziele des selbst geplanten Erzählcafés im Alten- und Pflegeheim

3.1     Richtziele

·      Einrichtung eines festen, wöchentlichen Angebots

·      Mithilfe zur Strukturierung des Wochenablaufes

·      Biographiearbeit

·      Integrationsförderung

·      Vermittlung von Lebensqualität und Wohlbefinden

·      Vertreiben von Langeweile im Altenheimalltag

·      Aktivierung des Geistes

·      Hilfe zur Selbsthilfe

·      Förderung der Ressourcen von alten Menschen

·      Eigenaktivität und Selbständigkeit fördern

·      Kommunikation, Gemeinschaftsfähigkeit und soziales Miteinander fördern

·      Steigerung des Selbstwertgefühls der Bewohner

·      Stärkung der Motivation zum Erzählen

·      Entgegenwirken der Entindividualisierung im Altenheim

·      Öffentlichkeitsarbeit zur Weckung des Interesses an der Arbeit mit alten Menschen im Altenheim

·      Aufmerksam machen auf personelle Missstände im Altenheim

·      Generationenaustausch

3.2     Grobziele

·      Verbesserung der kommunikativen Fähigkeiten

·      Erzählhemmungen verlieren

·      Bewohner sollen sich untereinander als Gesprächspartner entdecken

·      Das Interesse an anderen Bewohnern soll gefördert werden

·      Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit und das Trainieren des Langzeit- und Kurzeitgedächtnisses

·      Das Interesse am eigenen Leben neu beleben

·      Erinnerungen wecken, neu aufleben lassen und in den Lebenszusammenhang integrieren

·      Neugierde an Lebensgeschichten wecken

·      Selbstexploration[7]

·      Einschätzung der eigenen Lebenssituation und deren Möglichkeiten, Einschätzung des eigenen Lebens

·      Klima gegenseitigen Interesses, Respekt und Achtung schaffen

·      Interesse am fotografiert werden und am eigenen Bild verstärken

·      Sich selber wahrnehmen

·      Herstellung persönlich, emotionaler Bezüge

·      Bildung in Form des horizontalen Lernens voneinander

·      Vermittlung von Wissen zwischen den Generationen

·      Das Leben resümieren, um es besser abschließen zu können und sich eventuell besser auf den Tod vorbereiten zu können

·      Einbeziehung von Pflegedienstmitarbeitern und Angehörigen

3.3     Feinziele

·      Mitgestaltung des Programms, der Themen und des Mottos

·      Positive Selbstdarstellung der Bewohner

·      Ausgleich schaffen, um Frustrationen und Aggressionen aufzulösen

·      Über Gedichte Erinnerungen an die Schulzeit entstehen lassen

·      Über Witze Humor entstehen lassen und gemeinsames Lachen, um sich auf positive Wahrnehmungen zu konzentrieren

·      Einzelne Erlebnisse mit der Betrachtung von Fotos aus Kindheit und Jugendzeit wieder neu erleben

·      Aktuelle Fotos der Gegenwart zu früheren Fotos in Beziehung setzen

·      Eigene Fotos mit den Fotos anderer Bewohner in Beziehung setzen

·      Betrachtung und Reflexion eigener Portraits

·      Auswahl einiger Portraits treffen

·      Mitgestaltung am Prozess des Fotografierens und des Fotografiertwerdens

·      Sich selbst inszenieren für das gewünschte Selbstbild

·      Über die Aufnahmen eines Videofilms sich selber beim Erzählen betrachten und wahrnehmen, über sich selbst reflektieren

4     Auswahl der Teilnehmer

Für das erste Erzählcafé habe ich insgesamt fünf Bewohner ausgewählt, die zuvor an einem Interview teilgenommen hatten. Es sind 4 Frauen und ein Mann. Zwei von ihnen (Frau R. und Frau C.) leben im Altenheim auf zwei verschiedenen Wohnbereichen. Die anderen drei Bewohner leben ebenfalls auf zwei unterschiedlichen Wohnbereichen, allerdings im Pflegeheim (Herr K., Frau Sch. und Frau N.).

Die ausgewählten weiblichen Bewohner waren sehr motiviert zu einem Erzählcafé und passten meiner Ansicht nach auch gut zusammen.
Der männliche Bewohner, Herr K., lebt seit 12 Jahren im Pflegeheim. Er nimmt an keinen Angeboten oder Gruppen, noch an den gemeinsamen Essen im Speiseraum teil. Er verbringt den Tag auf einem Stuhl am Fenster seines Zimmers. Er ist fast 90 Jahre alt und hat keine Familienangehörigen mehr. Ich habe ihn mehrmals besucht, ihn interviewt und er erzählte mir viel aus seinem Leben. Allerdings war er sich unsicher, ob er an der Erzählgruppe teilnehmen sollte. Er glaubte, die Geschichten, die er zu erzählen habe, würden niemanden interessieren. Ich habe ihn eingeladen und die Teilnahme offengelassen, um ihn nicht unter Druck zu setzen. Einige Mitarbeiter des Hauses teilten mir mit, dass sie nicht davon ausgehen, dass Herr K. teilnehmen wird, da er einem sehr geregelten Tagesablauf nachgeht und Veränderungen scheut.
Frau N., die ebenfalls im Pflegeheim, aber auf einem anderen Wohnbereich lebt, ist erst vor einigen Wochen ins Heim eingezogen. Das Interview fand mit ihr und ihrer Schwester statt, die sie an diesem Tag im Heim besuchte. Da sich Frau N. noch sehr unsicher fühlte, lud ich auch ihre Schwester, Frau v. Sch., zum Erzählcafé ein.

5     Rahmenbedingungen zum Erzählen

„Die Grundlage allen Erzählens und allen erzählerischen Übens ist Vertrauen.“ (Christel Oehlmann)

Im Hinblick auf die bereits erwähnte Unsicherheit der Menschen zum eigenen Erzählen, ist es wichtig über eine Atmosphäre nachzudenken, die zum Erzählen anregt. Um Menschen zum Erzählen zu motivieren, sollte man einen wertfreien Raum schaffen. Die Erzählsituation sollte auf keinen Fall an eine Schulsituation erinnern, in der mit einer Note die Qualität der Erzählung festgelegt wird. Zur Bewertung gehört aber nicht nur eine Benotung, die sich in Zahlen ausdrückt, sondern auch eine Anzahl von Verhaltensweisen und Worten, die auch eine Bewertung ausdrücken können. Das bedeutet für mich eine konsequente Selbstevaluation[8].

Wichtig ist mir, in der Erzählsituation nicht zwischen für mich Wichtigem und Unwichtigem zu unterscheiden. Die Erzähler selbst entscheiden, was ihnen wichtig ist. Meine Aufgabe ist die des aktiven Zuhörers, der eventuell Zwischenfragen stellt und hilft, wenn der sogenannte rote Faden verloren gegangen ist. Wenn ich das Erzählte nach Gut und Schlecht bewerte, erzeuge ich nicht nur Angst vor dem Versagen, sondern begrenze auch die Erlebnisse der Menschen. Um die alten Menschen zum Erzählen zu ermutigen, werde ich ihnen keine Anleitungen zum Erzählen geben. Ich werde nicht darauf eingehen, was gutes Erzählen ausmacht und wie die traditionellen Erzählkünstler erzählen. Diese Anforderungen oder Lernschritte würden nur die Unsicherheit vergrößern. Erzählfertigkeiten nehmen ihren eigenen Weg. Sie entwickeln sich parallel zur individuellen Entwicklung, so dass für mich die wichtigste Aufgabe darin besteht, das Selbstwertgefühl der erzählenden Menschen zu stärken, was zur persönlichen Entwicklung beiträgt. Mir ist wichtig eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen. So können die alten Menschen Spontaneität zulassen und nach ihrer Intuition erzählen. Sie können die Worte „heraussprudeln“ lassen, die sie innerlich bewegen. Ist die Atmosphäre nicht vertrauenerweckend und wertfrei, so werden sie immer wieder genau nachdenken, was sie am besten sagen sollten und somit würde das Erzählen nach Intuition gehemmt.

Wichtig ist mir auch, darüber im klaren zu sein, mit welchem Ziel wir erzählen. Für mich steht fest, dass der Weg das Ziel bedeutet. Das heißt, nicht die Geschichte als fertiges Produkt, die möglichst gut aufgebaut und gut formuliert sein soll, ist das Ziel. Das Ziel ist das Erzählen selbst. Das Ziel ist, im Dialog zu stehen mit der eigenen inneren Stimme, um die Intuition in sich zu wecken. Ziel ist für mich auch, das zu erreichen, was dem Erzähler wichtig ist.

Als letzten Punkt möchte ich die Grundhaltung beschreiben, mit der ich in jede Erzählsituation gehen werde. Jeder Mensch erzählt auf seine eigene, individuelle Art und Weise. Ein Kind benutzt andere Worte und Formulierungen, um etwas zu beschreiben, als ein Jugendlicher oder Erwachsener. Je nach Bildung, Wortschatz, Vorerfahrung mit dem Erzählen und vor allem je nach Selbstwertgefühl erzählt jeder Mensch unterschiedlich. Durch ein eingeschränktes Selbstbild entwickelt sich oft eine Erzählhemmung. Auch spielt vor allem bei älteren Menschen eine Rolle, ob sie in der Lage sind, die Worte zu finden, die sie suchen, ob und in welchem Maße sie dement sind. Es gibt niemals nur einen Weg oder die treffenden Worte, um etwas zu beschreiben. Es kommt immer auf die persönliche Einstellung zu der Geschichte oder auch auf eigene Erlebnisse an, die immer mit in die Erzählung einfließen. Jede Art zu erzählen hat seine eigene Daseinsberechtigung. Wenn ich mit dieser Einstellung in die Erzählsituation gehe, führt dies dazu, dass der Erzählende mich als Vertrau-ensperson anerkennt. Er wird mich eher teilhaben lassen an seiner Welt. Er wird mir seine Erfahrungen und Erlebnisse eher mitteilen. Es sollte ihm durch Vermittlung meiner Einstellung auch bewusst werden, dass jeder in der Erzählrunde das Recht auf seine ganz persönliche Art zu sprechen hat. Das ist besonders wichtig für eine Gruppe, die aus sehr alten Menschen besteht. Bei Hochbetagten kann es schon einmal vorkommen, dass sie sich wiederholen, den Faden verlieren, nicht die richtigen Worte finden oder vergessen, was sie erzählen wollten. Hier ist es wichtig, dass die betreffenden Personen nicht ausgelacht werden und sich von der ganzen Gruppe angenommen fühlen. Hier ist es meine Aufgabe, zwischen den Bewohnern zu vermitteln und sie füreinander zu sensibilisieren.


J   Erzählcafé Praktische Durchführung

1     1. Erzählcafé

1.1     Planung

Nachdem ich durch die Interviews erfahren habe, welche Bewohner Interesse an einem Erzählcafé haben, möchte ich einen Teil von ihnen nun zum ersten Erzählcafé einladen. Ich habe die Bewohner ausgewählt, die meiner Ansicht nach am besten für das Erzählcafé geeignet schienen und gut miteinander harmonieren würden. Ich werde ggf. weitere Bewohner zu den nächsten Erzählcafés einladen.

Die Einladung werde ich über Einladungskarten und einen persönlichen Besuch vornehmen.

1.1.1    Die Einladungskarten

Die Einladungskarten wurden von mir selbst, mithilfe des Computers, hergestellt. Zwei Tage bevor das Erzählcafe stattfindet, werde ich die Bewohner einzeln besuchen, sie persönlich einladen und ihnen die Einladungskarte übergeben.

Die Einladungskarte ist mir deshalb sehr wichtig, da sie den Bewohnern eine Erinnerungshilfe darstellt und sie sich so auf den Termin des Erzählcafés einrichten können. In der Karte können sie Wochentag, Datum, Uhrzeit und das Thema des Nachmittags nachlesen.
Außerdem glaube ich, dass die Bewohner selten schriftliche Einladungen bekommen. Die schriftliche Einladung, in der sie persönlich angesprochen werden, vermittelt eine gewisse Wichtigkeit des Anlasses.

Abbildung 14 Einladungskarte Vorder-/Rückseite

Abbildung 15 Einladungskarte Innenseite

Die geschwungene, alte Schrift und das Bild mit der Kaffeetasse und –kanne soll schon ein bisschen zur Einstimmung auf das Erzählcafé beitragen. Die Einladungskarte möchte ich jedesmal vor den Erzählcafés persönlich übergeben, vor allem auch, um den Kontakt zu den einzelnen Bewohnern auch außerhalb des Erzählcafés zu halten. Ich werde ihnen die Einladung gegebenenfalls vorlesen. Dabei kann ich mit ihnen über das nächste Thema sprechen und ihnen bei der Vorbereitung auf das neue Thema helfen.

Auf dem Weg der persönlichen Einladung werde ich die Pflegedienstmitarbeiter des jeweiligen Wohnbereichs über die Teilnahme der Bewohner am Erzählcafé unterrichten. So können sie im Voraus planen, wann die Bewohner abgeholt werden. Eventuelle Toilettengänge bzw. Hilfestellungen beim Ankleiden können durch diese rechtzeitige Planung vorgenommen werden. Die Zusammenarbeit und der Kontakt zum Pflegepersonal ist mir sehr wichtig, da wir uns in der Zusammenarbeit ergänzen und austauschen können.

1.1.2    Auswahl des Raumes

Ganz wichtig für das Gelingen eines Erzählcafés ist auch die geeignete Wahl eines Raumes. Zur Auswahl des Raumes habe ich den Sozialpädagogen des Hauses gefragt, da ich die Räumlichkeiten der Institution nicht so gut kenne. Des weiteren möchte ich mit ihm absprechen, ob der jeweilige Raum an dem Nachmittag des Erzählcafés nicht anderweitig verplant ist.

Nachdem ich einen Termin mit dem Sozialpädagogen abgesprochen hatte und mit ihm verschiedene Räume besichtigte, entschieden wir uns für einen Raum, der durch eine Vielzahl von Punkten geeignet schien.

1.1.3    Beschreibung des Raumes

Der Raum befindet sich im Erdgeschoss des Altenheimes. Er ist im Eingangsbereich des Hintereingangs gelegen. Der Sozialpädagoge versicherte mir aber, dass hier ein geringer Durchgangsverkehr herrscht und wir dadurch kaum gestört würden. Direkt neben dem Raum befinden sich zwei Aufzüge. Dies ist von Vorteil für die Rollstuhlfahrer und für Bewohner mit Gehbehinderungen.

Der Raum ist hell, da er eine große Fensterfront am Eingangsbereich hat. Es stehen große Palmen neben der Sitzecke, die die Atmosphäre gemütlich machen. Am besten gefiel mir die Einrichtung und die Sitzgelegenheiten. Es befindet sich dort ein Sofa, zwei Sessel, ein Wohnzimmertisch und eine dazu passende Eichenvitrine sowie eine Stehlampe. Der Raum ähnelt einem Wohnzimmer älterer Menschen und vermittelt eine heimische Atmosphäre. Weder in den Zimmern der Bewohner, noch in den Speisesälen bzw. Aufenthaltsräumen befinden sich Einrichtungsgegenstände wie Sofas. Die Bewohner haben nur ganz selten die Möglichkeit kleine Möbelstücke mit in das Heim zu nehmen.

Ich überlegte, ob die ausgewählten Bewohner einschließlich der Rollstuhlfahrer an dem Tisch Platz finden würden. Ich kam zu der Erkenntnis, dass der Raum zwar relativ klein, aber geeignet schien. Der Raum ist darüber hinaus direkt neben der Küche gelegen, so dass er sich wegen des Transports des Kaffeewagens anbot.

Da dieser Raum erstens sehr gemütlich erschien und auch an dem Nachmittag zur Verfügung stand, wählte ich ihn zum ersten Erzählcafé aus.

1.1.4    Die Raumgestaltung

Das Erzählcafé beginnt zur gewohnten Kaffeezeit der Bewohner um 14:00 Uhr. Zu einem Erzählcafé gehören auch Kaffee und Kuchen. Daher möchte ich beides miteinander verbinden.

Den Kuchen möchte ich selbst backen, denn ein selbstgebackener Kuchen und Kaffee tragen zur Einstimmung, zur Atmosphäre und zum Genuss bei.

Der gedeckte Tisch soll so arrangiert sein, so dass eine feierliche und gemütliche Stimmung aufkommt. Ein besonderes Geschirr setzt sich vom alltäglich gedeckten Tisch der Bewohner ab und trägt somit zur feierlichen Stimmung bei. Passende Servietten in Serviettenringen sind weitaus festlicher, als die sonst auf dem Tisch bereitliegenden Handtücher oder die sogenannten „Schlabberlätzchen“ im Heimalltag.

Eine Kerze und eine Vase mit einem frischen Blumenstrauß sollen die Gemütlichkeit noch unterstreichen.

1.1.5    Die Tischkarten

Auch die Tischkarten habe ich mithilfe des Computers erstellt. Hierdurch ist mir die Möglichkeit gegeben, die gleichen Karten mit jeweils anderen Namen, nach zwar einmalig zeitaufwendiger Gestaltung, danach aber schnell zu reproduzieren.

Abbildung 16 Tischkarte Erzählcafé

Um den Bewohnern zu vermitteln, dass sie ganz persönlich eingeladen und erwartet werden, möchte ich für jeden Teilnehmer eine Tischkarte anfertigen. Die Tischkarte mit den Namen der Bewohner sind darüber hinaus auch eine Hilfe für mich und die anderen Bewohner die Namen der Teilnehmer zu lernen und zu behalten. So können die Bewohner persönlich mit Namen angesprochen werden. Über seinen Namen, der zur Individualität gehört, teilt man sich den anderen mit, wird mit diesem angesprochen und tritt aus der gewohnten Anonymität heraus.

Zusätzlich können die Bewohner ihre Namensschilder als Andenken mitnehmen.

1.1.6    Absprache mit der Küche

Damit ich das Geschirr für Kaffee und Kuchen nicht selbst von zu Hause mitbringen muss, werde ich mit dem Küchenchef oder mit der Hauswirtschaftsleiterin über die Möglichkeit sprechen, ob das Haus das benötigte Geschirr zur Verfügung stellen kann.

Außerdem werde ich erfragen, ob mir die Küche des Hauses Kaffee, Milch und Zucker bereitstellen kann.

Zusätzlich werde ich der Küche die Namen der Bewohner mitteilen, die an dem Erzählcafé teilnehmen werden. Dadurch kann der täglich vorgesehene Kuchen, der auf einem Tablett im Kaffeewagen an die einzelnen Wohnbereiche geschickt wird, für die betreffenden Bewohner abbestellt werden.

1.1.7    Inhaltliche Vorbereitung auf das Erzählcafé

Das Erzählcafé soll, wie bereits erwähnt, um ca. 14:00 Uhr mit einem gemütlichen Kaffeetrinken und Kuchenessen beginnen. Dadurch soll eine lockere Atmosphäre entstehen, in der sich die Bewohner gegenseitig kennenlernen können.

Nach der Begrüßung der einzelnen Bewohner, werde ich kurz einen Überblick geben, was das Erzählcafé beinhaltet, damit die Bewohner schon im Vorfeld wissen, was sie erwartet. Insbesondere werde ich mich nochmals kurz vorstellen und meine Motivation zum Erzählcafé darstellen. Im Anschluß daran werde ich den Bewohnern mitteilen, dass dieses Erzählcafé regelmäßig einmal in der Woche stattfinden soll, die Teilnahme freigestellt ist und nicht wöchentlich erfolgen muss und das Angebot für die Dauer der Diplomarbeit begrenzt ist. Dies ist mir besonders wichtig, damit die Bewohner bereits im Vorfeld wissen, dass dieses Erzählcafé zeitlich befristet angeboten wird.

Ich weise die Teilnehmer auch darauf hin, dass nicht jeder zu jedem Thema einen Beitrag leisten muss, um den Bewohnern die Unsicherheit zu nehmen. Insbesondere stellt das Erzählcafé keine Schulsituation dar, in der die Einzelnen abgefragt und beurteilt werden. Hierauf bin ich bereits im Kapitel I 5 (Rahmenbedingungen zum Erzählen) näher eingegangen.

Danach möchte ich die Bewohner untereinander bekannt machen und fragen, ob sich der Eine oder Andere bereits kennt.

Nach dem Kaffeetrinken soll dann das eigentliche Erzählcafé beginnen.

1.1.8    Thema des Erzählcafés

Mit der ersten Einladung bitte ich die Bewohner ein Foto von sich, ihrer Kindheit oder Jugendzeit mitzubringen. Mithilfe der Bilder möchte ich eine Kennenlernrunde einleiten. Ich werde mit ihnen, beim vorherigen Besuch, alte Fotos ansehen und überlegen, welches sich davon eignen würde. Falls die Bewohner selber keine mehr haben, kann man überlegen, ob Angehörige noch welche besitzen. In diesem Falle könnte ich zu den Angehörigen Kontakt aufnehmen. Es ist mir wichtig, die Angehörigen, so weit wie möglich und wenn sie es wollen, mit in die Arbeit einzubeziehen, da sie die Bewohner am besten kennen und sie deren natürliche Bezugspersonen sind.

Zum ersten Kennenlernen werde ich die gesammelten Fotos der Bewohner aus deren Kindheit oder Jugendzeit, sowie natürlich auch eines von mir selbst auf der Mitte des Tisches beliebig verteilen.

Die Bewohner sollen die Fotos anfassen, ansehen, weitergeben und erraten, welche Bewohner hierauf zu sehen sind. Durch dieses Ratespiel sehen sich die Bewohner gegenseitig an und wenden sich den anderen zu. Über die Fotos erhoffe ich mir das Entstehen von Erzählungen darüber, wann und an welchem Ort sie aufgenommen wurden. Es können Geschichten aus der Kindheit, der Heimat oder der Familie erzählt werden.

1.1.9    Ziel des Nachmittags

Das erste Treffen soll in erster Linie eine vertraute Atmosphäre schaffen. Ich möchte den Bewohnern einen besonderen Nachmittag bereiten, der zur Unterhaltung und Vertreibung der Langeweile beitragen soll. Er soll Abwechslung in den Heimalltag bringen. Die Bewohner können untereinander, mit meiner Hilfe, neue Kontakte knüpfen. Sie sollen die Möglichkeit bekommen, mal wieder von früher und über sich selbst zu sprechen. Sie können auch Geschichten über andere Menschen hören und sie mit den eigenen vergleichen. So können Erlebnisse und Erinnerungen wieder aufleben und ausgetauscht werden. Die Bewohner sollen sich wohl fühlen und gerne wiederkommen. Ich hoffe auch, dass sie die eventuelle Hemmung, vor anderen etwas zu erzählen, verlieren und vor allem das Gefühl entsteht: „Es interessiert sich jemand für mich, ich bin hier in dieser Runde wichtig.“

1.1.10  Beginn des Nachmittags

Ich werde jeden einzelnen Bewohner in der Zeit von ca. 13:30 bis 14:00 Uhr, wie bereits in der Einladungskarte und auf dem Wohnbereich angekündigt, persönlich abholen. Hierbei werde ich die Bewohner bei den Pflegedienstmitarbeitern abmelden. Den Bewohnern mit Gehbehinderungen werde ich gegebenenfalls in den Rollstuhl helfen oder einen Gehwagen organisieren.

1.1.11  Ausklang des Nachmittags

Das Ende des Nachmittags soll offen sein. Um 17:00 Uhr müssen die Bewohner spätestens zum Abendessen wieder auf ihrem Wohnbereich sein.

Ich werde jeden einzelnen zurückbringen, da die Bewohner den Weg wahrscheinlich allein nicht kennen, oder sich in der für sie fremden Umgebung unsicher fühlen.

Damit der Nachmittag die Bewohner nicht überfordert, werde ich ab ca. 16:00 Uhr beginnen, die einzelnen Bewohner zurück zu bringen. Ich möchte aber die genaue Uhrzeit nicht festlegen, da das Erzählcafé situationsbedingt abgeschlossen werden sollte. Entwickeln sich keine weiteren Gespräche, lässt die Konzentration nach, oder äußern die Bewohner den Wunsch, zu gehen, werde ich das Erzählcafé beenden. Die Bewohner sollten das Ende bestimmen.

Nach der Verabschiedung von den einzelnen Bewohnern werde ich deren Rückkehr dem Pflegepersonal mitteilen. Anschließend werde ich den Tisch abräumen, das schmutzige Geschirr mit dem Kaffeewagen zur Küche zurückbringen und den Raum aufgeräumt verlassen.

1.1.12  Reflexion

Zur Reflexion des Nachmittags werde ich mir noch am selben Tag stichpunktartige Notizen zum Ablauf des Erzählcafés aufschreiben. Erfolgt die Reflexion zu einem späteren Zeitpunkt, besteht die Gefahr, kleinere aber dennoch wichtige Details zu übersehen.

Auch möchte ich die Bewohner selbst in die Reflexion mit einbeziehen. Wenn ich die Bewohner in den darauffolgenden Tagen persönlich besuche und die Einladungskarte für das nächste Erzählcafé überreiche, werde ich sie darüber befragen, was ihnen am ersten Erzählcafé gefallen hat und was verbessert werden kann. Auch werde ich die Bewohner ermutigen, selber Themenvorschläge für die folgenden Erzählcafés zu unterbreiten, damit das Thema und der Ablauf des Erzählcafés von ihnen aktiv mitgestaltet werden kann.


1.2     Durchführung

1.2.1    Vorbereitungen für den 1. Nachmittag

Wie bereits in der Planung ausgeführt, mussten bereits zu Hause diverse Vorbereitungen getroffen und die Dekoration besorgt bzw. mitgebracht werden:

 


·    Kuchenrezept suchen

·    Zutaten für Kuchen einkaufen

·    Kuchen backen

·    Strauß Blumen organisieren

·    Tischkarten anfertigen

·    Foto aus meiner Kindheit auswählen

·    Servietten und Serviettenringe, sowie eine Kerze mitbringen


Auch im Altenheim mussten Vorbereitungen für den Nachmittag getroffen werden:

·    Vase für Blumenstrauß sowie eine Tischdecke besorgen

·    Geschirrwagen mit Kaffee in der Küche abholen

·    Tisch mit Tischdecken, Geschirr, Besteck, Servietten in Serviettenringen, Tischkarten, Blumen und Kerze arrangieren

Hierbei musste ich leider feststellen, dass die Küche mir kein besonderes Geschirr zur Verfügung stellen kann, da das Haus neben dem alltäglichen Gedeck keine weiteren für festliche Anlässe besitzt.

1.2.2    Beginn des Nachmittags

Da das Erzählcafé um 14:00 Uhr beginnen sollte, holte ich die Bewohner ab ca. 13:30 Uhr auf den jeweiligen Wohnbereichen ab.

Zuerst holte ich Frau N., ihre Schwester Frau v. S. sowie Frau Sch. im Pflegeheim ab.

Frau Sch. saß bereits im Eingangsbereich bereit und wartete auf mich. Frau N. suchte ich in ihrem Zimmer auf, wo sie mich sofort ganz aufgeregt mit den Neuigkeiten auf ihrem Wohnbereich überfiel. Da ich ihrem Miteilungsbedürfnis nachkommen und auf sie eingehen wollte, unterhielten wir uns kurz über die Problematik, weil ich ihr Anliegen nicht auf später verschieben wollte. Erst einige Zeit später kam sie mithilfe ihres Gehwagens und in Begleitung ihrer Schwester mit. Nachdem sie schon einen Teil des Weges zurückgelegt hatte, fiel der dort arbeitenden Schwester ein, dass es für Frau N. besser wäre, einen Rollstuhl zu benutzen. Nachdem wir einen Rollstuhl geholt hatten und Frau N. halfen, Platz zu nehmen, äußerte sie den Wunsch nach einigen Kissen zum bequemeren Sitzen. Durch diese Verzögerungen waren bereits 30 Minuten vergangen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich eigentlich den Beginn des Erzählcafés geplant. Zu viert fuhren wir mit dem Aufzug des Pflegeheims bis zur Etage, die einen Durchgang zum Altenheim hat. Bis zum Aufzug des Altenheims mussten wir noch einen langen Gang durchqueren. Mit dem nächsten Aufzug fuhren wir in das Erdgeschoss und waren endlich im vorgesehen Raum angekommen. Den Bewohnern gefiel der Raum auf Anhieb sehr gut, Frau N. wollte sich sogleich auf die Couch setzen. Nun bat ich Frau v. S., mir dabei behilflich zu sein, Frau N. auf die Couch zu setzen. Frau v. S. setzte sich in den Sessel neben ihre Schwester, während Frau Sch. neben Frau N. auf der Couch Platz nahm. Ich stellte die entsprechenden Tischkarten auf. Bis die Bewohner ihre Plätze eingenommen hatten, war es bereits 14:15. Ich entschuldigte mich und machte mich auf den Weg, um die übrigen Teilnehmer abzuholen. Ich ging zu Frau C., die im Altenheim wohnt. Leider befand sie sich nicht mehr in ihrem Zimmer und auch die Schwestern wussten nicht, wo sie war. Ich fuhr in das Erdgeschoss des Altenheimes, um Frau R. abzuholen. An der Eingangstür des Altenheimes sah ich Frau C., die dort auf mich wartete, da ich sie nicht zur vereinbarten Zeit in ihrem Zimmer abgeholt hatte. Sie vermutete, ich würde durch den Haupteingang des Altenheimes kommen, und wollte mich dort empfangen. Neben ihr saß eine Frau, die sie mir als Frau H. vorstellte. Sie sei neu hier im Haus und Frau C. habe ihr vom Erzählcafé erzählt. Sie fragten mich, ob Frau H. auch teilnehmen könne. Da es ja mein Ziel ist, dass die Bewohner untereinander Kontakte knüpfen und Frau H. in der neuen Umgebung sicher Hilfe braucht, um sich besser einleben zu können, lud ich sie herzlich ein, mitzukommen. Leider hatte ich für sie keine Tischkarte angefertigt und vor allem war der Platz auf dem Sofa sehr beengt. Außerdem musste ich schnell noch ein weiteres Gedeck für Frau H. organisieren. Vorher holte ich Frau R. ab und fuhr mit den drei Frauen im Aufzug zum Erzählcafé. Frau H, die zu Fuß ging, nahm neben Frau Sch. auf dem Sofa Platz. Frau C. bekam, wie Frau N., Hilfestellung, um aus ihrem Rollstuhl auf das Sofa zu gelangen. Zuletzt ging ich zum Pflegeheim zurück, um dort Herrn K., der ebenfalls Rollstuhlfahrer ist, abzuholen. Dort musste ich feststellen, dass Herr K. noch von der Mittagsruhe auf dem Bett lag und ich seinen Rollstuhl erst noch aus einem Abstellraum holen musste. Nachdem ich ihm beim Aufstehen und Platz nehmen im Rollstuhl geholfen hatte, konnten wir uns auf den Weg zu Erzählcafé machen. Im Erzählcafé angekommen, nahm Herr K. neben Frau R. im Rollstuhl den Platz am Tisch ein. Ich setzte mich in den Sessel neben Herrn K., da er mich bereits kennt und er Schwierigkeiten hat, sich auf Neues einzulassen.

Das Abholen der Bewohner hatte insgesamt über eine Stunde in Anspruch genommen, womit ich vorher nicht gerechnet hatte.

Ich half den Bewohnern beim Kaffee einschenken und Kuchen verteilen. Leider war es aus Platzgründen schwierig, zu den einzelnen Bewohnern zu gehen, um ihnen zu helfen. Auch stellte sich heraus, dass der Tisch für die Dekoration und das Geschirr zu klein war. Auf dem Dreiersofa saßen nun vier Damen, die ihren Kuchenteller auf dem Schoß halten mussten.

Ein weiteres Problem stellte sich, als ich erfuhr, dass Frau R. Diabetikerin ist, und den Kuchen nicht essen durfte. Ich hatte natürlich keinen Diabetikerkuchen besorgt und Frau R. konnte lediglich Kaffee trinken.

Die Bewohner bewunderten die Dekoration und vor allem die Tischkarten. Sie freuten sich und meinten, ich hätte mir sehr viel Mühe und Arbeit gemacht. Auch einen selbstgebackenen Apfelkuchen hätten sie schon lange nicht mehr bekommen. Sogleich kam das Gespräch auf Backrezepte und darüber auf, wie man früher Kuchen gebacken hat. Nachdem ich kurz die Rahmenbedingungen des Erzählcafés (wie bereits im Kapitel 0) den Teilnehmern erläutert hatte, stellte ich die einzelnen Bewohner in der Runde vor. Es stellte sich dabei heraus, dass sich der Eine oder Andere schon einmal gesehen hatte oder sogar am gleichem Tisch im Speiseraum gesessen hatte. Dennoch hatten sich diese Bewohner nicht näher kennengelernt.

Dies bestätigte meine Beobachtungen und auch die Ausführungen der Mitarbeiter während der Interviews: Die Bewohner knüpfen von sich aus wenig Kontakte zu anderen Bewohnern und führen selten Gespräche untereinander.

Ich fragte die Bewohner noch einmal zum näheren kennenlernen, wie lange sie schon im Altenheim leben und wie es ihnen hier gefällt. Herr K. war stolz darauf, den anderen mitteilen zu können, dass er schon seit zwölf Jahren im Altenheim lebt. Die anderen Bewohner wohnen erst seit einigen Monaten bzw. Jahren im Heim. Damit war ein Einstieg zum gegenseitigen Kennenlernen gefunden.

Nach dem Kaffeetrinken räumte ich den Tisch ab, und breitete die Fotos der Bewohner auf dem Tisch aus. Zu diesem Zeitpunkt verabschiedete sich Frau H., die ja spontan hinzugekommen war, da sie sich nach eigener Aussage sehr unruhig fühlte.

1.2.3    Thema des Erzählcafés

Die Bewohner nahmen verschiedene Fotos in die Hand und sahen sich in der Runde um. Ich fragte dann Einzelne, ob sie sich vorstellen können, wer aus der Runde auf dem Bild zu sehen ist. Die Bewohner wandten sich einander zu, versuchten die Personen zu erraten und lagen teilweise auch richtig. Wenn jemand richtig erraten wurden, freute er sich und erzählte auch etwas zu dem Bild. Die Bewohner betrachteten die Fotos teilweise gemeinsam und halfen sich auch untereinander beim Raten. Naturgemäß kam es bei den Zuordnungen der Personen zu Verwechslungen, die zur allgemeinen Erheiterung führten. Dadurch wurde die Hemmschwelle zum Erzählen gebrochen und die Fotos dienten als Anstoß zum Thema „Frisuren in der damaligen Zeit“. Erzählt wurde aus der Zeit, in der das Tragen von Kurzhaarfrisuren für Damen aufkam. Allen Teilnehmerinnen war die Erfahrung gemeinsam, dass ihre Eltern dieser „neuen Mode“ ablehnend gegenüber standen und diese ihren Töchtern verboten. Der Wunsch nach dieser neuen Haartracht war bei einigen Damen so groß, dass sie trotz der Verbote der Eltern die Haare abschneiden ließen und eine Bestrafung in Kauf nahmen. Lustig war die Geschichte einer alten Dame, die sich ihre Haare als junges Mädchen kurzerhand vor dem Spiegel selber abschnitt. Die Erzählweise, der Dialekt, die Gestik und die Beschreibung der entstandenen Frisur brachten die alten Damen zum Lachen.

Leider kann man diese Art und Weise, in der die Geschichten vorgetragen wurden, nicht schriftlich fixieren. Da das Erzählen vor allem von der Mündlichkeit lebt, durch die verschiedenen Dialekte gefärbt ist und mit mündlichen Ausrufen lebendig wird, kann es in dieser schriftlichen Form nicht annähernd wiedergegeben werden. Viele Geschichten aus dem Erzählcafé klingen in der Schriftform banal und alltäglich. In der Erzählsituation jedoch trugen sie zu einer heiteren und lockeren Atmosphäre bei und lösten bei den Bewohnern eine Kettenreaktion der Erinnerungen aus. Diese breitete sich wie ein Lauffeuer aus, so dass ich mich bald als Vermittlerin mit Fragen zurückhalten konnte.

Da ich allerdings keine Regeln über das gegenseitige Zuhören und Aussprechen lassen aufstellte, kam es bald zu lautstarker Sprachverwirrung, da die Erzählungen nur so aus den Bewohnern „heraussprudelten“. Es bildeten sich Untergruppen, so dass sich meist zwei oder drei Personen miteinander unterhielten, aber nicht alle einer Geschichte zuhörten, so wie ich es mir zuvor gedacht hatte. Ich wollte die Erzählungen nicht unterbrechen, da ich sonst die Motivation zum Erzählen gehemmt hätte. Ich habe mich für diese Vorgehensweise entschieden, um die Spontaneität der Bewohner nicht zu hemmen oder sogar zu unterdrücken. Zum Teil kam es vor, dass in der Euphorie der Erzählungen, Geschichten eines Teilnehmers untergingen. In diesen Situationen habe ich mich als aktiver Zuhörer dieser Person zugewandt und später zwischen der Person und der Gruppe vermittelt. So konnten auch stillere Bewohner zu Wort kommen und einen Beitrag zur Erzählrunde leisten.

1.2.4    Ausklang des Nachmittags

Wir alle waren durch die Erzählungen so gebannt und gefesselt, dass wir vollständig die Zeit vergaßen. Um 16:45 Uhr schauten wir zum ersten Mal auf die Uhr und mussten das Erzählcafé schleunigst abbrechen, da die Bewohner um 17:00 Uhr auf ihren Wohnbereichen das Abendessen erhalten.

Um die Rückkehr der Bewohner zu beschleunigen, bat ich Frau v. S. ihre Schwester Frau N. sowie Frau Sch., die auf dem selben Wohnbereich lebt, zurückzubegleiten. Ich selber brachte Frau C. und Frau R. in den Aufzug, mit dem die beiden Wohnbereiche im Altenheim schnell zu erreichen waren. Im Anschluss daran begleitete ich Herrn K. zurück zu seinem Wohnbereich und half ihm aus seinem Rollstuhl.

Bei der Verabschiedung der Bewohner bedankten sich die Teilnehmer herzlich bei mir für den für sie wunderschönen Nachmittag. Sie erwähnten sogleich, dass sie gerne wiederkommen würden und noch viel mehr zu erzählen hätten. Herr K. schlug auf dem Rückweg einen anderen Raum und zwar den Wintergarten für das nächste Treffen vor, da es doch für das Kaffeetrinken etwas beengt war. Ich war erstaunt über diese Aussage, da Herr K. mir damit signalisierte, am nächsten Treffen erneut teilzunehmen. Darüber hinaus erwähnte er, dass er der einzige Mann in dem Erzählcafé war. Auf meine Frage, ob es ihm gefallen habe, zweifelte er daran, dass er durch seine Erzählungen einen guten Beitrag geleistet habe. Ich motivierte ihn, in dem ich ihm bestätigte, dass sein Beitrag für mich neue Sichtweisen über das frühere Leben eröffnet hat.

Schließlich räumte ich die Tischdekoration ab, brachte den Kaffeewagen zurück in die Küche und bedankte mich dort für die Mithilfe.


1.3     Reflexion

1.3.1    Negative Kritikpunkte

Wie bereits in der Planung erwähnt, habe ich neben der eigenen Kritik auch die Bewohner nach Anregungen, Wünschen und Verbesserungsvorschlägen gefragt. Deshalb habe ich sie nach dem 1. Treffen einzeln besucht und mit ihnen den Nachmittag reflektiert. Hierbei stellten sich zwei wichtige negative Kritikpunkte heraus:

·    Ich habe bei der Wahl der Teilnehmer nicht auf das Ungleichgewicht zwischen männlichen und weiblichen Bewohnern geachtet. Herr K. wies mich zu Recht nochmals auf diese Tatsache hin. Deshalb werde ich zum 2. Erzählcafé versuchen einen weiteren männlichen Teilnehmer zu gewinnen. Dies muss natürlich bei den Einladungskarten berücksichtigt werden.

·    Auch die Bewohner waren der Ansicht, dass der Raum zwar gemütlich, aber für die Durchführung des Kaffeetrinkens eher ungeeignet war. Deshalb werde ich dem Vorschlag von Herrn K. nachgehen und den Wintergarten als möglichen Veranstaltungsraum in Betracht ziehen. Somit muss für die Planung des 2. Erzählcafés die Verfügbarkeit des Wintergartens bei der Heimleitung erfragt werden.

Als wichtigen Kritikpunkt für mich, stellte sich das Abholen der Bewohner dar:

·    Die eingeplante Zeit von 30 Minuten reichte bei weitem nicht aus, alle Bewohner zum Erzählcafé zu begleiten. Dadurch mussten die Bewohner eine längere Wartezeit in Kauf nehmen.

·    Ich konnte die Bewohner teilweise zum vereinbarten Termin nicht sofort zum Erzählcafé begleiten. Herr K. lag noch auf dem Bett und für Frau N. war noch keine Rollstuhl organisiert worden. Dies hätte ich vorab mit den Pflegedienstmitarbeitern besprechen und sie um Hilfe bitten sollen.

Auswahl des Raumes

Bei dem 1. Treffen stellten sich zusammenfassend folgende Nachteile heraus:

·    Die Lage des Raumes war nicht für alle Bewohner zentral genug – besonders für die gehbehinderten Teilnehmer war der Weg zu anstrengend bzw. der Transport zu zeitaufwendig.

·    Die anfangs gemütlich und bequem wirkenden Sitzgelegenheiten stellten sich bei der Durchführung als ungeeignet heraus: Für Rollstuhlfahrer war es zu aufwendig auf dem Sofa Platz zu nehmen. Darüber hinaus „versanken“ die Bewohner in der weichen Couch und hatten Schwierigkeiten beim Aufstehen.

·    Es stellte sich bei der Durchführung heraus, dass das Platzangebot zu beengt war. Mir war es schlecht möglich während des Kaffeetrinkens um den Tisch herum zu gehen, um den Bewohnern Hilfestellungen zu leisten.
Auch war das eigentliche Kaffeetrinken nicht sehr bequem, da die Bewohner ihren Kuchen auf dem Schoß zu sich nehmen mussten. Insgesamt war die Kombination Couch / Tisch ungeeignet zum Kaffeetrinken.
Zusätzlich fand sich zu wenig Platz für die Tischdekoration.
Durch die Teilnahme von Frau H., die nicht eingeplant war, wurde deutlich, dass der Raum nicht groß genug für neu hinzugewonnene Bewohner ist.

1.3.2    Konsequenzen aus der negativen Kritik

·        Als Konsequenz wird, wie bereits zuvor erwähnt, der Wintergarten als Ausweichmöglichkeit betrachtet.

·        Zusätzlich werde ich versuchen einen weiteren männlichen Teilnehmer für das 2. Erzählcafé zu gewinnen.

·        Um für die bereits abgeholten Teilnehmer die Wartezeit zu verkürzen, muss ich versuchen die Bewohner parallel zu dem Treffen zu bringen. Hierbei bietet es sich an, Frau v. S., als Schwester von Frau N., zu bitten, die Begleitung ihrer Angehörigen und der auf dem gleichem Wohnbereich wohnenden Frau Sch. zu übernehmen.
Zusätzlich werde ich prüfen, ob die Bewohnerinnen aus dem Altenheim in der Lage sind, den Treffpunkt für das Erzählcafé selbst aufzusuchen. Somit können zusätzlich ihre Eigeninitiative und ihre Selbständigkeit aktiviert werden.

·        Ich werde die Schwestern bitten, sich darum zu bemühen, dass die Bewohner abholbereit sind.

·        Ich werde einige Tischkarten ohne Namen und einen Stift in Reserve halten, um somit auf unerwartete Gäste vorbereitet zu sein.

·        Ich werde beim nächsten Mal entweder einen Kuchen mitbringen, der auch für Diabetiker geeignet ist, oder den Kuchen für Frau R. in der Küche besorgen.

1.3.3    Positive Kritikpunkte

Bei der eigenen Reflexion, als auch durch die Gespräche mit den Teilnehmern stellten sich jedoch überwiegend positive Resonanzen zu folgenden Punkten heraus:


·    Die Einladungskarten

·    Die Tischkarten

·    Die Tischdekoration

·    Der selbstgebackene Kuchen

·    Das Thema des Nachmittags

·    Zielsetzung des Nachmittags


 

Die Einladungskarten

Wie bereits in der Planung erwähnt, habe ich die Bewohner am Mittwoch vor dem 1. Erzählcafé besucht und ihnen die Einladungskarte für das 1. Treffen überreicht. Wie schon vermutet, war diese Form der Einladung zu einem Gruppentreffen etwas ganz Besonderes für die Bewohner. Einige hatten seit Jahren keine persönlichen Briefe bzw. Einladungen erhalten. Auch die Gestaltung der Karten war für sie sehr ansprechend. Vor allem die persönliche Ansprache fand großen Anklang.

Somit hatten die Einladungskarten den von mir erhofften Effekt, zumal die Bewohner diese als Erinnerungshilfe im Zimmer sichtbar aufgestellt hatten.

Die Tischkarten

Die Tischkarten stellten sich für mich und für die Bewohner als Merkhilfe dar. Die Teilnehmer konnten ganz persönlich mit ihrem eigenen Namen angesprochen werden. Da ihnen die Karten so gut gefielen, wollten sie diese als Andenken mitnehmen.

Ziel des Nachmittags

Wichtig für mich war vor allem die Tatsache, dass meine Zielsetzung erreicht werden konnte. Die Bewohner verbrachten einen besonderen Nachmittag in einer gemütlichen Atmosphäre. Sie knüpften über die Fotos und Erzählungen Kontakt zu einander. Erlebnisse und Erinnerungen wurden lebhaft ausgetauscht. Ihnen wurde durch das Treffen vermittelt, dass sie und ihre Geschichten wichtig sind und auch für andere interessant und erheiternd sein können. Alle Bewohner versicherten mir, dass sie gerne an den nächsten Treffen teilnehmen möchten.

Das frühe Ausscheiden von Frau H., die sich direkt nach dem Kaffeetrinken verabschiedete, ist zum einen auf ihre persönliche Situation zurückzuführen. Sie ist erst vor einigen Tagen ins Heim eingezogen und findet sich mit dieser Situation nach eigenen Angaben nicht ab. Um sie abzulenken hatte Frau C. sie kurzerhand zum Erzählcafé eingeladen. Zum anderen hatte Frau H. weder zuvor, wie die anderen Teilnehmer, an einem Interview teilgenommen, noch war sie über das Thema und den Inhalt des Erzählcafés in Kenntnis gesetzt worden. Somit war das Ausscheiden von Frau H. für mich erklärbar. Ich werde sie aber in Zukunft einmal besuchen, ihr näheres zum Erzählcafé berichten und sie erneut einladen. Vielleicht kann ihr das Erzählcafé helfen, sich im Heim zu integrieren.


2     2. Erzählcafé

2.1     Planung

2.1.1    Auswahl des neuen Raumes

Aus der Reflexion des 1. Erzählcafés stellte sich die Notwendigkeit der Auswahl eines neuen Raumes ein. Hierzu befragte ich die Heimleitung und den Sozialpädagogen über die Verfügbarkeit des Wintergartens als Veranstaltungsraum für das Café. Hierbei stellte sich heraus, dass der Raum freitags generell verfügbar ist. Der Sozialpädagoge merkte allerdings kritisch an, dass der Raum als Verbindung zwischen Altenheim und Pflegeheim diene und somit mit Durchgangsverkehr zu rechnen sei. Dies könne die Erzählrunde eventuell stören.

Trotz dieser negativen Anmerkung habe ich mich dennoch für den Wintergarten entschieden.

2.1.2    Beschreibung des Raumes

Der Wintergarten ist als Verbindung zwischen dem Altenheim und dem Pflegeheim sehr zentral gelegen. Er ist von allen Wohnbereichen etwa gleich weit entfernt und kann auch mithilfe des Aufzuges bequem erreicht werden. Insbesondere ist der Wintergarten als Veranstaltungsraum bei den Bewohnern, Angehörigen und Mitarbeitern bekannt. Durch die großen Fensterfronten wirkt der Raum hell und freundlich. Da das Altenheim im Grünen gelegen ist, hat man einen weiten Blick auf die Wiesen und Felder. Zur Einrichtung gehören unter anderem ein Klavier, eine kleine Bibliothek sowie große Pflanzen. Es stehen viele Stühle und drei Tische zur Verfügung.

Für das Kaffeetrinken sind die Tisch- / Stuhlkombinationen wesentlich besser geeignet als das Sofa. Auch können Rollstuhlfahrer bequem an den Tischen Platz nehmen, ohne auf andere Sitzgelegenheit angewiesen zu sein.

Negativ anzumerken ist jedoch, wie bereits vom Sozialpädagogen angemerkt, die Durchgangslage. Außerdem steht der Raum generell weiteren Bewohnern und Angehörigen als Aufenthaltsraum zur Verfügung. Hierdurch können eventuelle Störungen des Cafés nicht ausgeschlossen werden.

Durch die Wahl dieses großen Raumes ist der Hauptkritikpunkt, die Beengtheit, ausgeräumt, jedoch ist generell ein sehr großer Raum für eine kleine Gruppe wenig geeignet. Deshalb werde ich mich mit der Gruppe in einem Teilbereich des Raumes „zurückziehen“.

Generell ist festzustellen, dass jeder Raum positive wie negative Aspekte aufweist. Die praktische Durchführung wird zeigen müssen, welche Aspekte überwiegen und ob es Lösungsmöglichkeiten gibt.

2.1.3    Die Raumgestaltung

Ich werde die drei zur Verfügung stehenden Tische aneinander reihen, damit alle Teilnehmer an einem großen Tisch zusammen sitzen können. Auch die dafür benötigten Stühle werde ich um den Tisch platzieren. Des weiteren benötige ich genügend und zu einander passende Tischdecken. Um die Atmosphäre noch besser zu gestalten, werde ich eine Aromalampe mitbringen, die für Kerzenlicht und einen angenehmen Duft sorgt. Darüber hinaus werde ich die bereits vorgestellten Dekorationselemente aus dem 1. Erzählcafé verwenden.

2.1.4    Die Einladungskarten

Auch beim 2. Erzählcafé werde ich den Bewohner vorher einen Besuch abstatten und ihnen auf diesem Weg wieder eine persönliche Einladungskarte überreichen. Hierin erwähne ich das Datum, das Thema des Nachmittags und den neuen Raum. Dabei kann ich die Damen aus dem Altenheim motivieren, selbständig zum Wintergarten zu kommen.

Die Angehörige Frau v. S. werde ich telefonisch einladen und sie bitten, ihre Schwester Frau N. und die Dame auf dem selben Wohnbereich, Frau Sch., ebenfalls zum Wintergarten zu begleiten.

Um dem Wunsch von Herrn K. gerecht zu werden, werde ich versuchen einen weiteren Mann für das Erzählcafé zu finden. Dies gestaltet sich daher schwierig, da es nur wenig männliche Heimbewohner gibt und diese auch nicht alle in der Lage sind, teilzunehmen.

Ich bin informiert, dass ein Heimbewohner in seinem Zimmer mehrere Blumen- und Landschaftsfotos aufgehängt hat. Es stellte sich heraus, dass dieser Bewohner, Herr B., früher leidenschaftlicher Hobbyfotograf war. Herr B. ist mir gut bekannt, da er auf dem Wohnbereich lebt, auf dem ich als Pflegekraft arbeite. Er würde, so dachte ich, auf eine Einladung zum Erzählen ablehnend reagieren: Er hatte schon zuvor von meinem Vorhaben gehört und reagierte sehr unsicher. Herr B. schreibt selbst Gedichte und ich schlug ihm vor, diese im Erzählcafé vorzutragen. Zu dieser Zeit allerdings, hatte er seine Gedichte verlegt und war verständlicherweise sehr nervös und selbst für ein Interview nicht bereit. Ich werde versuchen, ihn über das Fotografieren zum Erzählcafé zu motivieren und einzuladen. So könnte er ein früher gehegtes Hobby wieder entdecken und wir hätten einen zusätzlichen männlichen Teilnehmer.

Bei den Besuchen auf den Wohnbereichen kann ich auch die Pflegedienstmitarbeiterinnen informieren und sie um Hilfestellung bitten.

2.1.5    Thema des Erzählcafés

Wie bereits in der Einladungskarte für die Bewohner erwähnt, werde ich das Erzählspiel „Vertellekes“ zum Thema des 2. Erzählcafés wählen.

 

Das Spiel „Vertellekes“

„Vertellekes“ ist ein Frage- und Antwortspiel für ältere Menschen und ist 1994 im VINCENTZ Verlag in Hannover erschienen.

Der Name „Vertellekes“ kommt aus dem Plattdeutschen und bedeutet: „Erzählungen“. Wenn früher die Menschen zusammen saßen und alte Geschichten erzählten, so „vertellten“ sie sich etwas. „Vertellekes“ gibt Anregungen, sich gegenseitig aus der Kindheit und der Jugend zu erzählen. Es gibt auch Anstöße zum Nachdenken, Schmunzeln, Erinnern, Lachen und Singen.

Ziel von „Vertellekes“ ist es, die Gedanken- und Gefühlswelt alter Menschen in seiner Lebendigkeit zu erhalten und zu fördern.

„Vertellekes“ wurde von der Sozialarbeiterin und Altentherapeutin Petra Fiedler im Altenheim erfunden. Bei ihrer täglichen Arbeit fiel ihr auf, dass die Heimbewohner untereinander selten miteinander über Erinnerungen sprachen. Andererseits erlebte sie die Bewohner im Einzelgespräch als ausgesprochen mitteilsam. Sie erzählten gerne und ausgiebig.

Dies deckt sich mit meinen Erfahrungen in meiner Tätigkeit als Pflegediensthelferin und den Aussagen während der Interviews.

Die Sozialarbeiterin überlegte, wie man das Erzählen unter den Bewohnern anregen könnte und sammelte verschiedene Denkanstöße und Themenbereiche und entwickelte daraus mit den Bewohnern das Spiel „Vertellekes“.

Laut Spielanleitung kann es bei wöchentlicher Benutzung und einem Fragenverbrauch zwischen 10-15 Spielkarten pro Spiel ein Jahr lang gespielt werden, ohne das sich eine Aufgabe oder Frage wiederholt.

Die Spielregel ist sehr einfach und das Spiel ist mit minimaler Vorbereitungszeit anzuwenden. Es ist speziell für die stationäre Altenhilfe konzipiert worden, lässt sich aber auch in Seniorenclubs, Altentagesstätten und auf Seniorenfreizeiten usw. anwenden. Es sollte laut Anweisung am besten mit einer konstanten Gruppe von 3 bis 8 Personen regelmäßig gespielt werden.

„Vertellekes“ ist für das Erzählcafé im Altenheim mit zur Zeit insgesamt sieben Personen besonders gut geeignet.

Es gibt acht Themenbereiche und für jeden Bereich ein bestimmtes Symbol in Form eines Tieres. Für jeden Themenbereich stehen acht Aufgabenfeldkarten zur Verfügung, so dass es insgesamt 64 Aufgabenfeldkarten gibt. Das Spielbrett ist durch seine Größe für alte Menschen gut geeignet und hat 16 Felder, die mit den Aufgabenfeldkarten ganz individuell bestückt werden können. Das heißt, ich kann manche Themenbereiche ganz weglassen und auch die Anzahl der Karten für die verschiedenen Aufgabenbereiche bestimmen.

Mit einer gemeinsamen Spielfigur für alle Mitspieler zieht man je nach Augenzahl des Würfels von einem Aufgabenfeld zum nächsten. Jeder Mitspieler kommt nacheinander mit der Spielfigur an die Reihe. Nachdem die Bewohner gewürfelt und mit der Spielfigur auf dem jeweiligen Aufgabenfeld mit einem Tiersymbol gelandet sind, ziehen sie die dazu passende Aufgabenkarte mit dem gleichem Symbol. Kommt man zum Beispiel auf ein Feld mit einer Schildkröte, zieht man von dem Aufgabenstapel mit der Schildkröte eine Karte und liest sie für alle vor. Es gibt insgesamt 240 Aufgabenkarten, jeweils 30 für 8 verschiedene Themenbereiche. Jede Aufgabe richtet sich immer an die ganze Gruppe, also jeder der möchte, kann sich zum Thema äußern. Es gibt keine festgelegte Spielzeit sowie es kein festgelegtes Ziel gibt. In der Spielanleitung wird eine Stunde Spielzeit empfohlen. Hier werden auch die verschiedenen Umgangsweisen mit dem Spiel vorgestellt. Auch die Aufgabe des Spielleiters wird erläutert.

Ich möchte jetzt die verschiedenen Themenbereiche der Aufgabenfeldkarten vorstellen. Auf jeder Karte befinden sich zwei Fragen, die je nach Augenzahl des Würfels ausgewählt werden.

Die Schildkröte

Sie steht für biographische Fragen, zum Beispiel:
„Wie wurde in Ihrer Kindheit die Wäsche gewaschen und getrocknet?“


Die Katze

Sie steht für persönliche Fragen, zum Beispiel:
„Sind Sie schon einmal auf einem großen Tanzball gewesen?“

Der Vogel

Auf den Karten befinden sich immer zwei Liedertitel bekannter Volkslieder, in denen Wörter vertauscht wurden, zum Beispiel:
Bade zur guten Nacht“ oder „Jetzt fängt das schöne Frühstück an“ statt
Ade zur guten Nacht“ und „Jetzt fängt das schöne Frühjahr an“

Die Bewohner können die Titel erraten und das Lied gemeinsam singen, soweit es auswendig gekannt wird. Ich werde zur Unterstützung ein Volksliederbuch mitnehmen, um den Text zur Hand zu haben.

 

Die Eule

Sie steht für Poesie. Der Text wird vorgelesen und die Gruppe versucht ihn zu ergänzen. Die Bewohner können auch überlegen, wie Verfasser und Titel heißen. Die Lösung steht kleingedruckt am Rand.
Gedichte wecken Assoziationen, die einen Anlass zum Gespräch geben.
Beispiel: „Wie lautet die nächste Zeile des Gedichtverses?“
            „Festgemauert in der Erden
            steht die Form, aus Lehm gebrannt,
            heute muss die Glocke werden!“

„Frisch Gesellen, seid zur Hand!“ sollte ergänzt werden.

Der Dachs

Er steht für Klamauk. Auf der Karte stehen entweder Zungenbrecher oder Redensarten. Die Bewohner sollen die Zungenbrecher zweimal hintereinander nachsprechen. Hierbei ist es besonders wichtig, den Bewohnern zu vermitteln, dass Versprecher nicht peinlich, sondern gerade zur Erheiterung erwünscht sind. Es muss nicht jeder versuchen, die Redensart nachzusprechen.
Beispiel:
„Es lagen zwei zischende Schlangen zwischen zwei spitzen Steinen und zischten dazwischen“ oder
„Sieben Schneeschaufler schaufeln sieben Schaufeln Schnee, sieben Schaufeln Schnee schaufeln sieben Schneeschaufler“

Die Redensarten sind bekannt und stehen mit vertauschten Wörtern auf der Karte. Die Bewohner sollen die Redensarten erkennen und richtig wiedergeben.
Beispiel:
“Lass Dich nicht um den Hut wickeln, wenn sich jemand mit fremden Socken schmücken will“ (Finger, Federn)
“Wo Zucker und Salz verloren ist, da liegt der Salat im Pfeffer“ (Hopfen, Malz, Hase)

Der Igel

Er steht für Denkanstöße von meist bekannten Schriftstellern, Philosophen und Denkern. Der Spruch wird vorgelesen und gemeinsam wird über die Aussage nachgedacht. Die Bewohner tauschen sich darüber aus, was ihnen an dem Spruch gefällt und welche Ansichten sie zu dem Thema haben. Den Mitspielern fällt sicher etwas aus ihrer langen Lebenserfahrung ein, was sie dazu beitragen können.
Beispiel:
„Man muss sein Leben aus dem Holze schnitzen,
das man hat und wenn es krumm und knorrig wäre.“
Theodor Storm
Das Eichhörnchen

Auf jeder Karte stehen sechs Aufgaben. Es wird die Aufgabe je nach Summenzahl des Würfels gewählt.
1. Assoziationen
Hier soll man Begriffe nennen, die man mit dem vorgegebenen Wort assoziiert.
Beispiel: Begriffe wie Städte, Tiere Möbelstücke, usw.
2. Wortketten
Man soll aus dem zweiten Teil des zusammengesetzten Wortes ein neues zusammengesetztes Wort bilden, usw.
Beispiel: Mögliche Wortkombination bei dem Begriff „Pfefferkorn“:
Pfefferkorn – Kornblume – Blumentopf – Topflanze – usw.

Darüber hinaus gibt es noch weitere Summenrätsel, die ich hier nicht näher erläutern möchte.

Der Schmetterling

Der Begriff wird wieder entsprechend der gewürfelten Augenzahl ausgesucht und die Spielleitung oder ein Bewohner versucht ihn pantomimisch darzustellen. Die Gruppe versucht dann den Begriff zu erraten. Es sind einfache Tätigkeiten, die pantomimisch dargestellt werden sollen.
Beispiel: Telefonieren, Blumen gießen oder Spülen.

Ich werde beim ersten Einsatz des Spieles nicht sämtliche Aufgabenfeldkarten auf dem Spielplan verteilen. Ich habe mich für die Überzahl an „Schildkröten-“ und „Katzenkarten“, die für biographische und persönliche Fragen stehen, entschieden. Diese Themenbereiche regen besonders zum Erzählen an und passen gut zum Erzählcafé. Hierbei habe eine Vorauswahl an Karten getroffen, die ich für die Bewohner sehr ansprechend fand. Auf Wunsch der Bewohner können nach und nach die übrigen Themenbereiche hinzugenommen werden.

2.1.6    Ziel des Nachmittages

Ziel des Spieles ist es, den alten Menschen Hilfestellung zu geben, um sich an Teile ihrer Lebensgeschichte wieder zu erinnern. Dies kann durch konkrete Fragen nach ihrer Biographie gelingen. Die Fragen des Spiels sollten Anstoß zum Erzählen weiterer Erlebnisse geben. Die Fragen richten sich auf viele kleine Erlebnisse aus dem Langzeitgedächtnis. Das Langzeitgedächtnis soll über das Erinnern gefördert werden. Vor allem sollten lustige und angenehme Erfahrungen ins Gedächtnis gerufen werden. Interessant wäre auch der Austausch über Erfahrungen, überwiegend aus der Vergangenheit, aber auch aus der Gegenwart.
Ziel ist es, dass der Zustand der Leere und Leblosigkeit, wie ihn alte Menschen im Heim oft erleben, wieder ein mit Erinnerungen und inneren Bildern gefüllter Zustand wird. Die negativen Wahrnehmungen im Heimalltag sollten in den Hintergrund treten und positive Dinge sollten wahrgenommen werden. Das Spiel soll ein Gegengewicht zu einer verengten und negativen Wahrnehmung schaffen. Einerseits soll es ablenken und zum anderen sollen die Wahrnehmungen auf positive Ereignisse in der Vergangenheit gelenkt werden.
Jeder Teilnehmer sollte als Individuum, mit seiner ganz eigenen Art zu Erzählen, in der Gruppe zu Wort kommen, sofern er dies möchte. Nicht nur die Individualität, sondern auch das Gemeinschaftserlebnis, bei dem man zwischenmenschlichen Kontakt erfährt, sind das Ziel des Nachmittags. Jeder sollte sich ins Spiel einbringen können, wenn er es möchte, aber die Bewohner sollten sich nicht unter Druck gesetzt fühlen, etwas sagen zu müssen.
Ziel ist auch das bessere Kennenlernen der Gruppenmitglieder untereinander. Die Bewohner können auf die gestellten Fragen antworten, von sich erzählen oder anderen zuhören. Schön wäre, wenn die Bewohner sich dabei einander zuwenden und auch Fragen an die Mitbewohner gestellt würden. Dann wäre eines der wichtigsten Ziele erreicht, nämlich, dass die Bewohner die Hemmung und Scheu verlieren und untereinander Kontakt aufnehmen. Andere Bewohner brauchen auch Menschen zum Reden. Die Bewohner können sich untereinander am besten in die Situation im Heim einfühlen. Dies ist vor allem wünschenswert, da die anderen Ansprechpartner, wie schon bereits erwähnt wurde, zu wenig Zeit haben, um dem Bedürfnis des Erzählens nachzukommen. Dadurch würde das Prinzip der „Hilfe zur Selbsthilfe“ aktiviert.


2.2     Durchführung

2.2.1    Vorbereitung für das 2. Erzählcafé

Wie bereits geplant, rief ich Frau von Sch. an und bat sie, ihre Schwester Frau N. und Frau Sch. abzuholen und sie ins Erzählcafé zu begleiten.
Frau C. und Frau R. fragte ich, ob sie in der Lage sind, selbst zum Wintergarten zu gelangen.
Mit Herrn B. vereinbarte ich einen Termin zudem ich meinen Fotoapparat mitbrachte. Ich fragte ihn, ob er mir zum Fotografieren einiges erklären könne. Ich erzählte ihm vom Erzählcafé, und davon, dass ich noch einen Fotografen suche, der Aufnahmen vom Erzählcafé macht. Er wies mich darauf hin, dass er zwar kein Fotograf sein, aber früher sehr viel fotografiert habe und gerne bereit wäre, die Gruppe aufzunehmen. Ich lud ihn ein, gleichzeitig am Kaffeetrinken teilzunehmen. Ich bat ihn selbständig zum Erzählcafé zu kommen.

2.2.2    Beginn des 2. Nachmittags

Erfreulicherweise funktionierte das Abholen der Bewohner diesmal reibungslos. Frau v. S. begleitete ihre Schwester und Frau Sch. zum Wintergarten. Frau C. und Herr B. waren in der Lage, selbständig zu kommen.

Somit musste ich lediglich Frau R. und Herrn K. abholen, nachdem ich den Kaffeewagen aus der Küche geholt hatte.

Das Kaffeetrinken gestaltete sich diesmal sehr positiv. Ich hatte die Möglichkeit, zu den einzelnen Bewohnern zu gehen um ihnen Hilfestellung zu leisten. Ferner konnten die Rollstuhlfahrer bequem an den Tisch fahren. Die Bewohner freuten sich wieder über den selbstgebackenen Kuchen und die festliche Dekoration. Da sich die Bewohner bereits vom letzten Erzählcafé kannten, war die Atmosphäre schon beim Kaffeetrinken gelöst und wir kamen leicht ins Gespräch. Herr B. beschäftigte sich intensiv mit dem Fotoapparat und nahm das Fotographieren sehr wichtig. Er nahm auch am Kaffeetrinken und dem anschließendem Erzählspiel teil.

Nach dem Kaffeetrinken räumte ich den Tisch ab, um das geplante Spiel „Vertellekes“ vorzubereiten. Herr B. blieb weiterhin im Erzählcafé und nahm auch mit am Spiel teil. Somit waren wir insgesamt acht Personen.

2.2.3    Thema des 2. Erzählcafés

Nachdem ich das Spiel aufgebaut hatte, erklärte ich den Bewohnern nur mit kurzen Worten die Spielregeln, da diese durch das eigentliche Spiel viel anschaulicher werden. Nachdem ich auf dem Feld mit einer Schildkröte gelandet war, las ich die gezogene Karte der Gruppe vor:
„Können Sie sich noch an die Zeit erinnern, als es noch kein fließendes Wasser gab?“
Sofort begannen die Bewohner begeistert zu erzählen. Eine Bewohnerin erzählte von der Wasserpumpe außerhalb des Hauses, an der sie früher immer das Wasser holte. Ein anderer erzählte von einem alten Brunnen, aus dem, mithilfe eines Wassereimers, das Wasser geholt wurde. Über diese Erinnerungen entwickelte sich schnell ein Gespräch, an dem sich alle beteiligen konnten. Über die Erinnerung an den alten Brunnen kamen wir auf Märchen zu sprechen, in denen auch ein Brunnen vorkommt, wie zum Beispiel „Der Froschkönig“ und „Der Wolf und die sieben Geißlein“. Die Bewohner konnten sich noch gut an die Märchen ihrer Kinderzeit erinnern.

Es stellte sich heraus, dass die Spielregeln leicht verständlich waren und somit alle Bewohner ohne Scheu aktiv teilnahmen. Sie würfelten reihum und lasen die entsprechenden Karten selbst vor. Die Bewohner halfen sich auch untereinander, in dem sie sich beim Vorlesen gegenseitig unterstützten.

Ich habe mich genauso wie die Bewohner am Spiel beteiligt, aber eher die Rolle des aktiven Zuhörers eingenommen und war begeistert von den Erzählungen aus der früheren Zeit. Auch die Alten waren sichtlich begeistert, mir davon erzählen zu können.

Die Erzählungen verselbstständigten sich zunehmend, so dass das Spiel nur noch im Hintergrund stand.

2.2.4    Ausklang des 2. Nachmittags

Da ich beim ersten Erzählcafé die Uhrzeit vergessen hatte und ich zusätzlich von den Bewohnern erfahren hatte, dass sie nach dem Treffen sehr müde geworden waren, habe ich diesmal kurz nach 16:00 Uhr an die Zeit erinnert. Ich bot an, den Ein oder Anderen diesmal bereits früher zurückzubringen. Die Bewohner jedoch wollten erst zum Abendessen zurück sein.

Auch diesmal verlief das Zurückgelangen auf die Wohnbereiche reibungslos.


2.3     Reflexion

Wie auch bei dem ersten Erzählcafé reflektierte ich den Nachmittag mit jedem Bewohner einzeln. Hierbei ergab sich von Seiten der Bewohner nur positive Resonanz. Eine Bewohnerin äußerte den Wunsch, mal ein Gedicht vortragen zu dürfen. Ich werde dies in der Planung für das nächste oder das darauffolgende Treffen berücksichtigen und das Thema „Gedichte“ vorschlagen.

2.3.1    Negative Kritikpunkte / Verbesserungsvorschläge

Insgesamt war ich von dem Nachmittag genauso begeistert, wie die übrigen Teilnehmer. Dennoch habe ich eine Idee zur Verbesserung: Ich möchte gerne die Bewohner noch mehr in die Vorbereitungen einbeziehen, um ihre Selbständigkeit und Eigenaktivität zu fördern. Hierbei scheint mir die Möglichkeit geeignet, über ein gemeinsames Kuchenbacken eine weitere Bewohnerin zu erreichen und sie auch als neue Teilnehmerin für das Erzählcafé zu gewinnen.

2.3.3    Positive Kritikpunkte

 

·    Auswahl des Raumes

·    Das Abholen der Bewohner

·    Das Thema des Nachmittags

·    Zielsetzung erreicht

Die Auswahl des Raumes erwies sich insgesamt als sehr positiv. Durch die zentrale Lage konnten die Bewohner in kürzester Zeit zum Erzählcafé gelangen. Die Bewohner empfanden den Raum als sehr geeignet und angenehm durch seine Großzügigkeit und Helligkeit. Auch war für sie das Kaffeetrinken weitaus bequemer. Für eine eventuelle Erweiterung des Erzählkreises bietet der Raum ideale Möglichkeiten. Durch zusätzliche Tische und Stühle kann das Erzählcafé nahezu beliebig erweitert werden.

Eine Beeinträchtigung durch den Durchgangsverkehr konnte nicht festgestellt werden. Nur wenige Besucher nutzten die Durchgangsmöglichkeit. Hierbei bemühten sie sich zusätzlich die Gruppe, nicht zu stören.

Allerdings muss ich anmerken, dass der Raum von anderen Bewohnern und Angehörigen nicht wie üblich genutzt werden konnte. Wahrscheinlich haben sich diese Personen einen alternativen Treffpunkt für diesen Nachmittag gesucht.

Beginn des Nachmittags

Wie bereits erwähnt, erklärte sich Frau v. S. bereit die zwei Bewohnerinnen abzuholen. Frau C. und Herr B. waren in der Lage den Raum selbst aufzusuchen. Dadurch konnte ich ihre Selbständigkeit fördern und hatte zusätzlich eine Zeitersparnis. Da es Frau R. nach eigenen Angaben wichtig ist, von mir persönlich abgeholt zu werden, ging ich auf ihren Wunsch ein. Auch Herrn K. holte ich ab, da er nicht in der Lage ist, selbständig mit dem Rollstuhl zu fahren.

Somit bin ich ganz individuell auf jeden Teilnehmer eingegangen und trotzdem gestaltete sich das Abholen nicht mehr so zeitintensiv, wie beim ersten Mal.

2.3.4    Das Thema des Nachmittags

Wie schon in der Durchführung beschrieben, wurde das Spiel „Vertellekes“ sofort mit großer Begeisterung angenommen. Es eignet sich meiner Ansicht nach besonders gut für eine Gruppe im Altenheim. Es zeichnet sich durch einfache Spielregeln, Vielfältigkeit zu verschiedenen Themenbereichen sowie einer sehr guten Auswahl an Fragen aus. Die Fragen sind so gestellt, dass fast jeder alte Mensch etwas dazu beitragen kann. Sie sind allgemein und nicht zu intim gehalten, geben dem Menschen aber dennoch die Möglichkeit ganz Persönliches von sich zu erzählen.

Durch die Vorauswahl der Karten konnte ich im Vorfeld bereits die Themen des Nachmittags auswählen und war dennoch flexibel für Themen, die durch die Bewohner mit eingebracht wurden.

Das Spiel stand nicht wie geplant im Vordergrund, sondern die Erzählungen der Alten verselbständigten sich. Sie kamen schnell durch eigene Ideen von einem zum nächsten Thema. Dies empfand ich als sehr positiv, da die Bewohner die Erzählnachmittage möglichst aktiv gestalten sollten.

Bei der wöchentlichen Reflexion mit den einzelnen Bewohnern bestätigten sie, dass ihnen das Spiel gut gefallen habe. Sie möchten weiterhin „Vertellekes“ spielen und beim nächsten mal wieder eher als Erzählanstoß verwenden, als das Spielen in den Mittelpunkt zu stellen.

Auch die Einbeziehung von Herrn B. ist gut gelungen. Herr K. bestätigte mir, ihm habe es besser gefallen, dass ein weiterer Mann teilgenommen habe. Herr B. freut sich schon auf die entwickelten Fotos und möchte gerne beim nächsten Mal wiederkommen.

2.3.5    Ziele des Nachmittags

Das wichtigste Ziel, das Knüpfen des Kontaktes untereinander, das gegenseitige Erzählen und Zuhören ist erreicht worden. Die Bewohner wandten sich einander zu, stellten sich untereinander Fragen und die Erzählungen verselbständigten sich, wodurch das Spiel in den Hintergrund trat. Allerdings sind nicht alle Bewohner gleichmäßig am Erzählprozess beteiligt gewesen. Aber es ist auch nicht Wunsch eines jeden Teilnehmers, im Mittelpunkt zu stehen und viel von sich preis zu geben. Herr K., zum Beispiel, möchte überwiegend zuhören; dies ist in einer Erzählgruppe auch sehr wichtig, da Erzähler auch immer Zuhörer brauchen. Wenn Herr K. ab und an angesprochen wird, trägt er auch mit zum Erzählen bei. Niemand fühlte sich unter Druck gesetzt und jeder erzählte soviel, wie er es wollte.
Das Ziel, dass die Bewohner den Heimalltag vergessen sollen, wurde erreicht. Sie verloren sich zunehmend in den Erinnerungen und eine Erzählung folgte der nächsten. Die Bewohner konzentrierten sich nicht in ihren Erzählungen auf ihren Zustand oder das Leben im Heim, sie sprachen weder über Gebrechlichkeit, noch über Krankheit. Ihre Gedanken konzentrierten sich ausschließlich auf die Vergangenheit, somit wurde das Ziel der Ablenkung erreicht.
Allerdings war es ursprünglich mein Ziel, überwiegend positive Erinnerungen bei den Bewohnern zu wecken. Sie sollten sich schöne und lustige Erlebnisse und Begebenheiten wieder ins Gedächtnis rufen. Sie thematisierten aber unter anderem, genau wie bei ersten Erzählcafé, das Thema Krieg. An den Krieg haben die Bewohner alle sehr traurige und schreckliche Erinnerungen. Da die Bewohner aber selbst die Gespräche auf dieses Thema lenken, möchten sie auch über negative Ereignisse im Leben sprechen. Das Kriegsgeschehen hat ihr Leben und Denken und ihr weiteres Leben sehr geprägt, so dass sie die Erlebnisse daran nicht vergessen können. Auf meine Fragen hin, antworteten sie mir, es würde ihnen gut tun, darüber zu sprechen. Es ist für sie eine Art Vergangenheitsbewältigung. Da auch traurige Erlebnisse zum Leben eines Menschen gehören, nehme ich von dem Ziel Abstand, nur positive Erinnerungen aufleben lassen zu wollen und somit die Wahrnehmung ausschließlich auf schöne und positive Ereignisse der Vergangenheit zu lenken.
Die Bewohner sollten die Themen bestimmen, über die sie sprechen möchten. Meine Aufgabe ist es lediglich zu motivieren, Themenvorschläge zu machen und Erzählhilfen zu geben.
Jeder Bewohner hatte die Möglichkeit sich ganz individuell und seine eigene Persönlichkeit mit einzubringen.
Auch das Gemeinschaftserlebnis war von Vertrauen und Verbundenheit durch ähnliche Erfahrungen geprägt. Die Bewohner erzählten sehr persönliche Lebenserinnerungen. Das Ziel des besseren Kennenlernens wurde auch erreicht. Das Vorhaben, die Beziehungen unter den Bewohner zu fördern, damit sie sich gegenseitig als Gesprächspartner entdecken, gelang. Allerdings bleibt es fraglich, ob die Bewohner im Heimalltag auch mehr Kontakt zueinander aufnehmen. Es wäre erfreulich, wenn die Scheu und die Hemmschwelle auf andere Bewohner zuzugehen abgenommen hat. Hierbei ist aber zu bedenken, dass die Bewohner im Heimalltag in einer anderen Konstellation miteinander am Tisch sitzen oder miteinander wohnen, als das im Erzählcafé der Fall ist. Es bleibt die Hoffnung, dass sie durch die positive Resonanz auf ihr Erzählen im Erzählcafé den Mut finden, auch auf den Wohnbereichen mehr zu erzählen.

2.3.6    Der Ausklang des Nachmittags

Das Erzählcafé wurde auf Wunsch der Bewohner wieder erst kurz vor dem Abendessen beendet. Dies bestätigt die „Relevanz des Erzählens für die Heimbewohner“ und den gelungenen Nachmittag.

 

 

 


3     3. Erzählcafé

Ich möchte dieses und das weitere Erzählcafé nur kurz vorstellen.

Raum:
Das Erzählcafé fand wieder im Wintergarten des Altenheimes statt

Teilnehmer:
Die einzelnen Bewohner wurden erneut mit Hilfe der persönlichen Einladungskarte eingeladen.
Eingeladen wurden: Herr K., Herr B., Frau Sch. und Frau N. aus dem Pflegeheim und Frau R. sowie Frau C. aus dem Altenheim. Darüber hinaus besuchte ich Frau Schw., die sich beim Interview auch für das Erzählcafé interessiert hatte. Auch ihr überreichte ich eine Einladungskarte. Ich lud ferner Frau H. ein, die beim ersten Treffen spontan und nur kurzzeitig hinzugekommen war. Frau von Sch. konnte ich telefonisch einladen.
Im Haus X arbeitete eine Praktikantin der Altenpflegeschule und absolvierte ihr Praktikum im betreuerischen Bereich. Ich wurde von den Mitarbeitern des sozialen Dienstes gefragt, ob ich bereit wäre, die Praktikantin wöchentlich am Erzählcafé teilnehmen zu lassen, um ihr die Möglichkeit zu geben, hier etwas zu lernen. Ich fand diese Idee sehr gut. Die Praktikantin ist 19 Jahre alt und dadurch kann ein sehr guter Austausch zwischen den verschiedenen Generationen stattfinden. Darüber hinaus könnte sie mir bei den Vorbereitungen und der Durchführung helfen. Somit wurden zum dritten Erzählcafé neun Bewohner, eine Angehörige und eine Praktikantin erwartet.

Verbesserungsvorschlag:
Im Anschluß an das zweite Erzählcafé hatte ich mir überlegt, die Bewohner auch in die Vorbereitungen mit einzubeziehen. Ich wählte eine Bewohnerin aus, die sich zu der Zeit in einer „problematischen“ Situation befand und Schwierigkeiten hatte, sich im Heim zu integrieren. Für die Bewohner ist es schwer, sich mit der Vollversorgung im Heim abzufinden, weil jegliche Selbständigkeit verloren geht. Daher ist es sinnvoll die Bewohner auch in hauswirtschaftliche Tätigkeiten mit einzubeziehen. Ich lud Frau K. ein, mit mir für das Erzählcafé zu backen. Gleichzeitig erhielt sie auch eine Einladungskarte.

Vorbereitungen:
Da für das dritte Erzählcafé nun 12 Personen Platz finden müssen, stellten wir noch einige Tische aus einem anderen Raum hinzu. Wir deckten gemeinsam den Tisch und organisierten Stühle.

Die Zutaten zum Backen bestellte ich einige Tage zuvor in der Küche des Hauses. Frau K. und ich wollten Waffeln backen und dazu Kirschen und Sahne reichen. Zwei Stunden vor Beginn holte ich die Zutaten in der Küche ab und bereitete den Waffelteig mit Frau K. vor. Für das Backen hatte ich zuvor einen Raum organisiert. Wir hatten die Möglichkeit, mit Absprache der Wohnbereichsleiterin, die Küche des Wohnbereiches im Pflegeheim zu nutzen. Das Waffeleisen wurde von der Küche des Hauses gestellt. Kurz vor Beginn des Erzählcafés schlugen wir die Sahne und bereiteten die Waffeln im Eisen zu. Wir hatten sehr viel Spaß beim Backen. Frau K. meinte, sie werde mir als „alte Hausfrau“ einmal zeigen, wie man Waffeln backt.

Alle eingeladenen Gäste nahmen am Erzählcafé teil. Frau K. war sehr stolz, denn die Gäste waren von den Waffeln begeistert. Beim Abschied sagte Frau K. zu mir: „Jetzt wissen Sie Bescheid, wie man das alles macht. Jetzt können Sie es auch bestimmt einmal alleine versuchen.“ Dabei streichelte sie mir über die Hand. Daran konnte man erkennen, wie Stolz und dankbar sie war. Ich glaube, es ist für die Bewohner sehr wichtig, zu Tätigkeiten des täglichen Lebens, wie Backen oder Spülen hinzugezogen zu werden. Nur lässt sich dies leider im Heimalltag aus organisatorischen, räumlichen und zeitlichen Gründen nicht ausreichend verwirklichen.

Thema:
Wir nahmen erneut das Spiel „Vertellekes“ zum Erzählanstoß. Allerdings wurde diesmal das Spielbrett nicht aufgebaut, sondern es wurden nur die Fragekarten der Reihe nach gezogen und vorgelesen. Die Themen wechselten von Gesprächen über Haushaltsgegenstände aus der damaligen Zeit, über Kriegserlebnisse und die Umgebung im Bergischen Land. Die Bewohner erzählten von Denkmälern und Sehenswürdigkeiten, wie zum Beispiel von der „Müngstener Brücke“, „Schloss Burg“ oder der Schwebebahn und der damalige Zahnradbahn in Wuppertal. Beim Thema Schwebebahn wurden sowohl persönliche Geschichten, wie auch Geschichten über den Elefanten TUFFI, der aus der Schwebebahn fiel, erzählt. Hierbei kannte fast jeder eine andere Version. An die Geschichte knüpfte ich mit Aktuellem an. Ich erzählte den Bewohnern vom kürzlichen Schwebebahnabsturz. Es stellte sich heraus, dass die Bewohner über Vergangenes sehr gut Bescheid wissen, sogar meist die genauen Jahreszahlen kennen, aber über aktuelle Ereignisse nicht alle informiert sind.

Die Praktikantin erzählte aus ihrer Schulzeit und konnte die großen Unterschiede zu der damaligen Zeit mit den Bewohnern vergleichen.

Die Praktikantin half mir, genauso wie die Angehörige, beim Zurückbringen der Bewohner, so dass das Erzählcafé auch reibungslos beendet werden konnte. Der Praktikantin hatte das Erzählcafé so gut gefallen, dass ihr tagelang die Geschichten der alten Menschen nicht aus dem Kopf gingen.

 

 

 


4     4. Erzählcafé

Einladungen:
Es wurden insgesamt zwölf Personen über eine persönliche Karte eingeladen: Frau C., Rau R. und Frau Schw. aus dem Altenheim. Aus dem Pflegeheim: Herr B., Herr K., Frau Sch., und Frau N. Telefonisch wurde Frau von Sch. eingeladen sowie die Praktikantin.
Ich nahm auch Kontakt zum Heimbeirat des Altenheimes auf. Ich lud den Vorsitzenden des Heimbeirats, Herrn G., zum Erzählcafé ein, damit er sich über das neu eingerichtete Angebot informieren konnte.
Darüber hinaus lud ich meinen Freund ein und bat ihn, das Erzählcafé mit der Videokamera aufzunehmen. Die Bewohner waren damit einverstanden. Auch den Vater meines Freundes lud ich ein, da er sehr gerne Geschichten erzählt und selbst viele Gedichte schreibt und diese auch gerne auf Familienfeiern vorträgt. Somit wird das Altenheim mit Menschen gefüllt, die nicht im Heim leben und es kann ein Austausch stattfinden. Jeder Teilnehmer erhielt eine Karte mit Datum und Thema des Nachmittags.

Vorbereitungen zum Thema des Erzählcafés:
Das Thema des Nachmittags lautete diesmal: „Gedichte“. Zur Vorbereitung besuchte ich wieder jeden einzelnen Bewohner. Gemeinsam überlegten wir, welche Gedichte vorgetragen werden könnten. Die Bewohner trugen mir bereits bei diesem Besuch einige Gedichte auswendig vor. Diejenigen, die nicht in der Lage waren Gedichte auswendig vorzutragen, erklärten sich bereit einige vorzulesen. Wir überlegten uns bekannte Gedichte und ich suchte diese dann zu Hause heraus, zum Beispiel „Die Glocke“ von Schiller, „Der Zauberlehrling“ von J. W. von Goethe, „Herr von Ribbeck“ von Theodor Fontane, die „Lorelei“ von Heinrich Heine, „Max und Moritz“ von Wilhelm Busch sowie der „Erlkönig“ von Goethe. Frau Sch. entschied sich dafür, mit mir im Wechsel „Max und Moritz“ vorzulesen. Herr B. wollte gerne „Herrn von Ribbeck“ vortragen.
Alle Gedichte druckte ich mit Hilfe des Computers komplett in sehr großen Druckbuchstaben aus, da viele Bewohner die kleine Schrift in den Büchern nicht mehr erkennen können. Sie bekamen das ausgedruckte Gedicht einige Tage zuvor, um es noch einmal üben zu können. Als Einleitung zum Erzählcafé suchte ich mir einige Rätsel heraus, die in Gedichtform geschrieben sind.

Vorbereitungen:
Diesmal erklärte sich Frau von Sch. bereit, für Kuchen zu sorgen. Die Praktikantin half mir, Tische und Stühle zu transportieren, den Tisch zu decken, die Tischkarten aufzustellen und die Kerzen anzuzünden. Wir holten nur einen Teil der Bewohner ab, weil einige inzwischen selbständig kommen. Frau Sch. konnte leider nicht teilnehmen, da sie von ihrer Tochter zum Geburtstag abgeholt wurde. Einschließlich mir, nahmen zwölf Personen teil.

Ablauf des Erzählcafés:
Nach einer halben Stunde mit Kaffeetrinken und Kuchenessen begann das eigentliche Erzählcafé. Ich leitete die Erzählungen durch die Rätsel in Gedichtform ein. Danach trugen die Bewohner reihum Gedichte auswendig vor oder lasen sie ab. Erstaunlich war, wie viele sehr lange Gedichte die Bewohner in ihrer Schulzeit auswendig lernten und diese mit fast 90 Jahren noch vortragen konnten. Die Praktikantin hatte eigens ein Gedicht für das Erzählcafé geschrieben und übergab es mir, damit ich es vorlesen sollte, da sie sich selbst nicht traute. Über die Gedichte der Bewohner entwickelten sich Erzählungen aus der Schulzeit, es wurde zum Beispiel von Streichen erzählt. Erfreulicherweise halfen die Bewohner sich auch untereinander beim Aufsagen. Der Vortragende wurde mit Beifall belohnt. Zwischendurch wurde auch viel gelacht. Das Erzählcafé wurde mit der Videokamera aufgenommen und ist in Form einer Videokassette als Anlage zu dieser Diplomarbeit beigefügt.
Der Vorsitzende des Heimbeirats, der für einige Zeit dem Erzählcafé beiwohnte, bedankte sich für die Einladung. Anschließend machte er das Erzählcafé im ganzen Heim publik und lobte auf einer Konferenz meine Arbeit. Daraufhin wurde ich im Laufe der Zeit von einigen Bewohnern und Mitarbeitern auf das Erzählcafé angesprochen. Auch der Heimleiter bedankte sich persönlich für das Gelingen und meine Bemühungen. Auch der Sozialpädagoge bestätigte mich, indem er mir die positive Kritik seitens der Bewohner übermittelte.

In der darauffolgenden Woche wurde der Videofilm mit den Bewohnern angesehen. Hierfür organisierte ich einen Raum im Altenheim, der mit einem Fernseher und einem Videorecorder ausgestattet ist. Ich stellte die Stühle im Halbkreis um den Fernseher auf, damit alle Bewohner genügend sehen und hören konnten. Nur Frau H., die an diesem Tag wieder teilnahm, wollte sich lieber abseits vom Halbkreis setzen. Für diesen Nachmittag hatte ich wegen des schönen Wetters geplant, das Erzählcafé nach draußen in den Garten zu verlegen. Dort stehen Stühle, Bänke und ein Sonnenschirm zur Verfügung. Die Bewohner haben selten die Möglichkeit im schönen Wetter nach draußen zu gelangen, da sie zum größten Teil auf Hilfe angewiesen sind. Anstatt der Kaffeetafel, die dort wegen fehlender Tische nicht zu verwirklichen war, hatte ich für jeden Teilnehmer ein Eis bestellt. Geplant war die Einstimmung mit Eis essen im Garten und anschließendem Videovortrag im Andachtsraum. Die Praktikantin und Frau von Sch. wollten mir helfen, die Bewohner zum Raum zu begleiten. Allerdings musste das Erzählcafé wegen schlechten Wetters leider umgeplant werden. So fand das Eis essen im Fernsehraum statt. Der Film wurde abschnittsweise angesehen. In den Pausen wurde das Gehörte reflektiert. Es war für die Bewohner eine ganz neue Erfahrung und sie waren beeindruckt, sich selbst auf dem Bildschirm sehen zu können.

 

 

 


5     Reflexion der Erzählcafés

Im Folgenden werde ich die vorher definierten Ziele aus Kapitel I 3 überprüfen:

Das Ziel der Einrichtung eines festen, wöchentlichen Angebots ist gelungen, dies wirkt sich auch als Mithilfe zur Strukturierung des wöchentlichen Ablaufs für die Bewohner aus.
Das Angebot konnte Biographiearbeit leisten.
Es half den Bewohnern nach eigener Aussage dabei, die Langeweile im Alltag zu vertreiben und trug zum Wohlgefühl der Bewohner bei. Somit gibt das Angebot den Bewohnern ein Stück Lebensqualität zurück.
Die Bewohner konnten zum Erzählen motiviert werden und verloren nach und nach die Hemmschwelle, sich vor den anderen zu präsentieren, da ein Gemeinschaftsgefühl und eine vertraute Atmosphäre entwickelt werden konnte. Die Ressourcen der Bewohner wurden gefördert und ihr Geist aktiviert.
Die Aufmerksamkeit und Anerkennung der Zuhörer trug zur Steigerung des Selbstwertgefühls der Bewohner bei. Jeder konnte sich, soweit wie er es wollte, ganz persönlich mit einbringen. Die Gruppe akzeptierte die verschiedenen Persönlichkeiten und Menschen, die auf unterschiedliche Art und Weise erzählten und somit konnte das Ziel der Integrationsförderung erreicht werden.
Der Entindividualisierung im Heim konnte durch persönliche Einladungs- und Tischkarten sowie durch persönliche Beiträge entgegengewirkt werden.
Die Bewohner lernten voneinander, verglichen ihre Erinnerungen und Lebensgeschichten und sahen eigene Erlebnisse dadurch teilweise in einem anderen Licht.
Das Ziel der Hilfe zur Selbsthilfe wurde in sofern erreicht, dass die Bewohner nach Motivierung und Aktivierung, sowie Vermittlung durch meine Person später dann den Gesprächsverlauf und das Motto selbst bestimmten und die Erzählungen selbst gestalteten. Nach einer kurzen Einleitung durch Gedichte, Rätsel oder eine Kurzgeschichte meinerseits, konnte ich mich im Verlauf mehr und mehr zurücknehmen, um den Erzählungen der Bewohner freien Lauf zu lassen.
Das soziale Miteinander, die Gemeinschaftsfähigkeit und die Förderung der Kommunikation untereinander wurde erreicht.
Der Generationenaustausch wurde verwirklicht, indem die Bewohner ihr Wissen an mich und die Praktikantin, als Vertreter der jungen Generation, weitergaben. Auch wir konnten an deren Erzählungen anknüpfen und ihnen Aktuelles aus der heutigen Zeit erzählen, um somit ihren Horizont, ihr Wissen und ihre Sichtweisen zu erweitern.
Das wichtige Ziel, dass die Bewohner sich untereinander als Gesprächspartner entdecken sollten, wurde erreicht. Bewohner, die ansonsten auf den Wohnbereichen eher zurückgezogen leben und kaum in Kontakt mit anderen treten, wandten sich im Erzählcafé einander zu.
Leider konnte ich bisher noch nicht genau überprüfen, ob diese Bewohner nun auch außerhalb des Erzählcafés kontaktfreudiger und erzähllustiger geworden sind. Dies könnte eventuell noch in Zukunft mithilfe der Aussagen von Pflegedienstmitarbeitern überprüft werden.
Die Bewohner hatten die Möglichkeit durch Nachdenken, Zuhören, Erinnern und wiederaufleben lassen, ihre Konzentrationsfähigkeit, Aufmerksamkeit und ihre Wahrnehmung zu stärken. Auch konnte das Langzeit- und das Kurzzeitgedächtnis trainiert werden.
Es entwickelten sich viele Sympathien unter den Bewohner. Sie entdeckten ihr Interesse an anderen Bewohnern, sie wurden neugierig auf andere Erlebnisse und Lebensgeschichten. Die Bewohner halfen sich auch untereinander, zum Beispiel beim Kaffee ausschenken oder beim Erzählen.
Auch das Interesse am eigenen Leben konnte wieder hergestellt werden. Bewohner, die anfangs beim Interview kein Interesse an einem Erzählcafé bekundeten, später aber dann doch teilnahmen, entdeckten erst während des Nachmittags, dass sie doch das ein oder andere Amüsante oder Interessante aus ihrem Leben erzählen konnten. Anfangs hatten sie beteuert „ich hab´ doch nichts Besonderes im Leben erlebt“.
Das Erzählen über sich selbst trug zur Selbstexploration bei. Die eigene Lebenssituation und deren Möglichkeiten wurde bewusst und eine Selbsteinschätzung wurde ansatzweise möglich.
Das Interesse am eigenen Fotografiertwerden und am Betrachten eigener Portraits konnte verstärkt werden. Die einzelnen Erlebnisse aus Kindheit und Jugendzeit konnten mithilfe der Fotos geweckt werden. Die Fotos trugen zum gegenseitigen Kennenlernen und zur Unterhaltung bei. Während des Erzählcafés erstellte Fotos konnten betrachtet und mit früheren Fotografien verglichen werden. Auch war es geglückt, das frühere Interesse am Selbstfotografieren eines Bewohners wieder zu entdecken und zu fördern. Er bekam Anerkennung der anderen, die seine Fotos betrachteten. Die Bewohner gestalteten den Prozess des Fotografierens mit, indem sie sich auch selbst für das gewünschte Selbstbild inszenierten. Entstandene Fotos wurden reflektiert, ausgewählt und nachbestellt.
Die Bewohner wurden, mit Einverständnis, während eines Erzählnachmittages mit der Videokamera aufgenommen. In der darauffolgenden Woche wurde ihnen der Film, im Fernsehraum, gezeigt. Die war eine ganz neue Erfahrung für die Bewohner. Keiner von ihnen hatte sich schon einmal auf einem Fernsehbildschirm gesehen. Sie hatten die Möglichkeit, ihre Ausstrahlung, Mimik und Gestik sowie ihre Stimme ganz neu und anders wahrzunehmen.
Über das Erzählen von Gedichten aus der Schulzeit konnten Erinnerungen an die Schule, wie zum Beispiel an Streiche, wieder aufleben und zur Erheiterung beitragen. Über das Präsentieren durch teilweise sehr lange, auswendig gelernte Gedichte, konnte den Bewohnern viel Anerkennung und Lob zukommen. Sie hatten die Möglichkeit, das zu zeigen, was sie noch können. Nach eigenen Aussagen haben sie an keiner anderen Stelle die Möglichkeit, diese Gedichte vorzutragen. Diese positive Selbstdarstellung wirkt sich auf das gesamte Wohlbefinden der Bewohner aus.
Über das Erzählen von Witzen konnte eine lockere und heitere Stimmung entstehen. Über das gemeinsame Lachen entstand ein Zusammengehörigkeitsgefühl und die Bewohner konzentrierten sich auf positive Wahrnehmungen. Allerdings war es auch immer Wunsch der Bewohner, auch traurige und schreckliche Erlebnisse aus dem Leben zu thematisieren. Dies half ihnen nach eigener Aussage dabei, diese Erlebnisse besser zu verarbeiten.

Fraglich ist, ob das Ziel, die Kommunikation auf den Wohnbereichen zu erhöhen, erreicht wurde. Dies ließ sich noch nicht genau überprüfen.
Auch das Ziel des Auflösens von Aggressionen auf den Wohnbereichen über den Ausgleich des Erzählens konnte nicht genau festgestellt werden. Vielleicht bedarf es dafür einer kontinuierlichen Teilnahme am Erzählcafé über einen längeren Zeitraum. Eine Antwort auf dieses Ziel könnte durch eine gezielte Befragung der Pflegekräfte erreicht werden.
Das Resümieren des eigenen Lebens zur besseren Vorbereitung auf den eigenen Tod ließ sich bisher nicht überprüfen. Die Bewohner resümierten ihr Leben, indem sie Bilanz zogen über schöne und schlechte Tage und erzählten von nicht erfüllten Träumen. Ob sie sich dadurch besser auf ihren Tod vorbereiten können oder wollen, wurde nicht thematisiert.
Das Einbeziehen von Pflegedienstmitarbeitern und Angehörigen wurde zum Teil erreicht. Eine Angehörige beteiligte sich von Beginn an aktiv am Erzählcafé. Sie half mir beim Abholen der Bewohner, bereitete Kuchen vor und trug durch viele persönliche Geschichten zum Erzählcafé bei. Auch andere Angehörige beteiligten sich, indem sie zum Beispiel ein Volksliederbuch für das Erzählcafé besorgten oder mir eigens besprochene Kassetten mit Erzählungen aus dem Leben, als Bereicherung zum Erzählcafé, zukommen ließen.
Die Pflegedienstkräfte unterstützen mich bei Vorbereitungen und bestätigten meine Arbeit durch viel positive Kritik. Bisher ist es noch nicht gelungen, die Pflegedienstmitarbeiter aktiv in das Erzählcafé einzubeziehen. Das liegt daran, dass ihnen während der Dienstzeit keine Zeit zur Verfügung steht und sie nach Dienstende Abstand brauchen, um sich zu regenerieren. Allerdings bekundeten sie regelmäßig Interesse an dem Verhalten der Bewohner während der Erzählcafés. Sie sind überrascht, wenn ich Bewohner als gesprächig und lustig beschreibe. Insbesondere ist hier zu beobachten, dass die Bewohner sich, je nach Umgebung, unterschiedlich verhalten. Es ist eindeutig festzustellen, dass die Bewohner sich durch die Ansprache und Atmosphäre wesentlich positiver geben, wenn sie im Erzählcafé sind.

Das Ziel, Interesse an der Arbeit mit alten Menschen in der Öffentlichkeit zu wecken, konnte bisher nicht verwirklicht werden. Die Veröffentlichung im Internet ist aus zeitlichen Gründen erst kürzlich erfolgt und die Einladung der regionalen Presse ist aus den selben Gründen erst für die Zukunft geplant.

Es bleibt zu hoffen, dass diese kleinen Anstöße einen Schritt zum Interesse leisten können.

Das Ziel, auf personelle Missstände im Altenheim in der Gesellschaft aufmerksam zu machen, ist sehr schwierig zu erreichen und konnte noch nicht eingelöst werden. Der einzige Schritt, der getan wurde, ist die Erwähnung der Missstände in der vorliegenden Diplomarbeit. Damit kann aber die breite Öffentlichkeit nicht erreicht werden. Es ist fraglich, ob die Gesellschaft überhaupt Interesse daran bekunden würde. Die Möglichkeiten der Sensibilisierung der Öffentlichkeit für diese Problematik müssen noch genauer diskutiert werden. Hierbei wäre es sinnvoll, dies in Gemeinschaft anzugehen und nach Ideen zu fragen.

 


6     Fotogalerie

 

Das Erzählcafé im Wintergartem


 

.. oft wird auch mit Hilfe der Hände erzählt

 


Die Bewohner wenden sich einander zu ....

 

und gestikulieren .....


Es wird heiter erzählt ....

und alles ganz genau beschrieben !

Wir sehen uns gemeinsam den gedrehten Videofilm zumThema „Gedichte“ an.

Es wird viel gelacht ......


Es wird erzählt und zugehört .....

 

Es werden Fotoalben aus früheren Zeiten angesehen und dazu erzählt!


 

 


Es wird genau zugehört .....

 

..... und dann auch schon einmal Tränen gelacht.


 

 

Gemeinsames Backen in der Küche.

 


7     Ausblick

Das Erzählcafé wurde geplant als ein zeitlich begrenztes, wöchentliches Angebot. Über die zeitliche Begrenzung waren die Bewohner zu Beginn unterrichtet worden.

Es hat sich herausgestellt, dass sich die Bewohner inzwischen, nach eigener und der Aussage der Pflegekräfte, teilweise die ganze Woche über, auf den Erzählnachmittag freuen. Über diesen Nachmittag hinaus, beschäftigen sie sich auch an anderen Tagen mit dem Erzählcafé, indem sie Vorbereitungen treffen: Sie überlegen sich, worüber sie beim nächsten Mal erzählen könnten, üben Gedichte nochmals ein, und denken über das Erzählte nach. Eine Bewohnerin erzählte mir, sie sei vor dem Erzählcafé zum Friseur gegangen, um an diesem Nachmittag besonders gut auszusehen. Teilweise konnte ich die Bewohner auch an Vorbereitungen, wie Backen beteiligen.

Den Bewohnern würde bei der Einstellung des Angebots ein wichtiger Bestandteil ihrer Woche genommen. Da es nicht möglich war, eine Person zu finden, die das Erzählcafé an meiner Stelle weiterführt und ich auch selbst sehr viel Freude an dem Erzählcafé habe, werde ich es auch in Zukunft weiterführen. Ich werde das Angebot allerdings nur 14-tägig anbieten. Die ehemalige Praktikantin des Altenheimes möchte mich weiterhin im zweiwöchigen Rhythmus unterstützen, da ihr das Erzählcafé ebenfalls sehr viel Spaß bereitet.

Als weitere Themen für die Zukunft wurde schon einiges vorgeschlagen:

Ich werde in der Bücherei einige Fotobände mit alten Bildern aus dem Bergischen Land ausleihen und diese zum Betrachten ins Erzählcafé mitbringen, denn die Bewohner erzählen häufig aus der Umgebung und wie es früher aussah. Sie erzählen von Denkmälern und Sehenswürdigkeiten. In den Büchern können sie diese eventuell wiederfinden, ihre Erinnerung aufleben lassen und sich daran erfreuen.

Darüber hinaus wurde von einem Bewohner der Besuch eines Heimatmuseums in der Umgebung vorgeschlagen. Die Bewohner erzählen oft über Haushaltsgegenstände, wie alte Bügeleisen, Waschbretter und Handwaschmaschinen, die sie früher benutzen. Ich werde versuchen, einen Ausflug mit den Bewohnern zu einem Museum zu organisieren, indem man diese alten Gegenstände betrachten kann. Ein behindertengerechtes Fahrzeug würde mir zur Verfügung stehen. Ich habe bereits eine Altenpflegerin begeistern können mitzufahren, um mir zu helfen. Würden sich noch weitere Helfer finden, ließe sich der Besuch verwirklichen.

Von den Bewohnern kam der Vorschlag, gemeinsam alte, deutsche Volkslieder zu singen. Eine Bewohnerin sprach ihre Angehörigen an, sie sollten ihr ein Volksliederbuch kaufen. Dieses Buch brachte sie zum Erzählcafé mit und spendete es für die Gruppe. Wir werden in Zukunft das Erzählen mit Singen auflockern. Da meine Schwester sehr gut Klavier spielen kann und im Wintergarten des Altenheimes ein Klavier zur Verfügung steht, werde ich sie einladen, damit sie uns beim Singen begleiten kann.

Als weitere Idee habe ich vorgeschlagen, eine Gruppe junger Menschen zum Erzählcafé einzuladen. Ich werde den Pfarrer der Musterhauser Gemeinde fragen, ob es möglich wäre, seine Konfirmandengruppe in mein Erzählcafé einzuladen, um einen Austausch zwischen den Generationen herbeizuführen.
Geplant ist auch, das Mitbringen eines tragbaren CD-Spielers, um eine CD mit den Bewohnern anzuhören. Ich habe CDs von professionellen Erzählern, wie Jusuf Naoum und Rafik Schami, die spannend und erheiternt sind und einen abwechslungsreichen Beitrag zum Erzählcafé leisten können.

Mir ist es auch wichtig, Öffentlichkeitsarbeit zu leisten, um eventuell noch ehrenamtliche Helfer zu finden und um ein Bewusstsein für alte Menschen und Heimbewohner in der Gesellschaft entstehen zu lassen. Mein Wunsch ist es, dass auch in anderen Altenheimen der Versuch eines Erzählcafés aufgenommen wird und man sich gegenseitig austauschen könnte. Neben der Präsentation im Internet, die ich bereits unter http://www.onida-steinmetzler.de verwirklicht habe, ist es geplant, die regionale Presse einzuladen. Dieses Vorhaben wurde bereits von mir mit dem Sozialpädagogen und dem Heimleiter abgesprochen, die die Idee sehr gut fanden. Auch die Bewohner sind damit einverstanden.

Es sind noch einige weitere Details, Ideen und Verbesserungen geplant.

 

 


III Schlussbetrachtungen

Ich bin der Frage nachgegangen, ob das „Erzählen“ für die Zielgruppe „Alte Menschen im Altenheim“ relevant ist.

Durch eigene Gedankenentwicklung, das Sammeln von Erfahrungen, das Zusammentragen von Ergebnissen aus der Literatur sowie dem Internet und der Überprüfung durch die Interviews mit Bewohnern und Mitarbeitern eines Altenheimes, konnte die Relevanz bestätigt werden.

Während der Interviews zeigte sich, dass die Bewohner sehr gerne Erzählen. Trotz vorheriger Bedenken konnte ich das Angebot eines Erzählcafés verwirklichen. Ich führe dies unter anderem auf die Methode der Auswahl der Bewohner zurück. Über die Interviews konnten die Bewohner mich bereits kennenlernen, Vertrauen zu mir aufbauen und näheres zum Erzählcafé erfahren. Über die Interviews konnte ich die Bewohner erreichen, die tatsächlich Interesse am Erzählen und an einem Erzählcafé haben und dazu in der Lage sind. Hätte ich eine schon bestehende Gruppe der Beschäftigungstherapie übernommen, wären sicherlich nicht alle Teilnehmer zum Erzählen geeignet gewesen bzw. hätten kein Interesse an einer solchen Veranstaltung gezeigt. Auch ein Aushang als allgemeine Einladung hätte die Bewohner nicht gezielt ansprechen können und viele hätten das Plakat nicht beachtet.

Abschließend läßt sich sagen, die Bewohner sowie die Mitarbeiter sind der Auffassung, es gäbe eindeutig zu wenig Ansprechpartner für die Bewohner. Die Kontaktpersonen haben vor allem nicht genügend Zeit für ein intensives Gespräch. Dies wird einerseits auf die Einführung der Pflegeversicherung zurückgeführt, die die psychosoziale Betreuung nicht berücksichtigt und andererseits auf die negative Einstellung der Gesellschaft, die sich ungern mit Menschen in problematischen Lebenslagen und Themen, wie das „Alt-werden“ auseinandersetzt.

 


IV Anhang

A  Interviews

1     Der Heimleiter

Ich arbeite seit dem 01.01.1991 hier im Haus X als Heimleiter und Geschäftsführer. Davon war ich allerdings eine Zeit lang teilzeitbeschäftigt, weil ich sehr zum Leidwesen meiner Vorgesetzten, sprich der Gesellschafterversammlung, Erziehungsurlaub genommen habe. Das dauerte 1¼ Jahr; in dieser Zeit habe ich nur acht Stunden pro Woche, aber rein als Geschäftsführer und nicht mehr als Heimleiter gearbeitet. Die Heimleitung hat dann eine Kollegin übernommen, die vorher angeleitet wurde.

Welche Aufgabengebiete haben Sie als Geschäftsführer und Heimleiter?

Meine Aufgabengebiete bestehen als Geschäftsführer vor allen Dingen darin, den wirtschaftlichen Betrieb der Einrichtung zu führen, also dafür zu sorgen, dass Erträge erwirtschaftet und dass die Unternehmenspolitik nach den Vorgaben, die die Gesellschafterversammlung macht, durchgeführt wird. Ich vertrete als Geschäftführer die Gesellschaft, es ist ja eine GmbH, auch im Rechtsverkehr. Dass heißt, ich bin als Geschäftsführer Organ,  so nennt sich das, oder Organmitglied. Eine juristische Person kann eben nicht von sich aus handeln, sondern braucht dazu immer Organe. Derzeit bin ich allein hier Geschäftführer und der einzige, der in allen Rechtsgeschäften die Gesellschaft verteten kann. In einigen Rechtsgeschäften kann mich auch noch ein Prokurist vertreten, der ehrenamtlich tätig ist. Als Heimleiter bin ich zuständig vor allem für den Bereich der hausinternen Organisation, übergreifend für sämtliche Dienstleistungsbereiche, sprich Pflege, Hauswirtschaft, Verwaltung, haustechnischer Dienst, Beschäftigungstherapie und Sozialer Dienst. Aber wie ich es verstehe, nur insofern,  dass ich Richtlinien vorgebe, die Detailarbeit dann aber von den einzelnen Leitungskräften durchgeführt wird, der Pflegedienstleitung, der Hauswirtschaftsleitung, dem Sozialpädagogen als Leiter des Sozialen Dienstes und der Verwaltungsleitung. Als Heimleiter bin ich nicht mehr das und kann nicht mehr das tun, was früher einmal Heimleiteraufgabe war. Aber ich kann so eine Aufgabe, wie ein Hausvater, nicht mehr wahrnehmen. Das ist von vielen ein bedauertes, altes Bild von einem Heimleiter. Heimleitung ist heute eine eindeutige Management- und Leitungsaufgabe. 

Das bedeutet, mit den Bewohnern an sich haben Sie so viel nicht zu tun?

Ich habe nach eigenem Empfinden im Grunde zu wenig mit den Menschen zu tun. Meine Fähigkeiten im Bereich Kommunikation kommen leider nicht zum Tragen. Das ist leider so, das muss ich feststellen. Ich freunde mich immer mehr mit dem Gedanken an, obwohl es mir auch leid tut.

Aber ab und an gehen Sie ja doch mal zu den Bewohnern und sprechen mit ihnen!

Ja natürlich, ab und an ja. Das versuche ich. Aber es gelingt mir natürlich nicht so, wie ich es mir vorstelle. Das hat eher den Charakter von sporadischen Besuchen und eine wirkliche Kontinuität im Sinne von einmal die Woche bei einer bestimmten Anzahl von Bewohnern, das funktioniert leider derzeit nicht. Das hängt auch sehr mit der Pflegeversicherung zusammen, die uns doch heftig beutelt und im Grunde keine Zeit übrig lässt, für Dinge, die im zwischenmenschlichen Bereich stattfinden und oft wichtiger sind, als vieles andere.

Da möchte ich doch direkt auf das eigentliche Thema kommen. Mein Thema ist das Erzählen. Ich möchte Sie fragen, ob und warum „Erzählen“ nach Ihrer Auffassung wichtig für den Menschen ist. Oder was bedeutet „Erzählen“ für Sie persönlich?

Wir haben da ja schon darüber gesprochen und ich habe ihnen auch gesagt, dass ich das Thema sehr wichtig finde. Ich versuche es mal, in ein paar Worte zu fassen. Erzählen ist „Sich-anderen-mitteilen“. Das hat für mich eine sehr große Bedeutung, weil es immer Ausdruck von Beziehungen und Beziehungsqualität ist. Da wo Menschen miteinander sprechen, da wo sie sich etwas erzählen, da drücken sie aus, dass sie in einer lebendigen Beziehung zum Gegenüber stehen. Von daher ist Erzählen eine ganz, ganz wichtige Sache und gerade im Hinblick auf alte Menschen, die, wenn man mal das Leben als Ganzes sieht, ja sehr stark auch rückwärts gewandt leben und vielleicht auch gar nicht mehr so viel an neuen Perspektiven haben. Alte Menschen haben ja auch ganz viel zu erzählen. Deshalb hat es gerade für alte Menschen eine große Bedeutung. Aber nicht nur für sie, sondern auch für diejenigen, die ihnen zuhören, weil der Erfahrungsschatz etwas ist, wovon die anderen profitieren könnten, wenn sie den Alten einmal richtig zuhören würden.

Das heißt also, junge Menschen könnten über das Erzählen von den Alten lernen? Das ist ja in der heutigen Zeit eher verloren gegangen, früher haben ja wirklich die Alten den Jungen vieles vermittelt. Wäre das auch in der heutigen Gesellschaft noch sinnvoll? Kann man durch die Geschichten etwas lernen?

Also, da wo das zugelassen wird, zu erzählen und sich gegenseitig mitzuteilen, da findet auch ein Lernprozess statt, allein schon durch den Informationsaustausch. Aber ich denke, es findet noch ein weiterer Lern-effekt statt, auf einer anderen Ebene. Nämlich da, wo Kinder und Jugendliche oder überhaupt die junge Generation etwas lernt über die Fähigkeit, sich mitzuteilen und wo es einfach darum geht, zu erfahren, dass man erzählen kann. Denn viele Leute denken, sie können gar nichts erzählen. Sie haben Schwierigkeiten zu erzählen und auch vor allem etwas von sich weiterzugeben. Auch um etwas weiterzugeben, um einen Bogen zu spannen, ist erzählen wichtig. Alte Menschen haben ja ihr ganzes Leben im Blick, wenn sie etwas erzählen. Das Erzählen findet ja immer ein Stück weit von einer abgehobenen Perspektive statt, denn eine Rückschau heißt ja, man ist an einem Ziel angekommen und schaut von diesem Ziel zurück. Ich gehe dann von diesem Ziel, das ich mir als Werk vorstelle, dann in Gedanken zurück auf den Weg, den ich gegangen bin, bis ich zu dem Gipfel gekommen bin.

Glauben Sie, dass die Alten manchmal auch jemanden brauchen, der sie dazu motiviert, noch mal zurückzusehen und davon zu erzählen? Oder machen die Alten das auch ohne Motivation von außen? Kann man das verallgemeinern, oder ist das bei jedem Menschen unterschiedlich? Ist es aber oft nicht doch wichtig, dass da eine Person ist, die die Menschen anspricht und auch nachfragt „Was war denn früher? Was haben Sie denn früher erlebt?“. Kommt vielleicht der alte Mensch erst dadurch auf die Idee sein Leben zu resümieren, um es besser abschließen zu können?

Ich glaube, mit einer pauschalen Aussage kann ich das nicht beantworten. Ich kann aber von meinen Erlebnissen berichten. Ich erlebe wenige alte Menschen als so selbstbewusst, dass sie von sich aus diese Dinge tun und anfangen, über sich selbst etwas zu erzählen. Ich erlebe viele Menschen der älteren Generation, also derjenigen, die zwischen 70 und 90 Jahre sind oder vielleicht sogar noch älter, als sehr, sehr zurückhaltend und auch nicht mit einem so großen Selbstwertgefühl ausgestattet. Die Menschen sind ja auch in sehr autoritären Systemen groß geworden und bei vielen hilft eine kleine und manchmal auch eine größere Ermunterung schon dabei, auch erst einmal den Wert des eigenen Lebens zu erkennen. Dann wächst auch die Bereitschaft, etwas von sich zu erzählen. Für die meisten ist das Motivieren eine wichtige Sache und sie hilft ihnen auch, sich einen Ruck zu geben und sich zu sagen: „Ich erzähl doch mal“. Ermunterung ist für viele wichtig. Es gibt auch einige wenige, die „brabbeln“ drauflos. Ich würde sagen, es gibt sehr viele andere, die die Motivation brauchen, da sie sich nicht trauen und sehr zurückhaltend sind. Ich würde es überwiegend bejahen.

Mir fällt häufig auf, dass mehrere Bewohner an einem Tisch sitzen und dann eigentlich gar nicht miteinander sprechen. Wenn man sie fragt, wie es ihnen geht, dann sagen sie „Keiner ist da, ich hab´ keinen zum Reden!“ Aber sie sitzen zusammen an einem Tisch und sprechen nicht miteinander. Wenn man sich dann dazu setzt, sie anspricht und zwischen ihnen vermittelt, dann erzählen sie schon etwas. Mir erscheint es so zu sein, dass sie jemanden brauchen, der sie anspricht, um ein Gespräch erst mal in Gang zu bringen.

Um das wirklich einschätzen zu können, was in der Interaktion zwischen den Bewohnern passiert, muss man sich, wenn man es gut machen will, mit den einzelnen Biographien befassen. Überwiegend wohnen Menschen in der stationären Altenhilfeeinrichtung miteinander über eine Zwangsverpflichtung. Die Menschen kommen ja in der Regel nicht wirklich freiwillig. Zu einem Kaffeekränzchen geht man, wenn man mobil ist, freiwillig. Da geht man gerne hin, weil man da Gleichgesinnte trifft. Die Leute, die in der Altenhilfeeinrichtung leben, die sind keine Gleichgesinnten, sondern "Gleichgeschlagene". Sie haben ein ähnliches Schicksal, sie erleben es überwiegend als Negativ-Schicksal, und sie sind nicht freiwillig hier, sie sind gezwungenermaßen hier. Es sind dann viele andere Leute hier, die sie nicht mögen. Oft haben die Leute auch einfach Scheu voreinander. Wenn dann jemand dazu kommt, vielleicht auch noch ein junger Mensch, der die Leute ermuntert und ihnen die Scheu nimmt, dann fällt es den Menschen leichter, über diese dritte Person in Interaktion zu treten. Das nimmt ihnen die Angst. Ich glaube, dass das soziale Gefüge in einer Altenhilfeeinrichtung auch nicht gerade unkompliziert ist, sondern im Gegenteil sehr kompliziert. Die Menschen müssen auf engem Raum zusammenleben, meist in Doppelzimmern. Es sind auch Leute dabei, die sich wortwörtlich nicht riechen können. Das wird von vielen als Zumutung erlebt. Durch ein Gespräch kann man vielen auch über diese Einstellung hinweghelfen, dass es eine Zumutung ist, in dem man darauf hinweist, dass da ein Nachbar ist, der ähnliche Bedürfnisse hat, wie er oder sie selber.

Welchen Ruf hat denn das „Erzählen“ allgemein? Viele reagieren im ersten Moment so, als wäre es nur etwas alltägliches oder belangloses, aber nichts Lebensnotwendiges. Nehmen die Menschen Erzählen ihrer Meinung nach nicht wichtig genug oder vielleicht verbinden sie auch mit Erzählen etwas negatives, wie Tratschen oder Quasseln?

Ja, viele Menschen denken nicht über die Bedeutung nach. Möglicherweise ist dieser Begriff „Erzählen“ einfach in den Köpfen der Menschen negativ besetzt. Mir fällt jetzt gerade eine Assoziation ein: Ich denke da an eine Talkshow. Ich dachte gerade daran, was einem so alles begegnen kann in Talkshows, man trifft auf Kommunikation, die „unter aller Kanone“ ist, wo Leute sich ankeifen und wo Menschen sich überhaupt nicht wirklich zuhören. Sie unterbrechen sich gegenseitig und lassen sich nicht ausreden, das ist natürlich ein Negativbeispiel zum Erzählen. Vielleicht schwingen diese Eindrücke mit bei der Besetzung des Begriffs „Erzählen“. Vielleicht liegt es einfach daran, dass mit dem Begriff „Erzählen„ negative Assoziationen verknüpft sind. Man sollte dieses Wort wieder anders besetzen.

Mit wem erzählen denn die Bewohner? Untereinander erzählen sie ja nicht so viel, aber welche Ansprechpartner haben sie denn?

Vor allem sind die Angehörigen Ansprechpartner oder sie sollten es sein. Dann die professionellen Pflegekräfte und diejenigen Menschen, die sich ihnen als Ansprechpartner anbieten. Aber ich denke, es mangelt schlichtweg an Angeboten.

Jetzt sind Sie schon zu der nächsten Frage übergegangen, die ich stellen wollte. Haben die Bewohner genügend Ansprechpartner?

Nein, die Situation in einer stationären Altenpflegeeinrichtung ist oft genug, bei aller Bemühung, auch Ehrenamtliche mit einzubinden, immer noch ein Stück weit vom Ghettocharakter geprägt. Das Altenheim ist ein Ghetto. Das Haus ist etwas Abgeschlossenes für sich und ist auch Ausdruck einer gesellschaftlichen Vermeidungsstrategie. Es wird vermieden, mit alten Menschen, vor allem aus dem Heim, Kontakt aufzunehmen, weil das ja auch heißen würde, sich zu konfrontieren mit Krankheit und Leid, Sterben und Tod. Die Gesellschaft möchte von Alten nicht so viel wissen. Das Altsein oder Altwerden ist mit Sicherheit negativ belastet. Es ist auch eindeutig so, dass das Personal den Bedürfnissen der alten Menschen zum Erzählen nicht gerecht werden kann. Das ist mit den Entgelten, mit denen wir hier arbeiten und mit der personellen Besetzung absolut nicht möglich, was natürlich vor allem zusätzlich durch die Pflegeversicherung forciert worden ist.

Wird denn das Zwischenmenschliche, die Zeit dafür, in der Pflegeversicherung überhaupt nicht berücksichtigt? Sind denn da gar keine Stunden für eingeplant?

Also, es gibt vollmundige Formulierungen, so auch in den einleitenden Artikeln des SGB XI. Diese Formulierungen werden aber dann in den eigentlichen Paragraphen des Pflegeversicherungsgesetztes wieder ad acta gelegt, weil sich die gesetzliche Gestaltung des SGB XI an der Prämisse der Beitragssatzstabilität ausrichtet. Das heißt, das was der Politik wirklich wichtig ist, sind stabile Beiträge zur gesetzlichen oder privaten Pflegeversicherung, nicht die Bedürfnisse der Menschen. Die kommen dabei „unter die Räder“.

Wer entscheidet diesen Zustand denn letztendlich, bzw. wer ist verantwortlich?

Der Gesetzgeber, der fernab von der Umsetzung in der Realität ist und auch von den ganzen negativen Begleiterscheinungen nicht betroffen ist, sie nicht erlebt und auch vermeidet, diese zu erleben. Wenn es dann ernstzunehmende Studien gibt, über die Belastung von Pflegepersonal, wie zum Beispiel vom „Zentralinstitut für Gesundheit“ in Darmstadt, werden diese schlichtweg nicht zur Kenntnis genommen, oder höchstens nur von exotischen Fachleuten. Bis die dann wirklich Gehör finden, bei der breiten Mehrheit, damit es zu einer Gesetzesänderung führt, muss man einen sehr langen Atem haben. Das Schlimme ist nur, dass die Alten bis dahin nicht mehr da sind. Sie werden vorher sterben, falls sich etwas ändern sollte.


2     Der Sozialpädagoge

Wie lange arbeiten Sie hier im Altenheim?

Seit 8 Jahren arbeite ich hier mit dem Aufgabenbereich: Aufnahmen und Leitung des sozialen Dienstes, also der Ergotherapie, Betreuungsanregungen vom Amtsgericht und Angehörigenarbeit.

Die Aufnahmen sind eigentlich der Dreh- und Angelpunkt, weil man vor der Aufnahme die Betroffenen und die Angehörigen da erwischt, wo sie Hilfe brauchen. Sie sind dann sehr empfänglich für eine Kontaktaufnahme und man kann die Situation nutzen, um eine Beziehung aufzubauen. Nach der Aufnahme, wenn eigentlich primärer Ansprechpartner die Pflege sein sollte, eben wegen des kürzeren Drahtes, bleibe ich trotzdem für bestimmte Problemlagen Ansprechpartner, weil die Bewohner mich eben schon kennen.

Da ist es auch wichtig, da ein Organigramm des Hauses den Angehörigen und auch den Betroffenen zu überreichen, damit sie wissen: Pflegerische Probleme, die nicht auf dem Wohnbereich geklärt werden können, sollten mit der Pflegedienstleitung abgesprochen werden. Wenn Kleidung weggekommen ist oder in irgendeiner Form unvollständig aus der Großwäsche kommt oder auch wegen Reinlichkeitsfragen ist die Hauswirtschaftsleiterin Ansprechpartnerin. Deshalb sage ich auch immer dazu, im Rahmen der Aufnahme, wenn die Leute sowieso etwas verschüchtert sind, sich auch eher wenig oder zu spät melden, dass ich die adäquate Ansprechstelle bin, wenn sie nicht wissen, an wen sie sich zu wenden haben. Ich werde dann weiter vermitteln.

Vermitteln Sie auch zwischen den Mitarbeiterinnen, wenn es Probleme gibt, zum Beispiel bei Mobbing am Arbeitsplatz? Oder sind Sie nur Ansprechpartner für die Bewohner?

Eigentlich primär für die Bewohner. Was Mobbing angeht oder Probleme auf den Wohnbereichen, wir haben ja auch noch andere Bereiche, wie Verwaltung, Küche, Hauswirtschafterei und so, da sind diejenigen dann dafür zuständig, die diese Bereiche leiten. Also zum Beispiel die Pflegedienstleitung für Probleme in der Pflege.

Aber wir haben ein Gremium des Leitungsteams. Das Leitungsteam besteht aus drei Leuten. Das ist die Frau G. als Pflegedienstleiterin, Frau B. als Hauswirtschaftsleiterin und ich für den Sozialen Dienst. Dazu kommt der Heimleiter als Geschäftsführer des Hauses. Aber das Leitungsteam hat weitgehende Kompetenzen, was die Leitung des Heimes angeht. Wir können auch die Heimleitung vertreten.

Bieten Sie denn für die Bewohner auch Gruppenangebote an oder beschränkt sich Ihre Arbeit überwiegend auf die Aufnahme usw?

Nein, Gruppenangebote nicht. Es ist zwar auch Inhalt des Studiums gewesen, aber es gibt schon eine Abgrenzung zur Ergotherapie. Obwohl es gibt einige Kolleginnen in anderen Heimen, die mit einer sozialpädagogischen Ausbildung auch im Bereich Ergotherapie tätig sind. Aber Sozialpädagogik ist ja nicht so konkret gefasst, dass wir innerhalb des Studiums konkrete Angebote ausgearbeitet hätten. Es ging da um Prinzipien zur Gruppenführung, um Gesprächsführung mit Einzelnen oder Gesprächsführung einer Gruppe. Bei mir ist jetzt der Bereich primär Aufnahmeproblematik, auch mit dem Ziel, Schwellenängste abzubauen und Integrationsförderung. Dazu kommt die Leitung der Beschäfti­gungstherapie, die die Gruppen macht. Die Gruppenangebote werden aber immer mehr in Frage gestellt in Bezug auf die Zunahme an dementiell erkrankten Bewohnern, die nicht mehr gruppenfähig sind. Die Frage ist, inwiefern wir in die Einzelarbeit einsteigen sollten. Ich bin aber Ansprechpartner für Probleme, die einzelne Bewohner betreffen, Probleme, die im Zimmer auftauchen oder welche, die auf Grund der Wohnsituation - relativ kleine Zimmer und Doppelzimmer - bestehen.

Ansonsten haben Sie doch wenig Kontakt zu den Bewohnern, die schon längere Zeit hier leben!?

Das ist unterschiedlich. Ich bemühe mich auch im Rahmen von Bewohnerbesprechungen, die monatlich stattfinden, das ist natürlich ein relativ weit angelegter Turnus, mir auch Informationen anzueignen, über die Vermittlung der Pflegekräfte und dann eben auch über eine wöchentliche Präsenz auf den Wohnbereichen. Das ist mehr oder weniger eine Komm-Struktur, die Bewohner, die ständig im Bett liegen, kriegen mich relativ selten zu sehen. Diejenigen, die sich selber äußern können, haben teilweise auch meine Durchwahl und rufen mich an, wenn es Probleme gibt, wie zum Beispiel „da hat mich eine Mitbewohnerin geschlagen“ oder „der Kompressor von der Küchenkühlung ist so laut, dass ich nicht schlafen kann“ oder aber „meine Mitbewohnerin schnarcht so laut“. Da gibt es schon eine ganze Masse an Einzelfragen.

Kommt es denn auch dazu, dass die Bewohner verlegt werden können, wenn sie mit den Pflegedienstmitarbeiterinnen gesprochen haben?

Ja, das ist mir ganz wichtig, dass ich die Anfragen der Bewohner nicht im luftleeren Raum stehen lasse. Ich hole dann die Meinung der Pflegekräfte ein und hinterfrage die Anfragen der Bewohner. Da setzen wir uns zusammen und überlegen, ob das Problem vielleicht durch die Bewohnerin mit verursacht wurde.

Ich bin mit allen Berufsgruppen im Gespräch, auch mit Ärzten, Pastoren, mit anderen Sozialdiensten auch von Krankenhäusern und vor allem mit dem Sozialen Dienst der Stiftung Musterhof (ev. Nerven- und Heilanstalt Musterstadt) und auch dem Amtsgericht. Ich arbeite also mit vielen externen Institutionen zusammen. Mit dem Amtsgericht, wenn es zum Beispiel darum geht, jemanden zu fixieren oder wenn jemand so verwirrt ist, dass für ihn eine Stellvertretung notwendig wird, aber im Vorfeld von ihm keine Vollmacht unterschrieben wurde, als es noch möglich war – von der Orientierung her. Jemand der verwirrt ist, kann keine Vollmacht unterschreiben. Das Amtsgericht kommt dann. Es geht um die Einrichtung einer Betreuung, um Fixierung oder um sedierende Medikamente. Gefährliche Heilbehandlungen sind genehmigungspflichtig. Es gibt Medikamente, die suchtmachende Eigenschaften haben. Dies muss vom Amtsgericht genehmigt werden.

Worin besteht denn dann Ihre Aufgabe?

Die Pflegekräfte melden mir die Verabreichung sedierender Medikamente und ich werde dann das Amtsgericht informieren. Es gibt eine Stelle bei der Stadt – das ist die Betreuungsbehörde – die kommt hier zum Ortstermin, spricht mit Angehörigen, die als Betreuer eingesetzt werden sollen und prüft die Eignung. Sie kommen auch auf die Betroffenen zu und prüfen ob Fragen richtig beantwortet werden. Ich schlage eine Betreuerin vor und schreibe auch einen vorläufigen Bericht an das Amtsgericht, ob eine Betreuung notwendig ist. Ich gebe auch eine Stellungnahme dazu ab, warum zum Beispiel ein Bettgitter notwendig ist. Ich lege auch ein ärztliches Attest bei. Danach kommt vom Amtsgericht noch einmal ein medizinischer Sachverständiger, um dem Bericht der Betreuungsbehörde zuzustimmen oder auch nicht.

Das heißt, Sie sind Vermittler zwischen Bewohnern, Angehörigen, allen anderen, die hier arbeiten und externen Stellen, die mit den Bewohnern zu tun haben?

Ja, so kann man es formulieren, aber primär fühle ich mich als Dienstleister hier im Haus - was hier das Innenverhältnis angeht. Ich muss natürlich auch Öffentlichkeitsarbeit leisten, es ist ein Ressour, was immer zu kurz kommt, wenn alles andere gelaufen ist, dann kann die Öffentlichkeitsarbeit in Form von Zeitungsartikeln, vor allem zur Werbung Ehrenamtlicher durchgeführt werden. Das ist im Moment angesagt. Aber auch Gespräche gehören dazu und das Suchen von Sponsoren, zum Beispiel auch für das Sommerfest oder ähnliches. Auch Feste organisieren gehört zu meinem Aufgabenbereich gemeinsam mit der Beschäftigungstherapie. Aber auch die anderen aus dem Leitungsteam sind hier mit gefragt.

Jetzt habe ich einen Überblick über Ihren Aufgabenbereich. Kann man das so abschließen oder fällt Ihnen noch etwas wichtiges ein?

Im Groben ja. Als Überblick denke ich schon. Die Schwerpunkte variieren eigentlich auch.

Es ist inzwischen in Musterstadt so, dass die Auslastungssituation der Häuser kippt. Als ich hier vor acht Jahren anfing, hatten wir 150 Leute auf der Anmeldeliste und wenn dann an mich die Frage kam „kann meine Mutter hier morgen einziehen?“, dann musste ich meistens sagen „Wir müssen uns in zwei Jahren noch mal wieder unterhalten“. Jetzt ist es schon mal so, dass wir Plätze frei haben und keine Bewerber. Das ist auch saisonal bedingt, vor den Sommerferien ist die Nachfrage meist größer, zum Beispiel auch nach Kurzzeitpflegeplätzen, die wir mittlerweile auch anbieten. Aber wir müssen uns Sorgen machen um die Auslastung. Das heißt für mich, dass ich mich verstärkt um Öffentlichkeitsarbeit bemühe und auch sehen muss, dass unser Haus gut repräsentiert wird. Auch bei den Beratungsgesprächen und den Hausführungen, die ich durchführe. Da hat also eine Verschiebung stattgefunden. Es sind meist die Angehörigen, die zu mir kommen, die Betroffenen kommen weniger, weil sie schon in der Mobilität relativ stark eingeschränkt sind. Eigentlich lege ich auch starken Wert darauf, dass sich die Betroffenen das Haus selber ansehen können. Dann zeige ich ihnen das Zimmer. Ich gebe auch, in dem Rahmen, den die Schweigepflicht zulässt, Informationen über die Mitbewohner, zumindest Basisinformationen - erstmals ohne Namensnennung. Ich besuche dann die Leute, bevor sie bei uns einziehen in ihrer häuslichen Umgebung oder im Krankenhaus, damit ich auch eine Äußerung von ihnen selbst bekomme und mich nicht nur auf die Aussagen der Angehörigen verlassen muss. Wenn die Leute selber nicht wollen, können sie nicht aufgenommen werden. Wenn sie dement sind, sind sie abhängig von den Angehörigen. Keiner kommt mit Freuden und „wehenden Fahnen“. Also, in den ganzen acht Jahren ist es mir nur einmal passiert, dass jemand gerne hierhin kam. Die Bewohnerin kam mit vollkommen falschen Erwartungen hierher, die habe ich im Vorfeld versucht zu entschärfen, ist mir aber nicht gelungen. Sie erwartete einen Hotelbetrieb und freute sich darauf, hier einzuziehen. Dann musste es leider die Erfahrung bringen. Sie ist dann auch hier binnen kurzer Zeit ganz unzufrieden geworden, während die anderen, die mit relativ realistischen Erwartungen kommen, eher zufrieden sind. Aber die Bewohner neigen in der Tendenz dazu, zu passiv zu sein. Es existiert die Einstellung, dass hier die Endstation ist und die Restzeit anbricht. Da will man sich anpassen und gepflegt werden. Sie sind damit zufrieden und haben keine anderen Ansprüche. Sie fühlen sich als Unperson ohne Individualität. Häufig sagen sie schon beim ersten Gespräch „ich kann mich gut anpassen – ich bin auch lieb und artig“. In den Vordergrund wird gerückt, dass man bescheiden und einfach sei. Es ist schwer für mich zu leugnen, dass das aus pflegerischer Sicht auch häufig erwünscht ist. Es gibt halt bestimmte Routinen, die wesentlich besser laufen, wenn jemand seine Bedürfnisse nicht geltend macht. Ich weise dann immer darauf hin, dass die eigenen Bedürfnisse eine große Bedeutung haben und geäußert werden sollten. Ich denk auch, dass vieles möglich ist, wenn jemand noch in der Lage ist, sich zu äußern. Wenn sie sich auf eine andere Weise als verbal äußern, dafür muss man dann auch eine Antenne haben. Das liegt mir am Herzen. Es wird häufig verkannt, wenn jemand mimisch, gestisch oder nach körperlicher Lage und nach Geräuschen, die er von sich gibt, sich äußert, wenn er nicht mehr in der Lage ist sich zu artikulieren. Dies sollte mit der nötigen Sensibilität aufgenommen werden und dem Arzt oder anderen, an Stelle des Bewohners mitgeteilt werden, damit es therapiert werden kann.

Wie sieht denn die personelle Situation im Sozialen Dienst aus?

Außer mir, als Leiter des sozialen Dienstes, gibt es noch drei Beschäftigungstherapeutinnen, wobei nur eine davon dazu ausgebildet ist. Alle drei sind allerdings nur teilzeitbeschäftigt, so dass wir im gesamten gruppenübergreifenden Dienst, in dem Begriff treffen sich ja Sozialpädagogen und Beschäftigungstherapeuten, 2,3 Stellen haben, für 106 Bewohner.

Eine Aufstockung im BT-Team würde ich mir wünschen, so dass man für jeden Wohnbereich eine volle Kraft hätte. Aber im Rahmen der Pflegeversicherung stellt sich die Frage, ob die Beschäftigungstherapie überhaupt noch eine Daseinsberechtigung hat.

Ich würde jetzt gerne auf mein eigentliches Thema, das Erzählen, zu sprechen kommen. Sie als Sozialpädagoge sind ja eigentlich der Ansprechpartner für die Bewohner. Es leben hier 106 Bewohner und es gibt nur einen Ansprechpartner im Sozialen Dienst, neben der Beschäftigungstherapie, die aber ja eher Gruppenarbeit anbieten. Da können Sie den Problemen mit Einzelgesprächen doch gar nicht so nachkommen, oder?

Von der Struktur der Arbeit sieht das so aus, dass, wenn jemand hier neu aufgenommen wird, die ersten beiden Wochen betreue ich die Bewohner sehr engmaschig. Das heißt, dass ich täglich dort erscheine und mich mit den Leuten unterhalte. Da besteht die Möglichkeit Probleme zu äußern. Manche brauchen eine Begleitung von nur einer Woche, andere brauchen zwei oder auch mehr Wochen. Bewohner, die jahrelang hier sind, werden immer seltener, da die Verweildauer immer kürzer wird. Die Leute kommen auch sehr viel später hierher, als es früher der Fall war. Die Bewohner können dann häufig gar keine Probleme mehr vorbringen, da muss man dann kleinere Signale auffangen, gerade bei Dementen. Wenn jemand zugänglich ist, kann ich durch ein Gespräch gut Ressourcen ausmachen, kann dann weitervermitteln, Angehörige dann verstärkt mit einbeziehen oder auch weiter in die Verwaltung oder Küche vermitteln. Wenn es darum geht, dass jemand gerne ein Telefon haben möchte, dann sorge ich dafür, dass das Telefon am Aufnahmetag zur Verfügung steht, gerade dann ist das Bedürfnis da, sich mitteilen zu wollen. Das Telefon ist sehr wichtig, um Außenkontakt zu halten und zu fragen „Kommst Du mich besuchen?“ und um Probleme mit anderen außerhalb des Hauses zu besprechen. Leider kann diese Möglichkeit immer weniger genutzt werden, wegen der erhöhten Pflegebedürftigkeit.

Sie sind in der Anfangsphase verstärkt Ansprechpartner und haben Zeit für Gespräche, aber das verliert sich dann zunehmend, so dass Sie den Bedürfnissen nicht nachkommen können.

Das stimmt.

Wer ist denn dann Ansprechpartner für die Alten? Mit wem können sie reden, über das was sie bewegt?

Meiner Ansicht nach ist es ideal wenn dies die Pflegekräfte wären. Ist auch häufig so. Es sind diejenigen, die morgens in das Zimmer kommen, die Leute anziehen, wenn dann da irgendwas ist, dann wäre es schön, wenn darüber gesprochen werden könnte. Aber leider ist es so, dass neben der Routine und dem Pflegealltag nicht vermittelt werden kann. Wenn zum Beispiel jemand äußert, seine Angehörigen sollen ihn besuchen, ist keine Zeit da, die Angehörigen anzurufen und mit ihnen zu sprechen. Da ist der Soziale Dienst zuständig und die Pflegekräfte können sich dann an mich wenden. Besser wäre natürlich, die Pflegekräfte hätten selber die Zeit, nicht nur Dekubitusprophylaxe zu betreiben und den Körper zu pflegen, sondern auch die Zeit für ein Gespräch, dann, wenn es gerade nötig ist. Das Gesündeste und Schönste wäre, dass nicht nur Profis, sondern vor allem auch die Angehörigen mehr für die Menschen da sind.

Kann man denn allgemein beantworten, ob die Bewohner viel Besuch bekommen? Sind die Angehörigen allgemein engagiert oder ist das ganz individuell?

Das ist schon unterschiedlich. Grundsätzlich halte ich die Angehörigen für motiviert. Obwohl die Tendenz dahingeht, dass sehr motivierte Angehörige, bei denen auch die häusliche Situation stimmt, gar nicht erst hierher kommen, um ihre Angehörigen hier unterzubringen.

Häufig kommen sie erst sehr spät und sagen „Es geht nicht mehr“. Oft wird sich in der Familie nicht gut genug abgesprochen und die Last liegt bei einer einzigen Person. Einen trifft es, er wohnt im gleichen Haus, oder nebenan. Die anderen wohnen weiter weg, oder fühlen sich nicht zuständig. Meist ist es die Tochter, die pflegt. Und wenn sie große Augenringe, Erschöpfungszustände und andere Symptome hat, dann kommt sie zu mir zum Beratungsgespräch - häufig zu spät. Man kann meist beim ersten Gespräch schon absehen, ob sich da eine hohe Besuchsfrequenz entwickelt und ob die Angehörigen motiviert sind. Dafür gibt es bestimmte Anzeichen und zwar, ob die Angehörigen das Haus überhaupt sehen wollen oder das Zimmer. Interessieren sie sich für Pflege, Betreuung, Küche usw. oder interessieren sie sich nur für die Kostenfrage? Viele Bewohner bekommen regelmäßig Besuch. Aber daran gemessen, wieviel Langeweile unter den Bewohner herrscht, ist es nicht viel. Der BT-Bereich ist nicht sehr gut besetzt und die Pflegekräfte können neben der Dokumentation, die jetzt zusätzlich zur Pflege anfällt, sehr wenig an Beziehungsarbeit leisten.

Also gibt es lange Zeiten, wo die Bewohner alleine sind und keinen Ansprechpartner haben!?

Ja, das stimmt, leider.

Die Gruppen, die von Seiten der BT stattfinden sind ja auch sehr groß, ca. 20 und noch mehr Bewohner pro Gruppe. Die Bewohner nehmen zwar an einem Angebot teil, aber ein persönliches Gespräch ist wahrscheinlich in der Gruppe nicht möglich, oder? Dazu kommt, dass auch nicht jeder die Möglichkeit hat, an den Gruppen teilzunehmen. In den Gruppen steht ja auch weniger das Sprechen und Erzählen im Vordergrund, sondern Gymnastik, Singen oder Basteln.

Das ist richtig. Man müsste konkreter auf die Bewohner zugehen, damit sie sich äußern. Sie haben meist keinen zum Reden. Bei den Gruppen steht nicht das Erzählen im Vordergrund. Eine reine Erzählgruppe gibt es nicht.

Wie ist denn das mit den Bewohnern untereinander, erzählen sie sich denn untereinander etwas von sich?

Untereinander ist die Dynamik nicht da, die erforderlich wäre, um sich gegenseitig auszusprechen. Ansatzweise ja, aber nur auf bestimmten Bereichen. Oft sieht es so aus: Der eine hört schlecht, der andere ist dement und der nächste erkennt seinen Nachbarn nicht. Da ist die Kommunikation schon gestört. Oft fehlt es auch an Vertrautheit. Es ist nicht die Regel, dass man sich über seine Nöte austauscht, obwohl man im Grunde „im gleichem Boot sitzt“. Man hat seine Wohnung verloren, der Ehemann ist tot, man bekommt vielleicht wenig Besuch, dann wäre es naheliegend, sich darüber auszutauschen. Aber es ist nicht der Fall. Vielleicht sollten wir da auch unsere Inhalte der BT überprüfen und Ihre Interviews und die Diplomarbeit über das Erzählen zum Anlass nehmen. Wir sollten auch prüfen, ob wir noch Möglichkeiten haben, die wir nicht nutzen.

Glauben Sie denn, dass die Bewohner das Bedürfnis haben, zu erzählen?

Man kann das nicht so pauschal betrachten. Mir begegnet ganz, ganz häufig, gerade bei der Nachsorge nach der Aufnahme und auch später noch bei Alteingesessen, dass sie ein sehr starkes Bedürfnis haben, sich an jemanden zu binden, eine Beziehung zu pflegen und einer Person etwas von sich zu erzählen. Ganz typisch ist, bei fast allen, wenn ich nach einem Gespräch gehen oder versuchen will das Gespräch zu beenden, werden Problematiken angesprochen, wie eine Krebserkrankung oder andere vordringliche Probleme. Vorher ging es um den Alltag oder um früher. Aber wenn ich gehen will, kommen Dinge, denen ich mich schwerlich entziehen kann.

Glauben Sie, dass kommt absichtlich, damit Sie nicht gehen und noch länger bleiben?

Ja, das glaube ich. Das ist regelmäßig so, aber absichtlich, im Sinne von bewusst, weiß ich nicht mal, aber es ist eine Regelmäßigkeit beobachtbar. Es ist schon ein Bedürfnis nach Beziehung und Aussprache da. Es ist natürlich vom Alter, bzw. den Möglichkeiten abhängig.

Aber manchmal denke ich bei Hochbetagten, da ist der Anspruch in einer Gruppe „Rambazamba“ zu machen, nicht da. Ich sage es jetzt mal leicht abwertend, mein ich aber für einen Großteil derer, die gerne daran teilnehmen, nicht abwertend. Es kommt auch oft der Ausspruch „Wir wollen unsere Ruhe haben, wir sind alt.“ Diese Menschen reflektieren für sich selber ihr Leben und damit haben sie genug. Das muss auch akzeptiert werden. Es gibt da ja eine bestimmte Theorie, die dahinter steht, die aber in Frage gestellt wird – die Disengagement-Theorie (Diese Theorie habe ich ausführlich dargestellt im Kapitel D 4.2). Man geht davon aus, dass sich alte Menschen lieber zurückziehen. Da gibt es noch den individuellen Ansatz, der besagt, wir müssen auf jeden eingehen. Je älter Menschen werden, um so mehr individualisieren sie sich. Das ist mit Sicherheit richtig. Man kann nicht pauschal sagen, alle wollen ihr Leben reflektieren und davon erzählen. Einige erzählen wie ein Wasserfall, andere ziehen sich lieber zurück. Ich möchte hier als Sozialpädagoge, der aus dem sozialen Bereich kommt, nicht pauschalisieren. Ich möchte auch gar nicht immer viele Kontakte als Zeichen sozialer Gesundheit deuten. Ich möchte auch nicht behaupten, dass der Mensch zur Gesunderhaltung soziale Kontakte sucht und pflegt. Das kann man sicher nicht so einseitig sehen. Häufig ist eben auch ein starkes Bedürfnis nach sozialen Kontakten ein Zeichen für Defizite. Es besteht der Drang, nicht abgeschlossene Dinge, mit anderen zum Thema zu machen. Andere Menschen, die vielleicht einen depressiven Eindruck machen, gibt es hier im Haus auch, aber oft wird es fehlinterpretiert und sie sind mit sich zufrieden. Die neue „Berliner Studie“ hat festgestellt, dass jeder zweite Heimbewohner depressive Anteile hat, aber davon gibt es sicher auch einige, die ihr Leben in einem positiven Sinne abgeschlossen und abgerundet haben. Sie sagen „Es ist genug, ich hab’ mein Leben gelebt“. Sie sagen dies nicht mit einem bedauernswürdigen Gesicht, sondern sie sind mit sich zufrieden. Das ist mir ein Vorbild. Davon bin ich noch sehr weit entfernt. Sie nehmen den Tod als selbstverständlich an und das ist auch eine ganz natürliche Sichtweise, denn es passt zu ihrem Alter und ihren Lebensumständen. Aber ein Kontrast wäre es, Feste mitmachen, Karneval feiern und sich in einer Gruppe zu präsentieren. Das kann ein Gegensatz zu der eigentlichen Stimmung sein. Es ist eine persönliche Entwicklung, die stattfindet, zu lernen, die Endlichkeit des Lebens anzunehmen – und nicht jeder ist soweit. Die Bewohner, die aus unserer Sicht an allem teilnehmen, offen sind für alles, bei denen möchte ich, mit aller Vorsicht, verallgemeinernd feststellen, dass da oft eine Todesangst ist und sie das Leben nicht abschließen können. Sie suchen durch das soziale Leben nach dem Abschluss, den sie noch nicht gefunden haben.

Allerdings meine ich mit dem Erzählen oder einer Erzählgruppe eben nicht Feiern, wie Karneval oder turbulente Freizeitangebote. Gerade das Erzählen über sich selbst ist ja kein „Rambazamba“ in dem Sinne und kann eine Hilfe sein und zu den Lebensumständen passen.

Ja, da könnte man viel gezielter dran arbeiten. Es ist mit Sicherheit eine wichtige Sache. Aber es ist auch ein Problem hinsichtlich der Vorbildung der Mitarbeiter und auch der personellen Besetzung, da für das Erörtern einzelner Gespräche keine Zeit bleibt. Wenn ich mich einem einzelnen Bewohner zuwende, heißt das aber, das 105 Bewohner dann unterversorgt sind. Das ist nicht mein Wille und auch nicht der Wille der Mitarbeiter der BT. Wir arbeiten auf vordergründiger Ebene. Ziel ist es, Langeweile zu vertreiben, bei einer Gruppe von 25 Bewohnern, anstatt auf einen Einzelnen intensiv einzugehen. Es bestehen auch Defizite bei den Mitarbeitern, wo es um Psychoanalytisches geht. Sie sind keine Psychologen. Wenn sich die Bewohner nicht verbal äußern können, sich aber dennoch mitteilen, wird es oft verkannt und nicht verstanden. Hinter wieviel Geschrei des Nachts verbirgt sich kein Schmerzproblem, sondern Seelenunheil. Dann wird dann medikamentös Einfluss genommen. Es ist allerdings auch fraglich, inwieweit das aufgearbeitet werden kann, vom intellektuellen Potential her. Da wird „runtersediert“ mit Medikamenten und die seelischen Symptome können nicht mehr sichtbar werden. Das ist ein fragwürdiger Umgang. Aber andererseits geht es auch darum, nicht die sedierenden Medikamente zu verteufeln, sondern auf adäquate Weise damit umzugehen.

Glauben Sie, dass das Erzählen allgemein für Menschen wichtig ist? Ist Ihnen das Erzählen auch wichtig?

Das ist eine Frage, mit der ich mich schon stärker beschäftigt habe und die für mich auch immer aktuell ist. Ich sehe da, ohne den Macho rauskehren zu wollen ganz ehrlich gesagt, geschlechtsspezifische Unterschiede. Es scheint so zu sein, als wenn Männer eher alles mit sich ausmachen, ob das für sie gut ist, ist eine andere Sache und Frauen dagegen eher offener im Austausch sind. Landläufig ist der Kaffeeklatsch für Frauen allgemein bekannt. Für Männer macht das weniger Sinn, jedenfalls bei den Männern, wie sie heutzutage sind. Sie sind nicht so weit oder bereit dazu. Ich glaube auch, dass es von der Kultur abhängig ist, ob man allein sein kann und Probleme mit sich selber löst. In der asiatischen Kultur hat dies einen anderen Stellenwert als bei uns. Im mitteleuropäischen Bereich und vor allem bei Sozialpädagogen und ähnlichen Berufen wird dieser Austausch vielleicht überbewertet. Ich bin da untypisch für Sozialpädagogen – aber typisch Mann. Erzählen ist primär für mich Informationsvermittlung. Im Privatbereich wird mir vorgeworfen, ich würde zu wenig von mir erzählen.

Kann man sich durch Erzählen über sich selbst denn nicht selber besser kennenlernen?

Ja, das schon. Aber beim Erzählen steht für mich nicht das Kennenlernen im Vordergrund – ich würd’ jetzt nicht zum Männerfrühstück gehen, das jetzt in Köln angeboten wird, wo dann gesagt wird: „Ey du und so“, wo man dann über sich selbst spricht. Bei mir fließt das eher nebenbei mit ein, bei gemeinsamen Lauftreffen und Fahrradtouren. Da unterhält man sich auch – sofern man noch Luft hat. Bei mir geht es dann eher um die Schönheit der Natur und nicht über meine eigene Befindlichkeit. Das mache ich nur meiner Frau gegenüber – und selten im Freundeskreis.

Finden Sie nicht, dass Erzählen auch eine gemütliche Atmosphäre in den Alltag bringt?

Ich finde das auch schön, aber es kommt natürlich auch auf das Thema an. Doch, Erzählen schafft Atmosphäre, wenn man im Sommer draußen zusammensitzt und das ein oder andere Glas Wein trinkt, gehört das Erzählen natürlich dazu. Aber ich mache das eher so, dass ich Begegnungen und Begebenheiten privater oder beruflicher Natur für mich selbst hinterfrage, noch mal durchdenke und in Zusammenhang bringe.

Könnte es auch sein, dass sich das Bedürfnis mit dem Alter ändert?

Das kann natürlich sein.

Sie sind in der Lage, diese Dinge für sich selbst zu reflektieren. Aber könnte es nicht sein, dass viele alte Menschen dabei Hilfestellung brauchen? Vielleicht würden sie sonst eher vegetieren als reflektieren.

Das kann durchaus sein. Es kann auch sein, dass das Erzählen wichtiger wird, wenn man die Möglichkeit dazu längere Zeit nicht hat. Die Bewohner haben eher weniger Möglichkeiten zum Erzählen als ich in meiner Situation. Ein wesentlicher Grund bei mir ist sicherlich mein Beruf. Ich führe pro Tag, ich mache da eine Statistik, ca. 20-30 Telefonate, dazu kommen Beratungs- und Einzelgespräche. Das summiert sich auf knapp 60 Kontakte im Durchschnitt. Ich brauche dann zu Hause meine Ruhe, um mein Gleichgewicht wieder herzustellen zu können.

Was kann denn Erzählen für einen alten Menschen bedeuten, der im Altenheim lebt? Ich will auf die spezielle Situation der Menschen im Heim hinaus. Kann man nicht sagen, dass die Persönlichkeit und die Individualität der Bewohner in der Routine des Alltags „untergeht“ und durch das Erzählen wieder in den Vordergrund gerückt werden kann?

Ja, sicher, neben aktuellen Problemen wird auch häufig thematisiert, wer man früher war und was man dargestellt hat. Die Bewohner versuchen sich zu präsentieren. Sie versuchen das Bild des Jammers, wie sie es empfinden, oder teilweise auch bieten, zu relativieren. Sie erzählen „ich war aber früher auch mal wer, ich habe dieses und jenes gemacht, bin Motorrad gefahren, habe gemalt und bin viel verreist.“

Im Gegensatz dazu ist das Erzählen auch für mich hilfreich, weil ich dadurch über die Bewohner mehr erfahre und mir ein Bild von ihnen machen kann. Der Bewohner ist erst mal nur der Bewohner, mit einer Menge Distanz. Je mehr ich einen Menschen über das Erzählen oder über Fotos kennenlerne, je mehr ich von der Heimat und der Familie erzählt bekomme, um so mehr kann ich die Distanz abbauen. Der Bewohner wächst mir dadurch ans Herz. Man kennt sich dann irgendwann gegenseitig. Erzählen ist eine Möglichkeit sich zu öffnen. Man kann allgemein sagen, über das Erzählen wird man sehr schnell warm miteinander.

Das heißt, das Erzählen seitens der Bewohner ist für Sie auch eine Hilfe, die Bewohner zu respektieren?

Ja genau.

Für die Bewohner selber ist es auch die Möglichkeit Respekt zu erlangen und eine Persönlichkeit darzustellen.

Hmm. Die positive Seite des Erzählens ist, sich positiv darstellen zu können und auch in positiven Erinnerungen zu schwelgen, gut und legitim zu träumen. Beim Erzählen kann man von besseren Zeiten träumen. Erzählen ist eine Möglichkeit sich ein Stück vom Altenheimalltag zu entfernen.

Glauben Sie, dass es gerade für junge Menschen ist, Gespräche mit Alten zu führen? Kann die junge Generation aus der Lebenserfahrung der Alten etwas lernen?

Ja. Für mich gibt es ein Modell mit bestimmten Lebensphasen, in denen man Entwicklungsmöglichkeiten hat. Ich lehne mich dabei an das Modell der Lebensphasen nach Erikson an. Wenn man das Leben in dieser Phase im richtigen Sinne interpretiert, führt dies zu einer gewissen Haltung, zu einer gesteigerten Liebesfähigkeit und zu eigenen Werten, die unterschiedlich gefüllt sind. Aber im hochaufgehängten Sinne kann man durch das Erzählen weniger mitteilen. Ich glaube, jede Generation muss ihre eigenen Erfahrungen in ihrer Zeit erleben. Man muss seine eigenen Gefühle dabei haben und Erfahrungen machen, die sich über das Erzählen nicht ausdrücken lassen. Weisheit lässt sich nicht einfach so vermitteln, sondern muss durch Lebenserfahrungen erworben werden. Biographische Fakten regen natürlich schon zum Nachdenken an. Erzählen ist eine Möglichkeit, sich lebendig Vergangenes vor Augen zu führen, was früher war oder was der eine oder andere erlebt hat. Aber zur Lebenserfahrung habe ich eher wenig davon, denn es ist genau wie das Literaturstudium nur eine Hilfe von vielen. Durch Lesen oder durch das Zuhören von Erzählungen der alten Menschen ist es möglich, zu neuen Sichtweisen zu kommen und bestimmte Verknüpfungen von Erfahrungen neu möglich zu machen. Ich kann durch die Verknüpfung wachsen, aber das muss in einem Zusammenhang zu den eigenen Erfahrungen und der eigenen Gefühlswelt stehen. Ich kann auch bestimmte Vorbilder in den Alten sehen. Gerade darin, wie die Alten mit ihrer Pflegebedürftigkeit und dem nahenden Tod umgehen. Neben den eigenen Erfahrungen, die den Großteil einnehmen sollten, können Erzählungen, dazu noch Literaturstudium und Gedichte schon zur Lebenserfahrung beitragen, so dass sich alle Komponenten zu einem großen Erfahrungsschatz zusammensetzen. Aber letztendlich ist es die Lebenspraxis, an der man wächst. Aber das Erzählen und das soziale Miteinander mit den Alten kann ein Baustein sein.


3     Die Altenpflegerin

Glaubst Du, dass Erzählen für Menschen wichtig ist und wenn ja, welche Bedeutung hat es Deiner Meinung nach? Welche Bedeutung hat es für Dich?

Ja, ich finde, dass das Erzählen etwas sehr wichtiges für Menschen ist. Erzählen bedeutet sozialer Kontakt. Erzählen, Sprechen, Kommunizieren, egal auf welche Art und Weise, ob verbal oder taktil über die Haut, mit den Augen oder wie auch immer, ist lebensnotwendig. Wer nicht die Möglichkeit dazu hat, wird sterben! Es hat Versuche gegeben mit Kindern, sie wurden in einem Raum untergebracht und bekamen nur Nahrung und Trinken. Sie wurden hygienisch versorgt, aber es wurde nicht mit ihnen gesprochen. Dieser Versuch wurde durchgeführt, um die Ursprache der Menschen festzustellen. Die Kinder sind wegen fehlender Ansprache nicht richtig gewachsen und später dann gestorben. Die Ursprache hat man allerdings nicht gefunden - die Kinder lernten keine Sprache. Kinder, die liebevoll umsorgt werden, mit denen viel gesprochen wird, wachsen gesund auf. Ich denke ganz bestimmt, dass es wichtig ist zu sprechen. Es ist so wichtig, wie das tägliche Brot.

Was glaubst Du, als Pflegedienstmitarbeiterin, welche Bedeutung Erzählen speziell für alte Menschen hat? Vor allem, was es bedeutet es für alte Menschen, die im Heim leben?

Alte, besonders hochbetagte Menschen, wie sie hier leben, bedürfen besonders eines sozialen Kontaktes. Menschen im Heim leben sozial zurückgezogen, einmal durch die Institution und dann auch durch Körperbehinderungen, Krankheiten, die sie mitbringen und andere Gebrechen sowie Demenzen, die bei den meisten Leuten auftreten. Hinzu kommt bei den Hochbetagten, dass die Anzahl der Familienangehörigen sehr gering geworden ist. Wenn es noch eine Familie gibt, dann kommt sie meist sehr selten. Keiner will sich lange neben eine demente Frau oder einen dementen Mann setzen und zwar, weil sie es einfach nicht ertragen. Nicht, weil sie möglicherweise Streit miteinander hätten, sondern einfach, weil sie es nicht akzeptieren können, dass die Mutter, der Vater oder die Tante so leidet.

Das bedeutet also, dass Menschen, die im Heim leben, nicht so viele soziale Kontakte haben. Können die Bewohner denn dieses soziale Bedürfnis, miteinander zu sprechen und zu erzählen, ausleben?

Nein, ein Altenheim ist eine Institution, die Isolierung bedeutet. Bei vielen Menschen setzt Hospitalismus ein. Dadurch, dass sie zu wenig Ansprache haben, „gleiten sie hinüber“. Sie bekommen einen Tick, indem sie immer schaukeln oder permanent andere Bewegungen ausführen, aus Langeweile - weil niemand mit ihnen spricht. Ansprache ist für die Bewohner von Nöten, sonst werden sie krank. Eine Beziehung zu einem Menschen ist lebensnotwendig. Egal, ob es eine gute ist oder aber auch eine schlechte Beziehung. Menschen brauchen eine Beziehung.

Also würdest Du sagen, dass man dem Bedürfnis zum Erzählen hier nicht gerecht wird?

Das Bedürfnis wird nie gestillt. Alte Menschen sind manchmal wie ... ja ... wenn Du ihnen einen Finger reichst, dann nehmen sie die ganze Hand, ja, Du wirst sogar „aufgefressen“. Sie nehmen alles, was sie bekommen können. Als Pflegekraft muss man Distanz wahren, man muss Grenzen setzen. Wenn man sich zu sehr emotional in die Beziehung hineinbegibt, einen zu engen Kontakt pflegt, läuft man Gefahr, von den alten Menschen „aufgefressen“ zu werden. Sie hungern nach Ansprache und nehmen, was sie kriegen können. Sie bekommen auf jeden Fall zu wenig Ansprache. Nur kann diese Ansprache nicht von den Pflegekräften bewältigt werden. Durch das neue Pflegegesetz haben die Schwesrern zu wenig Zeit für die Ansprache. Nach diesem Gesetz haben sie nur zu pflegen und sie sind nicht dafür da, um sich zu den Menschen zu setzen und mit ihnen zu sprechen. Sie werden nicht für die soziale Pflege, sondern für die körperliche Pflege bezahlt. Somit kann diese Betreuung zeitlich nicht geleistet werden, bzw. nur in einem geringen Umfang. Das bedeutet, bei der Grundpflege spricht man mit den Bewohnern. Man kann sich nur während den pflegerischen Tätigkeiten unterhalten. Das ist etwas schwierig, wenn man morgens um 6:30 Uhr oder 7:00 Uhr in das Zimmer der Leute „reinrauscht“.  Also, ich persönlich bin um 7:00 Uhr morgens noch nicht in der Stimmung, mit jemanden ein Gespräch zu führen, kaum, nachdem ich die Augen aufschlage. Wir müssen frühmorgens in das Zimmer gehen, die Menschen sofort komplett waschen, ankleiden oder ihnen dabei helfen, je nach dem, und dann geht es sofort weiter in das nächste Zimmer. In dieser kurzen Zeit kommt kaum ein Gespräch zustande. Vor allem muss man sich auch auf das Pflegen und das Waschen konzentrieren. Zum Erzählen sind die Bewohner erst nach dem Frühstück oder nachmittags bis zum Abendessen aufgelegt - so um die Kaffeezeit. Es ist aber so, dass die Menschen in dieser Zeit sich selbst überlassen sind, und keine Ansprache bekommen. Obwohl die psychosoziale Betreuung für unseren Beruf nicht vorgesehen und nicht bezahlt wird, leisten wir sie natürlich trotzdem, so gut es geht. Sobald wir Kontakt zu dem Bewohner haben, sprechen wir mit ihm. Aber die personelle Besetzung ist sehr knapp und die Pflege so schwer. Man kommt in einer Schicht, neben den Mahlzeiten, vielleicht zwei Mal am Bett des Bewohners vorbei. Während der Mahlzeiten kann man sich schlecht mit dem Bewohner unterhalten, weil er dann kaut oder trinkt. Wir können nur Blickkontakt zu ihm halten und mit ihm sprechen - aber der Bewohner hat kaum die Möglichkeit, etwas von sich zu sagen. Das ist das Schlimme. Die psychosoziale Betreuung kann nicht gewährleistet werden.

Aber es sind doch im Haus auch Betreuer im sozialen Dienst angestellt. Können sie den Kontakt nicht gewährleisten?

Wir haben im Haus einen sozialen Dienst. Aber es gibt für das ganze Haus nur einen Sozialädagogen und drei Ergotherapeuten, die nicht Vollzeit arbeiten. Die soziale Betreuung beschränkt sich nur auf die ganz „fitten“ Leute. Einzelbetreuung ist nicht möglich. Die Leute, die im Bett liegen, sind besonders isoliert von den Mitbewohnern und vom Personal. Denn das Pflegepersonal geht zu wenig in das Zimmer - nicht weil sie es nicht wollen, sondern weil keine Zeit dafür da ist. Während einer Inkontinenzrunde hat man pro Person drei Minuten Zeit. Da kann sich wohl kein Gespräch entwickeln.

Wäre es für die Bewohner nicht gerade wichtig, dass die Pflegekräfte Zeit für ein Gespräch haben? Wenn man bedenkt, welch engen Kontakt sie zu ihnen haben? Die Schwestern und Pfleger sind ja sozusagen die zweite Familie für die Bewohner.

Man begegnet dem Bewohner, vor allem wenn man ihn schon lange kennt, sehr intensiv. Man hat eine sehr intime, enge Beziehung aber auch eine professionelle Beziehung. Es kommen aber immer Emotionen in die Arbeit hinein. Es wäre ganz, ganz wichtig, gerade diese pflegenden Personen, mit in die psychosoziale Betreuung einzubeziehen. Das Vertrauen gegenüber den Pflegekräften ist größer, als gegenüber den Leuten, die von außen kommen und sich nur zweimal im Jahr sehen lassen. Die wollen dann Geschichten hören, wie es ihnen geht usw. aber dann sind die Alten oft nicht bereit, etwas von sich zu erzählen und dann wird gesagt „Ach, der äußert sich ja nicht, der kann ja gar nichts erzählen!“ Wenn man Menschen über einen längeren Zeitraum kennt und sensibel dafür ist, dann weiß man: der spricht mit den Augen, der mit den Händen und der andere möglicherweise nur mit den Füßen. Der eine „brabbelt“ vor sich hin, aber man versteht, was er damit meint. Man weiß auch, wie man die Bewohner am besten anspricht und worüber man am besten mit ihnen redet. Wir kennen die Menschen. Wenn man von außen kommt, ist es oft schwierig, mit den Bewohnern ein Gespräch zu führen. Um die Kommunikation herzustellen, muss man sehr feinfühlig sein.

In welchen Situationen könnte für die Bewohner ein Gespräch besonders wichtig sein?

Bei der Sterbebegleitung zum Beispiel kann es wichtig sein. Sterbebegleitung ist sehr wichtig für alte Menschen. Allerdings muss man das ganz individuell betrachten. Die einen haben sich schon lange mit der eigenen Endlichkeit des Lebens befasst, als die anderen. Der eine möchte darüber sprechen und der andere nicht. Sterbebegleitung sollten nur befähigte Leute machen, die es können und wollen. Wenn der Sterbende nicht sprechen will, muss man dieses akzeptieren. Wenn er aber darüber reden möchte, sollte jemand da sein, der ihm zuhört. Sterbebegleitung geschieht über Kommunikation, wie Gespräche, taktile Kommunikation, die Hand halten, streicheln und Blickkontakte.

Ist es in der Phase vor dem Tod wichtig, sich noch einmal mit dem vergangenen Leben auseinanderzusetzen, das Leben zu resümieren, um es besser abschließen zu können?

Ich persönlich halte es für sehr wichtig. Viele alte Menschen wollen ihre Sachen in Ordnung bringen. Es geht darum, „einen unaufgeräumten Schreibtisch zu ordnen“. Die meisten wollen noch etwas klären oder loswerden. Viele wollen sich auch mit dem einen oder anderen versöhnen, oder aber sie wollen jemanden noch sagen „Du bist ein Scheißkerl gewesen“ - das kommt auch vor. Manche Menschen wollen aber nicht darüber sprechen und wehren sich gegen den Tod. Gespräche sind für fast alle alten Menschen wichtig.

Gibt es noch andere Themen, welche die Menschen hier im Heim beschäftigen und über die sie sprechen wollen?

Sie erzählen meist aus dem Langzeitgedächtnis, viele sind ja dement. Das Kurzzeitgedächtnis ist bei den meisten sehr eingeschränkt. Bei vielen ist es verloren gegangen oder nur selten und kurz da. Wenn die Bewohner erzählen, dann vor allem aus der Kindheit und Jugend, je nachdem, wie weit die Demenz fortgeschritten ist. Es gibt auch Bewohner, die erzählen gar nichts mehr.

Kann man denn sagen, wenn man mit den Bewohnern erzählt und Ihnen die Möglichkeit gibt, Vergangenes wieder aufleben zu lassen, wird ihr Langzeitgedächtnis trainiert?

Auf jeden Fall. Sie werden bewegt, sie bekommen Auftrieb und denken nach. Wir haben uns auch in der Altenpflegeausbildung damit beschäftigt. Durch ganz bestimmte Symbole können Erinnerungen hervorgerufen werden und die Menschen zum Erzählen bringen. Wenn sie sich an etwas ganz bestimmtes erinnern, kommen andere Dinge hinzu, die ihnen wieder einfallen. Es entsteht ein Redefluss und manchmal wird auch phantasiert. Wenn man die Bewohner anregt, dann kommt da eigentlich ganz viel. Sie kommen dann, wie man sagt, „vom Hölzchen aufs Stöckchen“. Wenn man den Bewohnern bestimmte Jahreszahlen nennt, dann kann fast jeder etwas dazu sagen, was da gewesen ist. Man kann verschiedene Wege finden, um an diese teilweise verschütteten Erlebnisse heranzukommen. Zum Beispiel über Spiele, Gedichte oder Symbole. Derjenige, der eine Gesprächsgruppe durchführt, muss allerdings in Kommunikation geschult sein und Anleitung geben, Nachfragen und er sollte sich ein bißchen auskennen in der Geschichte und wissen, welche Eckpunkte es gibt.

Ist es für die Gesellschaft interessant, besonders auch für die junge Generation, Geschichten von alten Menschen zu hören?

Aus Vergangenheit lernen wir. Die Zukunft lebt durch die Vergangenheit und auch umgekehrt. Ganze Kulturen entwickeln sich doch so. Nur die meisten Menschen achten nicht darauf, sie interessieren sich nicht für so existenzielle Dinge, wie das Erzählen mit alten Menschen. Aber wenn man sich im Gespräch mit den Alten über bestimmte Fragen auseinander setzt ist dies auch wichtig für einen selbst. „Wo gehe ich hin, wo komme ich her, wozu bin ich da?“ Darüber mit den Alten nachzudenken ist wichtig für jeden selbst und für die Gesellschaft. Ich überlege manchmal, warum ich Altenpflegerin geworden bin, mache ich es aus Berufung, oder ist ein Auseinandersetzen mit mir selbst, meiner Endlichkeit und meinem Alterungsprozess? Bestimmt beides.

Du sagtest vorhin, Symbole und Gedichte können die Alten zum Erzählen anregen?

Natürlich, Gedichte zum Beispiel haben sie damals in der Schule auswendig lernen müssen, diese haben sich so tief eingeprägt und daher kann man über sie Erinnerungen aus der Schulzeit wecken.

Glaubst Du, dass die Bewohner in der Lage sind, bzw. es sich zutrauen, ein Gedicht vor einer Gruppe vorzutragen oder vorzulesen?

Dieses werden aus dem ganzen Haus nur wenige sein. Die meisten haben Hemmungen, das vor so vielen vorzutragen. Ich würde nur einen kleinen Kreis dafür arrangieren. Die meisten haben die Sprache, bzw. die Stimme fast verloren. Sie fürchten auch, nicht verstanden zu werden. Dann langweilen sich die anderen Bewohner oder ärgern sich, wenn sie nichts verstehen. Die meisten haben Angst, sich zu blamieren, zu stottern oder bloßgestellt zu werden. Sie haben nicht das nötige Selbstwertgefühl, um sich vor anderen zu produzieren. Die meisten sind dieses auch nicht gewohnt, aber es wäre ein Versuch wert, so eine Gruppe einmal zusammen zu stellen. Man muss die Leute nur immer wieder dazu motivieren, dann kann sich so was entwickeln. Man könnte sie vielleicht dazu bewegen, an so einem Erzählnachmittag teilzunehmen. Wenn sie erst einmal teilgenommen haben, dann würde es ihnen sicher Spaß machen. Alle Dinge, die Spaß machen, motivieren Menschen, aus der Reserve zu kommen.

Glaubst Du, dass das Erzählen in so einer Gruppe ein Ausgleich für die Bewohner wäre? Könnten dadurch Unzufriedenheit und eventuelle Aggressionen abgebaut werden?

Ich glaube schon. Die Bewohner sind durch die Isolation unzufrieden und haben oft Aggressionen. Wenn eine Bewohnerin, die blind ist, im Rollstuhl sitzt und bewegungsunfähig ist und absolut abhängig von ihrer Umwelt ist, ist das kein Wunder, wenn sie unzufrieden wird. Sie kann sich nicht alleine Fortbewegen, aufstehen oder sehen, was sie isst. Sie braucht also jemanden, der ihr sagt, was auf dem Teller liegt und der ihr die Umgebung beschreibt. Sie ist abhängig davon, dass sie zu anderen Bewohnern gebracht wird, mit denen sie sprechen kann. Diese Bewohner sind oft ganz negativ eingestellt und fangen an zu meckern. Es gibt eine positive Erhaschung von Zuwendung und wenn ich diese nicht bekomme, weil das Pflegepersonal keine Zeit für mich hat, dann hole ich sie mir auf negative Art und Weise. Wenn ich nicht genug Liebe bekomme, weil die keine Zeit für mich haben, dann werde ich eben böse und ärgere die anderen, dann gehen sie wenigstens auf mich ein. Hauptsache, ich bekomme Zuwendung. Wenn dann einer kommt und sagt: „Schellen Sie doch nicht immer!“ dann ist das eine Art von Zuwendung.

Also könnte es sein, dass die Bewohner durch das Erzählen diese positive Zuwendung bekommen und dann ausgeglichener und zufriedener werden? Würde dieses bedeuten, dass sie sich anderen gegenüber dann freundlicher verhalten würden?

Das könnte sehr gut sein. Allerdings kann es passieren, dass derjenige, der sich intensiv mit den Bewohnern auseinandersetzt, von ihnen „aufgefressen“ wird. Die Bewohner sind dann egoistisch und nehmen, was sie kriegen können. Sie versuchen, einen festzuhalten und sich an einen zu binden.

Aber das zeigt doch gerade, wie dringend sie die Zuwendung brauchen. Daran sieht man doch, wie groß das Bedürfnis ist.

Das stimmt, aber es ist eine professionelle Beziehung gefragt. Derjenige, der dies durchführt, muss Grenzen setzen können und in der Lage sein, sich abgrenzen zu können. Man muß sehr aufpassen, dass man die Balance hält. Der Bewohner ist in der Gefahr, in eine Abhängigkeit zu geraten. Professionalität sollte eine Partnerschaft bilden. Man muss auch aufpassen, dass man sich emotional nicht zu sehr in die Lebensgeschichten der Bewohner hinein begibt. Sie können einen verfolgen und man hat Schwierigkeiten, von ihren Geschichten loszukommen. Wenn man gibt und gibt, läuft man Gefahr, sich selber aufzugeben. Es können sich in der Arbeit mit den Alten auch Schuldgefühle entwickeln: „Ich habe nicht genug getan“ - das kommt häufig vor. Das ganze kann zum „burnout“ führen oder im schlimmsten Falle in Selbstmord enden. Nähe zulassen und Distanz wahren ist ein schwieriger, schmaler Grad und den gilt es zu finden. Der wichtigste Grundsatz ist, jedem Bewohner gerecht und fair gegenüber zu treten und das ist sehr schwer.

 


4     Die Ergotherapeutin

Seit wann arbeiten Sie hier im Altenheim?

Seit 1981. Seit Beendigung meiner Schulzeit. Ich habe noch zwei Kolleginnen, die aber keine ausgebildeten Ergotherapeutinnen sind. Wir sind alle drei nur teilzeitbeschäftigt. Wir besetzen insgesamt nicht ganz 1.5 Stellen. Das ist nicht reichlich. Wir haben über 100 Bewohner. Ideal wäre es, wenn wir für jeden Wohnbereich eine Kraft hätten, das wäre optimal. Ich glaube aber kaum, dass es in anderen Heimen besser aussieht.

Wie sieht Ihre Arbeit denn aus, machen Sie nur Gruppenangebote oder nur Einzelbetreuung?

Wir haben die Gruppenarbeit immer vorgezogen, ab und zu aber auch Einzelbetreuungen gemacht. Es ist aber vorzugsweise zur Gruppe gekommen, womit wir mehr Menschen erreichen.

Führen Sie denn auch Gespräche mit den Bewohnern und kommt es in den Gruppen auch zu Gesprächen?

Ja, während der Gruppe kommt es immer wieder zu Gesprächen. Es fällt irgendein Stichwort und einige erzählen dann auch. Es gibt immer welche, die erzählen und andere, die nur zuhören. Es gibt viele, die nicht zu Wort kommen, weil sie sich in der Gruppe nicht trauen, etwas zu sagen oder weil andere ihnen „über den Mund fahren“. Es gibt Bewohner, die lassen andere nicht zu Wort kommen. Einige versuchen ansatzweise und hören dann auf. Es ist sehr schwe, in so einer großen Gruppe von über 20 Leuten jeden zu Wort kommen zu lassen und einen Ausgleich zu schaffen. Sehr schwierig. Aber eine reine Erzählgruppe haben wir nicht. Wenn man Leute nur danach aussuchen würde und das Erzählen Thema wäre, dann wäre es besser zu bewerkstelligen, das alle erzählen können und zu Wort kommen. Bei einer Gruppe, die etwas anderes beinhaltet, die sehr gemischt ist, da ist nicht jeder für das Erzählen geeignet oder möchte vor der großen Gruppe etwas sagen. Es sind auch immer welche dabei, die bloß dabeisitzen und zuhören und nicht aktiv teilnehmen.

Glauben Sie, daß man verallgemeinernd einschätzen kann, ob alte Menschen das Bedürfnis haben zu erzählen?

Ja, haben sie, das kann man so sagen. Fast alle, bis auf wenige Ausnahmen haben ein sehr großes Bedürfnis zu erzählen. Es gibt sicher einzelne, die nicht dazu in der Lage sind. Aber wenn man sie gezielt anspricht, dann erzählen sie auch.

Über was erzählen die Bewohner denn?

Überwiegend aus der Vergangenheit. Es gibt ganz wenige, die verschlossen sind und sagen, sie möchten nichts Persönliches preisgeben. Aber das sind Ausnahmen, die meisten erzählen gerne über sich selbst.

Erzählen die Bewohner denn auch über Dinge, die aktuell sind, die im Jetzt passieren oder nur über die Vergangenheit?

Die Bewohner erzählen auch, um ihrem Herzen Luft zu machen. Sie erzählen, was sie jetzt bedrückt. Thema ist, was jetzt mit ihnen passiert oder auch nicht passiert. Aber sie erzählen weniger von jetzt. Die meisten sprechen nur über die Vergangenheit. Sie sind meist, was das aktuelle Geschehen betrifft, nicht sehr informiert. Dadurch können sie über die Gegenwart wenig sagen. Meist geht es um die Familie, die Arbeit oder sie erzählen von dort, wo sie herkommen. Viele erzählen vom Leben, wie es früher war. Sie finden das auch ganz toll, wenn sie uns Jungen etwas erzählen können, was wir nicht miterlebt haben.

Glauben Sie, das Erzählen gibt den Bewohnern das Gefühl sie können ihr Wissen weitervermitteln? So wie in früheren Zeiten oder in anderen Kulturen es noch heute so ist, dass die Alten ihr Wissen an die Jungen weitergeben. Das ist ja bei uns ziemlich verloren gegangen.

Das ist es, ja! Das denke ich auf jeden Fall, dass die Bewohner das Gefühl haben, sie sind wichtig, wenn man ihnen zuhört. Sie sind auch sehr stolz darauf, wenn sie uns etwas erzählen, was wir noch nicht wissen.

Kann man denn auch sagen, dass Alte das Bedürfnis haben, ihr Leben zu resümieren, noch einmal zu überdenken und zu überlegen, was gut war und was sie geträumt haben und was sie verwirklichen konnten? Hilft ihnen das Gespräch dabei, ihr Leben noch einmal Revue passieren zu lassen, um es besser abschließen zu können?

Ich würde nicht sagen, dass das im Vordergrund steht, jedenfalls nicht bewusst. Bei dem Einen oder Anderen ja, aber nicht bei allen. In der großen Gruppe ist das auch schlecht möglich, wenn so viele andere zuhören. Das ginge eher im Einzelgespräch, aber dafür ist die Zeit bei der personellen Besetzung nicht da. So intim zu werden ist in einer so großen Gruppe schlecht möglich, denn ich denke, das ist schon eine intime Sache, so über sein Leben zu sprechen und so ein Resümee zu ziehen.

Haben Sie denn schon mal solche Gespräche geführt?

Einzelne ja. Mit einigen Bewohnern habe ich über den ein oder anderen Punkt gesprochen, aber nicht über die gesamte Lebensgeschichte. Ich persönlich habe noch keine Lebensgeschichten aufgeschrieben. Aber ich glaube, dass diese Punkte dann zur Sprache kommen, wenn man die Lebensgeschichten alter Menschen aufschreibt. Dabei kommt es dann eher dazu, dass sich jemand soweit öffnet.

Glauben Sie, daß es wichtig ist, die Lebensgeschichten aufzuschreiben, damit auch die Mitarbeiter, die mit den Menschen zu tun haben, diese lesen können, damit man so Anhaltspunkte hat, wie die Menschen früher so gelebt haben?

Ja. Das ist schon sehr interessant. Dann weiß man auch bei der Arbeit, worauf man Bezug nehmen kann. Man erfährt dann auch, warum jemand so ist, wie er ist. Man erfährt, warum der Eine immer nur fröhlich und jemand anderes oft traurig ist. Man kann sich dann auch besser in die Personen hineinversetzen. Das ist schon sehr wichtig.

Kann man denn auch über diese Geschichte mehr Respekt für die Bewohner empfinden? Wenn man etwas über Bewohner erfährt, die gebrechlich und verwirrt sind und dann hört, wie sie früher ihr Leben bewältigt haben, kann man sie dann mit anderen Augen sehen?

Ganz sicher. Viele Menschen sehen die Pflegbedürftigkeit und die Verwirrtheit im Vordergrund. Sie sehen die Alten nicht als ganzen Menschen. Sie bedenken nicht, dass der Mensch 70 oder 80 Jahre lang sein Leben gemeistert hat, aber jetzt eben selbständig nicht mehr dazu in der Lage ist. Erfährt man etwas über die Lebensgeschichten, kann man sich das wieder mehr bewusst machen. Das ist schon sehr wichtig, denn es kann schon Respekt bringen.

Was kann es denn dem Bewohner bringen, über sich zu erzählen? Das Resümieren steht ja, wie Sie sagten, nicht so sehr im Vordergrund, aber was bringt es den alten Menschen zu erzählen?

Ja, vor allem, um etwas loszuwerden. Natürlich auch, um sich mitzuteilen – mitteilen, wer man ist oder wer man gewesen ist. Manches ist man ja nicht mehr, da sich das Leben geändert hat. Erzählt wird auch, um Wissen mitzuteilen, überhaupt um mitteilen zu können „Ich weiß noch was“. Für manche ist das sehr wichtig, sie drängen sich in den Vordergrund und wollen zeigen, dass sie noch immer etwas wissen, auch wenn sie alt sind. Die Bewohner erzählen auch gerne darüber, was sie mal konnten, sie suchen nach Anerkennung.

Ist das gerade wichtig im Altenheim? Die wenigsten Menschen haben ein Einzelzimmer, keine eigenen Möbel, alle haben die gleichen Betten und Schränke. Es gibt nicht viel Persönliches, was sie hier haben. Kann man sich über das Erzählen wieder mehr als Individuum fühlen, da in der Umgebung das Individuelle ja ziemlich verloren geht? Können die Bewohner über das Erzählen ihre eigene Persönlichkeit darstellen?

Ja, klar. Die Wichtigkeit des Erzählens mithilfe der Mitarbeiter ist deshalb auch so bedeutend, da die Bewohner untereinander kaum miteinander reden. Diejenigen, die in einem Doppelzimmer leben, sprechen fast nicht miteinander. Auch die, die an einem Tisch miteinander sitzen, sprechen selten miteinander.

Aber woran liegt das denn wohl?

Das liegt oftmals daran, dass da Personen miteinander leben, die oft keinen Draht zueinander haben. Wenn da jemand bettlägeriges liegt, der gar nicht mehr erzählen kann und jemand der fit ist und gerne erzählt, der hat dann ja in seiner unmittelbaren Nähe keinen, mit dem er sich unterhalten kann. Aber auch, wenn mehrere an einem Tisch sitzen, findet selten mal ein Gespräch statt.

Das ist ja eigentlich merkwürdig, wenn doch das Bedürfnis des Erzählens da ist.

Ja, das ist sehr komisch. Aber es liegt wahrscheinlich daran: Der Eine hört nicht gut, der Andere sieht schlecht und der Andere versteht einfach nicht, was man ihm sagt. Das die Konstellation mal so ist, dass da Menschen zusammenkommen, die sich wirklich unterhalten können, ist sehr selten.

Das ist ja sehr schade. Gerade die Bewohner untereinander können sich besser in die Situation der anderen einfühlen. Es ist auch sehr schade, dass Menschen, die eigentlich gar nicht zusammenpassen, in einem Zimmer leben. Woran liegt denn diese Konstellation? Warum lebt jemand pflegebedürftiges und jemand, der noch mobil ist, in einem Zimmer? Liegt das daran, dass sich das mit der Zeit so entwickelt hat, da einer von beiden stark abgebaut hat, oder werden die Bewohner von Anfang an nicht richtig für einander ausgewählt?

Entweder mit der Zeit, aber häufig ist es auch der Fall, dass in einem Zimmer ein Bett frei wird und es interessiert sich gerade jemand für ein Zimmer. Derjenige zieht dann da ein, wo gerade etwas frei ist. Die müssen sich dann so nehmen, wie sie sind. Man hat selten die Möglichkeit umzuziehen, zu jemandem, zu dem man passt. Dann müsste nicht nur die eine Person, sondern auch eine andere damit einverstanden sein. Es müsste getauscht werden. So ein Umzug muss erst mal gewollt werden und ist mit sehr viel Umstand und Verwirrung verbunden. Wenn jemand schon etwas verwirrt ist, passiert es auch, das er nachher sein Zimmer nicht mehr findet. Häufig haben sich die Bewohner auch sehr an ihr Zimmer gewöhnt.

Wird es denn den Bewohnern angeboten, umziehen zu können, oder müssen sie selber in der Lage sein, dies zu äußern?

Es wird unter Umständen angeboten, aber nur, wenn ein triftiger Grund vorliegt, zum Beispiel wenn jemand sehr unruhig ist und der Andere im Zimmer sichtlich darunter leidet, weil er vielleicht nicht schlafen kann. Dann würde es angeboten. Möchte er dann umziehen, muss aber auch die Bereitschaft eines anderen Bewohners da sein, in dieses Zimmer umzuziehen. Das lässt sich leider nicht immer so verwirklichen.

Das bedeutet aber, die Bewohner müssen sich in nicht so offensichtlichen Fällen schon selber äußern, wenn sie gerne umziehen würden.

Ja, das stimmt. Aber meist merkt man es ihnen auch an und fragt sie dann.

Kommt es denn schon mal vor, dass so ein Umzug zustande kommt?

Ja, ab und zu. Aber eher nicht, deshalb, weil dem Einen der Gesprächspartner fehlt, sondern dann eher aus Gründen, das Menschen überhaupt nicht miteinander zurecht kommen.

Glauben Sie denn, dass die Menschen, die zusammen an einem Tisch sitzen und gar nicht mit einander sprechen, erzählen würden, wenn eine Person da wäre, die zwischen den Bewohnern vermittelt?

Ja, wenn die Person den Anschluss untereinander fördert, sie die Bewohner auch dazu motiviert dann ganz bestimmt. Diese Person kann die Bewohner gezielter ansprechen und auch ggf. für die anderen wiederholen. Es gibt auch ab und zu Gespräche unter den Bewohnern ohne eine zusätzliche vermittelnde Person, zum Beispiel in der Eingangshalle. Dies sind aber dann Gespräche über das Wetter und Alltägliches: „Wie geht es denn so?“. Es entstehen nur kurze Dialoge, aber keine längeren Gespräche. Wenn da eine Person dabei wäre, das wäre eine Hilfe. Die meisten brauchen schon Motivation von außen.

Glauben Sie, dass man das sogenannte Vegetieren durch das Erzählen mit den Bewohnern verhindern kann? Ich habe gelesen, dass viele Bewohner, wenn sie in ein gewisses Stadium kommen, immer mehr abbauen und dahinvegetieren, wenn sie keine Ansprache von außen bekommen.

Ohne die Anregung und ohne die Ansprache ist das auch meistens so. Ich kann mir das gut vorstellen. Bei vielen Bewohnern könnte das Vegetieren verhindert werden, wenn sie die Ansprache hätten.

Finden Sie die Geschichten, die die Alten erzählen, interessant? Glauben Sie, dass sie gerade für jüngere Menschen interessant sind oder meinen Sie, die jüngere Generation interessiert sich nicht dafür, wie es früher war?

Doch, natürlich nicht alle, aber viele interessieren sich dafür. Aber meist nicht die nächsten Verwandten, vielleicht, weil sie die meisten Geschichten schon kennen. Ich persönlich finde die meisten Geschichten sehr interessant.

Kann man von den Geschichten der Alten etwas lernen?

Natürlich. Es gibt heute viele Situationen, die es auch schon früher gegeben hat. Es gibt viele Dinge, auch im zwischenmenschlichen Bereich, die sich nicht so sehr ändern. Vieles Äußere hat sich verändert, aber die menschlichen Dinge, die sind die selben geblieben. Die Geschichten sind vor allem auch spannend und interessant zu hören. Für mich auf jeden Fall. Ich finde es sehr, sehr spannend zu hören, wie die Menschen früher das Leben bewältigt haben unter viel viel widrigeren Umständen, als wir heute.

Also kann man sich die Alten manchmal auch zum Vorbild nehmen?

Natürlich. Wie sie mit dem Alter umgehen, das kann man sich zum Vorbild nehmen. Allerdings kann man ihnen auch durch das Gespräch helfen, eine andere Sichtweise über die Dinge zu bekommen. Manchmal wird gesagt „Mir geht es immer schlecht, weil die Frau Sowieso immer so schäbig zu mir ist“. Da kann man dann den Anstoß zum Überlegen geben, warum diese Frau wohl so ist. Man kann auch fragen, wie sich die Person selbst zu der Frau Sowieso verhält. Solche Gespräche sind natürlich nicht in der großen Gruppe zu führen. Es wäre höchstens in einer kleinen Gruppe möglich, in der man dann solche Probleme bespricht. Aber über das Erzählen kann man auch Trost vermitteln, ggf. auch in einer größeren Gruppe, aber dort weniger gut. Die Menschen öffnen sich mehr in einer kleinen Gruppe oder einzeln.

Können die Alten denn auch von der jungen Generation über das Erzählen etwas lernen?

Über das Erzählen erfahren die Alten oftmals was heute so alles passiert. Sie sind über Aktuelles meist nicht so informiert. Nicht alle haben einen Fernseher oder lesen Zeitung. Wir sind auch Vermittler der Außenwelt. Mit noch jüngeren Menschen wäre das alles noch viel interessanter. Wenn sich ganz junge Menschen mal mit den Alten in einem Erzählkreis auseinandersetzen würden, wäre das sicherlich sehr bereichernd für beide. Das ist natürlich auch etwas sehr Schwieriges. Aber jüngere Menschen können den Alten wieder eine ganz andere Sichtweise des Lebens mitgeben.

Man könnte ja mal Kinder oder Jugendliche einladen und über bestimmte Themen sprechen. Zum Beispiel wäre das Thema „Schule, wie war sie früher und wie ist sie heute?“ Das wäre für beide Seiten interessant.

Ja, man profitiert in jedem Alter voneinander, ganz egal, wie alt man ist. Für mich bedeutet Erzählen sehr viel. Ich erzähle vieles, was mich bewegt. Das was mich belastet, erzähle ich, natürlich nur bestimmten Menschen, nicht jedem. Es tut mir gut, zu erzählen – zu schimpfen auch. Über Situationen oder auch über Menschen. Bei jemanden mal „Dampf ablassen“, das tut gut. Auch der Austausch, der ist mir sehr wichtig. Ich finde es gut, wenn ich mal „Dampf ablasse“ und jemanden habe, der mich wieder ein bißchen „runterholt“, mich beruhigt. Diese Chance hat man nur dann, wenn man sich äußert. Man sollte nicht alles runterschlucken.

Ich finde, das Erzählen vermittelt auch Gemütlichkeit. Wenn man so zusammensitzt und Kaffee trinkt und dabei nicht erzählen würde, wäre das sehr ungemütlich.

Ja, das erinnert mich an meine Kindheit. Früher, als wir Kinder waren, da haben wir immer nachmittags mit unserer Mutter zusammen in der Küche gesessen und haben Kaffee getrunken. Dann haben wir eben auch erzählt, was alles so war und was so kommt und haben über alles geredet. Das war sehr wichtig für uns Kinder. Das versuche ich jetzt auch mit meinen Kindern immer in den Tagesablauf einzuplanen. Sich Zeit zu nehmen für diese Kaffeezeit, zusammen zu sitzen und zu erzählen. Wir sitzen zwar auch bei den anderen Mahlzeiten zusammen, aber dies machen wir ganz bewusst, um uns auszusprechen und um zu erzählen, was alles so passiert ist.

Allgemein kann man leider sagen, dass das Erzählen verloren gegangen ist. Früher war es üblich, sich zusammenzusetzen, auch in den Nachbarschaften, um zu erzählen. Das kennt man ja heute nicht mehr so. Könnte das auch durch die neuen Medien beeinflusst worden sein?

Ja, natürlich. Man kann alles nachlesen, man kann sich überall informieren und alles finden, ob in Büchern, Zeitungen oder im Fernsehen. Das alles bietet uns soviel Unterhaltung, dass das Erzählen verloren geht.

Allerdings ist das Erzählen in der letzten Zeit wieder aktuell geworden. Es lebt wieder auf.

Ja, ich hab´s jetzt auch gelesen, auf einem Plakat. Da finden jetzt Veranstaltungen zum Erzählen statt. In der Zeitung hab ich´s auch gelesen.

Vielleicht haben Sie vom 2. Internationalen Erzählfestival in der Akademie Musterstadt oder von Erzählcafés gelesen.

Ja, das kann sein. Ich glaube, dass es leider so ist, dass viele vom Erzählen abgeschreckt sind, da sie Angst davor haben. Sie glauben, erzählen müsste immer einen hohen Anspruch haben. Aber Plaudern und einfach nur miteinander reden, auch über Belanglosigkeiten ist wichtig für den Menschen. Das wird oft verkannt. Viele haben Angst vor dem Zwang etwas produzieren zu müssen.

Ja ich glaube auch, die meisten Menschen denken von sich, sie könnten nicht erzählen. Dabei kann jeder auf seine Art erzählen.

Ja, die meisten denken dabei an etwas Professionelles oder an Literatur berühmter Autoren. Aber die Leute sollten auch dem alltäglichen Erzählen, was für zwischenmenschliche Beziehungen steht, mehr Bedeutung zuweisen.

 

 


B  Gesetzliche Grundlagen

1     Das Heimgesetz

An dieser Stelle möchte ich einen kurzen Überblick über das Heimgesetz (HeimG) vom 7. August 1974, zuletzt geändert durch das 2. Gesetz zur Änderung des Heimgesetzes vom 3. Februar 1997, geben.

In dem Heimgesetz werden die Rechte der Heimbewohner durch den Staat geschützt. Die Überwachung der Heime ist im §9 geregelt; §10 besagt, dass die Trägerverbände daran beteiligt werden können. §4 informiert über den Heimvertrag und alle damit zusammenhängenden, wichtigen Vorschriften.

Die Heimmitwirkungsverordnung (HeimmitwV) vom 19. Juli 1976 klärt über die Mitwirkung der Bewohner von Altenheimen, Altenwohnheimen und Pflegeheimen auf. Dies beinhaltet auch die Rechte des Heimbeirats und die des Heimfürsprechers. §30 zum Beispiel informiert über die Mitwirkung des Heimbeirats bei wichtigen Entscheidungen.

Die Verordnung über die Pflichten der Träger vom Altenheimen, Altenwohnheimen und Pflegeheimen (Heimsicherungsverordnung) ist seit dem 24. April 1978 rechtlich geregelt.

Die Verordnung über bauliche Mindestanforderungen für Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime (Heimmindestbauverordnung) vom 17. Januar 1978 legt in den §§2-13 Folgendes fest: Mindestanforderungen an Wohn- und Pflegeplätzen, Flure, Treppen, Aufzüge, Fußböden, Beleuchtung, Rufanlage, Telefon, Zugänge, sanitäre Anlagen, Wirtschaftsräume und Heizung- und Gebäudezugänge.

Die Verordnung über personelle Anforderungen für Heime (Heimpersonalverordnung - HeimPersV) vom 19. Juli 1993 legt zum Beispiel im §5 die vorgeschriebene Anzahl der beschäftigten Fachkräfte mit spezieller Ausbildung fest. [12]


2     Die Pflegeversicherung

Seit dem 1. Januar 1995 ist das Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz - PflegeVG) vom 26. Mai 1994 in Kraft. Bei stationärer Pflege zahlen die Pflegekassen seit dem 01. Juli 1996 im Rahmen einer Übergangsregelung, die bis zum 31. Dezember 1999 gilt, regelmäßig feste, nach Pflegestufen gestaffelte Beiträge für die Grundpflege, die soziale Betreuung und die medizinische Behandlungspflege im Heim. Insgesamt gibt es drei verschiedene Pflegestufen. Die Bewohner werden bei Einzug ins Heim bzw. bei Veränderung der Pflegebedürftigkeit vom MDK (Medizinischer Dienst der Krankenkassen) in die verschiedenen Pflegestufen eingruppiert. [12]

Pflegeversicherung: Sammelbegriff für Versicherungen zur finanziellen Vorsorge gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit, d.h. das ständige Angewiesensein eines Menschen auf die persönliche Hilfe anderer zur Bewältigung regelmäßiger alltäglicher Verrichtungen. Zu der bisher freiwillig-privaten Absicherung trat zum 1.1. 1995 eine gesetzliche Pflegeversicherung unter dem Dach der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung umfassen die häusliche Pflege (ab 1.4. 1995) und die stationäre Pflege (ab 1.7. 1996). Leistungen der häuslichen Pflege werden nach dem Grad der Pflegebedürftigkeit gestaffelt. Als Sachleistungen zur Pflege betragen sie monatlich für erheblich Pflegebedürftige bis zu 750 DM, für Schwerstpflegebedürftige bis zu 2800 DM (in Härtefällen bis zu 3300 DM). Das Pflegegeld als monatliche Geldleistung beträgt 400-1300 DM je nach Grad der Pflegebedürftigkeit. In der stationären Pflege werden Leistungen bis zu 2800 DM monatlich gezahlt (Härtefälle bis zu 3300 DM). Finanziert wird die Pflege durch einen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte zu tragenden Beitragssatz von 1% (ab 1.1. 1995) bzw. 1,7% (ab 1.7. 1996) des Bruttoeinkommens. Zur Kostenentlastung der Arbeitgeber strichen die meisten Bundesländer einen auf einen Werktag fallenden Feiertag. [77]


C  Quellennachweis

1     Literaturverzeichnis

[1]                   Baltes, Paul B./Mittelstraß, Jürgen/Staudinger, Ursula M.                           (Hg.):  Alter und Altern: Ein interdisziplinärer Studientext zur
                        Gerontologie. Berlin/New York 1994

[2]                   Baltes, Paul B./Mittelstraß, Jürgen (Hg.): Zukunft des Alterns                      und gesellschaftliche Entwicklung. Gerontologie: Begriff,
                        Herausforderung und Brennpunkte. Berlin/New York 1992

[3]                   Beauvoir, Simone de: Das Alter, Hamburg 1997

[4]                   Berger, Manfred E. (Hg.): In unserem Alter. Lebensgeschichten.
                        Hamburg 1992

[5]                   Birren, J. E.: Altern als psychologischer Prozess.
                        Freiburg i. Br. 1974

[6]                   Blimlinger, Eva/Ertl, Angelika/Koch-Straube, Ursula/
                        Wappelshammer, Elisabeth: Lebensgeschichten.
                        Biographiearbeit mit alten Menschen. Hannover 1994

[7]                   Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
                        (BFSFJ) (Hg.): Altenhilfe in Europa - Länderberichte,
                        Stuttgart/Berlin/Köln 1996

[8]                   Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
                        (BFSFJ) (Hg.): Eine Gesellschaft für alle Lebensalter: Beiträge
                        zum internationalen Jahr der Senioren 1999 - Bericht der natio-                     nalen Kommission, Stuttgart/Berlin/Köln 1998

[9]                   Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
                        (BFSFJ) (Hg.): Dokumentation „Die Alten der Zukunft - Die               Gesellschaft von Morgen“, Bonn 1996

[10]                 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
                        (BFSFJ) (Hg.): Engagementförderung als neuer Weg der
                        kommunalen Altenpolitik. Stuttgart/Berlin/Köln 1998

[11]                 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
                        (BFSFJ) (Hg.): Personalsituation in der Altenpflege in der
                        Bundesrepublik Deutschland. Stuttgart/Berlin/Köln 1996

[12]                 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
                        (BFSFJ) (Hg.): Ihre Rechte als Heimbewohner. Bonn 1998

[13]                 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
                        (BFSFJ) (Hg.): Zweiter Altenbericht. Wohnen im Alter.
                        Bonn 1998

[14]                 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
                        (BFSFJ) (Hg.): Wohnberatung in Anbindung an die Sozialstation
                        der freien Alten- und Nachbarschaftshilfe. Bonn 1997

[15]                 Clausen, Claus/Merkelbach, Valentin(Hg.): Erzählwerkstatt.                         Mündliches Erzählen. Braunschweig 1995

[16]                 Dinkel, Rainer H./Lebok Uwe: Deutsche Rentenversicherung.
                        Könnte durch Zuwanderung die Alterung der Bevölkerung und                         die daraus resultierenden Zusatzlasten der sozialen Sicherung                     aufgehalten oder gemindert werden? 1993

[17]                 Düx, Holger: Lebenswelten von Menschen in einem Alten- und
                        Pflegeheim. Köln 1997

[18]                 Ehlich, Konrad (Hg.): Erzähl-Erwerb. Bern 1989

[19]                 Ehlich, Konrad (Hg.): Erzählen im Alltag. Frankfurt a. M. 1980

[20]                 Feil, Naomi: Validation. Ein Weg zum Verständnis verwirrter                         alter Menschen. München 1999

[21]                 Friedan, Betty: Mythos Alter. Hamburg 1997

[22]                 Geschäftsstelle zum Internationalen Jahr der Senioren (IJS)
                        (Hg.)
                        Fachtagung der Nationalen Kommission. Bonn 1999

[23]                 Grond, Erich: Praxis der psychischen Altenpflege.
                        München, 1988

[24]                 Hesse, Hermann: Mit der Reife wird man jünger.
                        Betrachtungen und Gedichte über das Alter, Frankfurt a. M. 1990

[25]                 Karg, Hans Hartmut: Gerontopädagogik. Erziehung und Alter.
                        Frankfurt a.M. 1987

[26]                 Karl, Fred: Neue Wege in der sozialen Altenarbeit.
                        Freiburg i.Br. 1990

[27]                 Lambertus Verlag (Hg.): Gruppenarbeit mit älteren Menschen.
                        Ein Werkbuch. Freiburg i. Br. 1969

[28]                 Lehr, U.: Psychologie des Alterns. Heidelberg/Wiesbaden 1991

[29]                 Lowy, Louis: Soziale Arbeit mit älteren Menschen.
                        Freiburg i. Br. 1981

[30]                 Merkel, Johannes/Nagel, Michael: Erzählen. Die Entdeckung
                        einer vergessenen Kunst. Geschichten und Anregungen:                                   Ein Handbuch. Hamburg 1982

[31]                 Pütz, Jean/Kischner, Monika: Länger Leben, Besser Leben,
                        Köln 1998

[32]                 Reimann, H./Reimann, H. (Hg.): Das Alter. Einführung in die
                        Gerontologie. Stuttgart 1983

[33]                 Rosenmayr, L: Die Kräfte des Alters. Wien 1990

[34]                 Oehlmann, Christel: Garantiert Erzählen lernen.
                        Ein Übungsbuch. Hamburg 1995

[35]                 Oswald, Wolf D./Fleischmann, Ulrich M.: Gerontopsychologie,
                        Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1983

[36]                 Scheidgen, Helmut (Hg.): Die allerbesten Jahre. Thema: Alter.
                        Weinheim/Basel 1988

[37]                 Schweppe, Cornelia (Hg.): Soziale Altenarbeit. Pädagogische
                        Arbeitsansätze und die Gestaltung von Lebensentwürfen im
                        Alter. Weinheim/München 1996

[38]                 Schulz, Heike: Soziale Beziehungen im Alter.
                        Frankfurt a.M./New York 1979

[39]                 Walter, Helmut: Das Alter Leben! Darmstadt 1995

[40]                 Witterstätter, Kurt: Soziologie für die Altenarbeit.
                        Freiburg i. Br. 1997

 

2     Zeitschriften

[41]                 Altenpflege: Beitrag: Erinnerungsarbeit: Alte Fotos, neuer                             Schwung, Ausgabe 2/96

[42]                 Altenpflege: Beitrag: Biographiearbeit: Unvergessliche
                        Momente. Ausgabe 5/96

[43]                 Altenpflege: Beitrag: Leitbilder im Heim. Ausgabe 7/96

[44]                 Altenheim: Beitrag: Altenpflege 98:
                        Qualität durch Professionalität. Ausgabe 3/98

[45]                 Altenpflege Forum: Beitrag: Alt gleich krank? Ansätze zum               Methodenwandel in Altenpflege und Sozialarbeit. Ausgabe 3/97

[46]                 Altenpflege Forum: Beitrag: Erzähl doch mal. Alte Menschen
                        und ihr Erleben von Zeitgeschichte. Ausgabe 9/96

[47]                 Geschäftsstelle zum Internationalen Jahr der Senioren (IJS)
                        Sondernummer: Beitrag: Arbeitsschwerpunkte und
                        Zielsetzungen im Internationalen Jahr der Senioren 1999.
                        Sonderausgabe 4/98

[48]                 Geschäftsstelle zum Internationalen Jahr der Senioren (IJS)
                        ijs-nachrichten: Beitrag: Eine Gesellschaft für alle Lebensalter.
                        Ausgabe 2/98

[49]                 Myers, Georg C.: Beitrag: Sterblichkeitsrückgang,
                        Lebensverlängerung und Altern der Bevölkerung
                        in: Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft 10/84

[50]                 Pro Alter: Beitrag: Soziale Betreuung. Ausgabe 7/96

[51]                 Pro Alter: Beitrag: Zweite Stufe der Pflegeversicherung.
                        Soziale Betreuung im Heim gefährdet.
                        Beitrag: Reflexionen über Sprache in der Pflege, Ausgabe 12/95

[52]                 Pro Alter: Beitrag: Psychosoziale Betreuung von
                        Heimbewohnern, Ausgabe 10/96

 

3     Internet - Links

Erzählcafés

[53]                 Akademie Musterstadt 2. Internationales Erzählfestival 1999:
                               http://www.ars-online.de/kurse/fbinterars/l33.htm

[54]                 Erzählcafé in Limburg:
                               http://region.region-online.de/gemeinde/limburg/pages/aktuell/presse/                                                                1998/juni1998/p980617b.htm

[55]                 Erzählcafé in Frankfurt:
                               frankfurt http://gandalf.stadt-frankfurt.de/wissenschaftsstadt/
                               schwerpunkte/forschung_fuer_die_stadt/forschung74.html

[56]                 Erzählcafé in Hagen
                               http://tamarillo.hagen.de/VERANST/vortrag.htm

[57]                 Erzählcafé im DRK-Heim Hürth
                               http://www.erft.de/vereine/drk-erft/wabian/publikationen/wir/wir0498/
                               wir0498_02.htm

[58]                 Erzählcafé Die Brücke
                               http://www.rhein-lahn-info.de/erzaehl-cafe/

[59]                 Erzählcafé in Göttingen
                               http://home.t-online.de/home/freiealtenarbeit.goettingen/erzaehl.htm

[60]                 Erzählcafé der Friedrich-Bayer Realschule in Wuppertal:
                               http://www.w.shuttle.de/w/fbrs/aktuell/aktuell.htm

[61]                 Erzählcafé VHS Augsburg
                        http://www.vhs-augsburg.de/Buergerforum/PolitikZeitgeschehen/index.html

[62]                 Erzählcafé im Treffpunkt Rothschildpark Frankfurt
                        www.rhein-main.net/RMV/texte/jf/vkadr/ad-3032.html

[63]                 Türkisch-deutsches Erzählcafé in Köln
                        http://129.247.97.202/vsiw/seniorweb/wett1/26.html

[64]                 Erlebte Geschichte - Zukunft hat Vergangenheit
                               http://www.koblenz.de/sehenswertes/erlebt/index.htm

[65]                 Projektseminar Erzählcafé Uni Halle:
                        http://mlucom6.urz.uni-halle.de/erzwiss/gliederung/paed/ebgs.html#jung

[66]                 Pflegekonferenz in Meppen
                               http://www.emsland.de/presse/pr27_98.htm

[67]                 Altern & Kultur: Was ist Validation?
                               http://senioren.network.at/senioren.network.at/altern+kultur/validation.html

 

Demographische Lage

[68]                 AWO: Bald jeder dritte über 60
                               http://www.awo.org/awomag/ausgaben/04_98/0498_10.html

[69]                 Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BIB)
                               http://home.t-online.de/home/bib-2499/demolage.htm

[70]                 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
                               (BFSFJ): http://www.bfsfj.de/
                        Internationales Jahr der Senioren:                                                                     http://www.bfsfj.de/events/ijs/ijs1.htm
                               http://www.bfsfj.de/medienze/archiv/presse/presse98/pm9815.htm

[71]                 Rönsch, Hannelore: Wohnen im Alter
                               http://www.cdu-wiesbaden.de/roensch/9804wohn.htm

[72]                 Statistisches Bundesamt
                               www.statistik-bund.de

 

4     Weitere Quellen

[73]                 Akademie Musterstadt: 2. Internationales Erzählfestival.
                        „Erzähl mir was!“ Workshops in der Akademie Musterstadt, 1999

[74]                 Brockhaus AG: PC-Bibliothek 1.0: Meyers Lexikon 1993

[75]                 Haus X: Informationsbroschüre über das Alten- und                       Pflegeheim. Musterstadt 1999  
                        Homepage Haus X:
                               http://www.pingweb.de/seyffert/hcl.htm

[76]                 Kaminski, Winfred: „Erzähl doch mal!“ Teilnahme am Seminar                      in der Blockwoche an der FH Köln 1997

[77]                 Microsoft Corporation/Brockhaus AG: LexiRom 2.0.
                        1995-1996

[78]                 Seniorenführer Bergisch Land 1997/1998

[79]                 Pürker, Stephan/Groß, Thomas/Gräßer, Ottilie:
                        Projektbericht zum Projekt: „Literaturkreis im Altenheim“                              im Rahmen des Projekts „Erwachsenenbildung“ beim Dozent:
                        Prof. Dr. Volker Schmidt-Kohl, FH Köln, SS1997-WS1997/98

[80]                 Pürker, Stephan/Groß, Thomas:
                        Bericht zur Fotografiearbeit mit Senioren im Rahmen der
                        Fachprüfung in Ästhetik und Kommunikation bei
                        Dozent: Prof. Albert Dost, FH Köln, SS1998

[81]                 Fiedler, Petra: Frage- und Antwortspiel für ältere Menschen:
                        „Vertellekes“. Hannover, 1994
                       

 


D  Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

1     Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Bevölkerungspyramide – Altersaufbau der Bevölkerung...................

Abbildung 2 Jährliche Bevölkerungszunahme / -abnahme in Deutschland..........

Abbildung 3 Anteil der Hochbetagten an der Bevölkerung 1993...................................

Abbildung 4 Veränderung der Zahl der Hochbetagten bis 2010......................................

Abbildung 5 Prognosen für einzelne Länder für das Jahr 2025.......................................

Abbildung 6 Wohnformen im Alter..................................................................................................

Abbildung 7 Schätzung Versorgungsbedarfs...........................................................................

Abbildung 8 Merkmale institutionalisierter Wohnformen...........................................

Abbildung 9 Technische Erfindungen in diesem Jahrhundert........................................

Abbildung 10 Auswertung Alter der Befragten....................................................................

Abbildung 11Auswertung Aufenthaltsdauer im Heim......................................................

Abbildung 12 Auswertung Sozialkontakte.............................................................................

Abbildung 13 Auswertung Relevanz des Erzählens............................................................

Abbildung 14 Einladungskarte Vorder-/Rückseite...............................................................

Abbildung 15 Einladungskarte Innenseite.................................................................................

Abbildung 16 Tischkarte Erzählcafé............................................................................................

 

2     Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Bevölkerungsentwicklung und Lebenserwartung West............................

Tabelle 2 Bevölkerungsentwicklung und Lebenserwartung Ost................................

Tabelle 3 Bevölkerung nach Geschlecht......................................................................................

Tabelle 4 Haushalte und Bevölkerungsbewegung................................................................

Tabelle 5 Bevölkerung nach Altersgruppen, Familienstand und Religionszugehörigkeit  

Tabelle 6 Anteil der Senioren an der Bevölkerung Bergisch Land..............................

 

 


E Eidesstattliche Erklärung

 

 

 

 

 

 

Hiermit versichere ich, diese Diplomarbeit selbständig verfasst

und keine anderen, als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel

benutzt zu haben.

 

 

 

 

 

 

 

Musterstadt, den 13.07.1999                                                                

                                                                                              Claudia Onida



[1] B.i.B.-Bevölkerungsvorausschätzung nach dem Familienstand aus: [9]

[2] Bismarck, Otto von: Gründer und erster Kanzler des Deutschen Reiches: Kanzler von 1871-1890 [77]

[3] Gerontologie = (Alternsforschung), die Erforschung des biologischen. Alterungsvorgangs (Seneszenz) und seiner Ursachen. Die Aufgabe der Gerontologie ist es, den Prozeß des Alterns hinsichtlich seiner biologischen, medizinischen, psychologischen und sozialen Aspekte zu erkennen. [77]

[4] Geriatrie = (Altersheilkunde), Teilgebiet der klinischen Medizin, das sich mit den spezifischen Alterskrankheiten und den allg. Erkrankungen des alten Menschen, ihrer Vorbeugung und Behandlung befaßt. [77]

[5] narrativ: erzählend, in erzählender Form darstellend [77]

[6] Burnout [engl.] "Ausbrennen" [77]

[7] Exploration: Untersuchung und Befragung; Nachforschung [77]

[8] Evaluation: a) Bewertung, Bestimmung des Wertes; b) Beurteilung von Lehrplänen und Unterrichtsprogrammen (Päd.) [77]

Falls euch die Diplomarbeit gefallen hat oder ihr einige Verbesserungsvorschläge bieten könnt oder einfach nur mir so eine "Feedback" geben möchtet:

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last updated: 24.04.2000