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Erzählcafé

Ich habe in Köln Sozialpädagogik studiert und das "Erzählen", insbesondere mit alten Menschen, zum Thema meiner Diplomarbeit gewählt.

Der Titel der Diplomarbeit lautete: "Alte Menschen und die Relevanz des Erzählens im Altenheim"

Während des Studiums arbeitete ich als festangestellte Teilzeitkraft im Pflegedienst des Alten- und Pflegeheimes "Haus X"  in Musterstadt-Musterhausen. Während meiner Tätigkeit wurde mir bewusst, dass das Erzählen für die Heimbewohner Zuwendung und Ausdruck von Beziehung bedeutet und im Altenheim sehr wichtig ist und leider viel zu kurz kommt. Ich hatte mich schon während meines Studiums, im Fach Medienpädagogik, in Ästhetik und Kommunikation mit der Bedeutung des Erzählens für den Menschen beschäftigt und eine mündliche Fachprüfung darüber abgelegt.

Aus finanziellen Gründen herrscht in den Altenheimen eine äußerst knappe Besetzung im Pflegedienst. Dadurch ist es den PflegedienstmitarbeiterInnen nicht möglich, neben der anfallenden, schweren körperlichen Pflege, eine ausreichend psychosoziale Betreuung zu gewährleisten. Nur während der pflegerischen Tätigkeiten können Worte gewechselt werden. Auch die Mitarbeiter des Sozialen Dienstes können auf Grund der personellen Besetzung den Bedürfnissen der Bewohner nicht gerecht werden. Nicht alle Bewohner haben noch Familienangehörige oder Bekannte, von denen sie besucht werden könnten. Selbst wenn noch Angehörige vorhanden sind, kommen diese nicht immer regelmäßig und wenn, dann bleiben sie oft nur kurz und haben keine Zeit oder kein Interesse sich intensiv mit den Bewohnern zu unterhalten.

Das Erzählen ist wichtig, um sich anderen Menschen mitzuteilen und um etwas loszuwerden, was einen belastet. Man kann sich "Etwas von der Seele reden", wenn man jemanden hat, der einem zuhört. Über das Zuhören erfahren die Bewohner Zuwendung und dass sie und ihr Leben wichtig sind. Erzählen über sich selbst bedeutet im hohen Alter, sein Leben zu resümieren, es noch einmal zu überdenken, zu ordnen und es dadurch besser abschließen zu können, um in Frieden zu sterben. In der Sterbebegleitung ist das Erzählen, auch das taktile Erzählen und Kommunizieren über Blickkontakt wichtig für den Sterbenden. Über Erzählen kann Wissen vermittelt werden. Gerade die junge Generation kann aus den Erzählungen der Alten etwas lernen. Über das Erzählen, Abwägen und Diskutieren kann man zu neuen Sichtweisen gelangen und mit Hilfe der Zuhörer manche Dinge mit anderen Augen sehen. Schuldgefühle und festegefahrene Ansichten können beweglich gemacht werden. Erzählen ist ja auch Bestandteil der Psychotherapie. Über das Erzählen von Witzen und lustigen Anekdoten aus dem Alltag, kann die Aufmerksamkeit der Bewohner auf die positive Wahrnehmung gelenkt werden. Erzählen kann für Heimbewohner auch Ablenkung von Krankheit, Leid und Geberechen bedeuten. Es vertreibt Langeweile und die Eintönigkeit im Heimalltag. Durch die Regelmäßigkeit, Routine und Gleichförmigkeit im Heim geht die Individualität der Bewohner weitgehend verloren. Sie sind alle "einer unter vielen" und haben ihr persönliches Hab und Gut hinter sich lassen müssen. Das Erzählen über sich selbst und über das eigene Leben stellt die eigene Persönlichkeit und Individualität wieder in den Vordergrund. Vor allem hilft dies den MitarbeiterInnen eines Altenheims, die Bewohner in ihrer Ganzheit zu sehen und nicht nur die Aufmerksamkeit auf ihre Defizite zu lenken. Zu erfahren, wie die einzelnen Bewohner früher gelebt haben, ist nicht nur höchst interessant, sondern es zeigt auch, wie die Menschen damals ihr Leben unter widrigen Umständen bewältigt haben. Man erfährt, was sie erreicht und geleistet haben und kann dadurch den Bewohnern mehr Respekt gegenüber bringen.

Ein wichtiger ethischer Grundsatz ist für mich, alle Menschen, egal welchen Alters, Geschlechts oder Herkunft und egal wie hilflos und abhängig sie sein mögen, als eigenständige, wertvolle Menschen zu akzeptieren und zu achten. Wichtig ist, die Ressourcen und Eigeninitiativen der Menschen zu erkennen und zu fördern, damit sie sich ihre Selbständigkeit soweit wie möglich bewahren können. Dies ist ein Teil der Menschenwürde, trägt zum Wohlbefinden und zur Förderung des Selbstwertgefühls bei.

Um der Relevanz des Erzählens im Altenheim noch näher auf den Grund gehen zu können, führte ich fast ca. 30 Interviews mit den BewohnerInnen und den verschiedenen MitarbeiterInnen des Altenheimes durch. Hierbei bestätigte sich die Relevanz des Erzählens und der Mangel an Ansprechpartnern für die Heimbewohner.

Um den Bewohnern die Möglichkeit zu geben, von sich zu erzählen, rief ich ein Erzählcafé ins Leben. Über die Interviews lernte ich Bewohner kennen, die Interesse an einem Erzählcafé hatten und lud sie über eine schriftliche Einladung, die ich ihnen persönlich übergab, dazu ein. Das Erzählcafé des Alten- und Pflegeheimes Haus Clarenbach besteht nun seit Mai 1999 und findet wöchentlich im Wintergarten Freitag Nachmittags statt. Es nehmen durchschnittlich ca. 10 Personen daran teil. Neben einigen Stammgästen, wechseln auch einige Besucher und es werden auch Nicht-Heimbewohner eingeladen. Die Bewohner werden von mir selbst abgeholt und wieder auf ihren Wohnbereich zurückgebracht, soweit sie nicht selbständig zum Wintergarten gelangen können. Das Erzählcafé beginnt stets mit Kaffee und Kuchen. Den Raum dekoriere ich festlich mit Kerzen, Blumen, einer Aromalampe, Servietten in Serviettenringen und persönlichen Tischkarten mit Namen eines jeden Teilnehmers. Den Kuchen backe ich entweder selbst oder gemeinsam mit den Bewohnern des Altenheimes. Ein Bewohner, der in früheren Jahren Hobbyfotograf war, fotografiert des Öfteren die Erzählgruppe und konnte so sein altes Hobby wieder entdecken. Über die Portraits und einen gedrehten Videofilm, den sich die Bewohner gemeinsam ansahen, hatten sie die Möglichkeit, sich ganz neu und anders wahrzunehmen und sich selbst zu reflektieren.

Da das Erzählcafé sehr viel Anklang im gesamten Altenheim findet und es mir auch selbst sehr viel Freude bereitet, werde ich es auch über die Diplomarbeit hinaus zweiwöchig weiterführen.  Auf diesem Weg möchte ich auch andere Menschen motivieren, sich mit diesem Thema zu beschäftigen und ein ähnliches Projekt ins Leben zu rufen.

Wir haben das Jahr 1999, es ist von der Europäischen Kommission zum Internationalen Jahr der Senioren ernannt worden. Die Bevölkerung ist aufgerufen, sich den alten Menschen zu widmen und Angebote im Bereich Seniorenarbeit zu machen. Die Zahl der alten Menschen wird auf Grund der steigenden Lebenserwartung in Zukunft immer mehr ansteigen, so dass das Thema immer aktueller wird. Außerdem: Wir alle werden einmal alt und vielleicht auch hilfebedürftig. Auch wir wären sicherlich froh, wenn uns jemand zuhören würde und sich die Zeit nehmen würde, mit uns zu erzählen.

Für Tipps, Anregungen, Literaturhinweise usw. bin ich dankbar und gebe gerne nähere Informationen über meine Arbeit.

Ich würde mich freuen, auch andere Menschen kennen zu lernen, die ähnliche Projekte durchführen oder diese planen, um sich gegenseitig austauschen zu können.

Vielleicht kann dieser Bericht einen Anstoß zum Nachahmen liefern.

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letztes Update: 17.07.1999