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Sie wird im Jahr der staatlichen Einigung Italiens, am 31.
August 1870 in Chiaravalle in der Provinz Ancona in Italien
geboren.
Ihr Vater,
Alessandro Montessori (1832-1915), ist Finanzbeamter, die Mutter,
Renilde Montessori, geborene Stoppani (1840-1912), stammt aus
einer Gutsbesitzerfamilie und ist die Nichte des hervorragenden
Naturwissenschaftlers Antonio Stoppani, der sich durch liberale
Äußerungen zu Zeitfragen einen Namen gemacht hat.
Der Vater, eher einer kleinbürgerlichen Schicht zuzuordnen, sein
Vater ist Angestellter in einer Tabakhandlung in Bologna gewesen,
entwickelt deutlich konservative Züge. Hingegen ist die Mutter
hochgebildet und vertritt liberale Ansichten. Sie reagiert
Zeitveränderungen gegenüber aufgeschlossen.
Maria Montessoris Vater Alessandro hatte Arithmetik und Rhetorik
studiert und wird 1850 Angestellter in der Finanzbürokratie des
Vatikans. 1863 wird er Inspektor für die Abgaben der Salz- und
Tabakindustrie in der Finanzverwaltung der Romagna. In dieser
Funktion kontrolliert er 1865 in Chiaravalle die dortige
Tabakindustrie und lernt dort Renilde kennen. Sie heiraten 1866.
1873 wird Alessandro nach Florenz versetzt. 1875 wird er nach Rom
versetzt, wo dann das Ehepaar Montessori bis zu seinem Tod leben
wird.
Die Biographin Maria Montessori´s, Rita Kramer, schildert das
Ehepaar Montessori:
![]() Abbildung 1 |
"Sie waren
ein anziehendes Paar: Er mit lockigem, dunklem Haar und
einem dunklem Schnauzbart, sie rundlich, wie es Mode war,
rundäugig und mit sanften Zügen. Wenn sie in der Stadt
spazieren gingen, Alessandro in einem Straßenanzug,
geschmückt mit einer baumelnden Uhrkette, und Renilde in
wohlanständigem Schwarz, den Spitzenkragen mit einem
kleinen, goldenen Kreuz verziert und eine Rose, in den
auf dem Kopf hoch aufgetürmten Locken, erschienen sie
einem Bild der Achtbarkeit und Prosperität" (Prosperität
= Wohlstand, Blüte, Duden) |
![]() Abbildung
2 |
Renilde erzieht ihr einziges
Kind zur Selbstdisziplin. Auch soll Maria für arme Familien
stricken und ein behindertes Kind in der Nachbarschaft bei
Spaziergängen begleiten. Aussagen zur Kindheit Maria Montessoris
bieten ihre beiden Mitarbeiter: Anna Maccheronis, die sie 1907
kennenlernte und Edward M. Standing, den sie 1921 kennenlernte.
Maria besaß schon als Kind ein starkes Gefühl für persönliche
Würde und konnte andere Kinder durchaus verbal herabsetzen.
Außerdem soll sie auch schon als Kind eine friedensstiftende
Wirkung gehabt haben. Standing berichtet:
"Frieden zu stiften - und allen Benachteiligten zu helfen
- sollte ihr ganzes Leben lang ihr Hauptanliegen sein."
Als ihre Eltern sich stritten, soll Maria einen Stuhl
zwischen beide geschoben haben, sich darauf gestellt und die
Hände der Eltern ineinander gelegt haben. Sie soll, allen
Berichten nach, als Kind selbstbewußt, willensstark aber auch
selbstgefällig und deutlich Ichbezogen gewesen sein. Sie hatte
keine Geschwister und genoß die völlige Zuwendung ihrer Eltern,
was sicher auch zu der Entwicklung ihrer Charakterzüge beitrug.
Mit fünf Jahren zieht Maria mit ihren Eltern nach Rom, eine
Stadt, die durch anregende Atmosphäre fasziniert und wesentlich
bessere Bildungsmöglichkeiten bietet als die Provinz. Maria
wächst dann in Rom auf.
Sie scheint in der Grundschule
zunächst keinerlei Ehrgeiz zu haben. Standing berichtet von
einer Erinnerung Maria Montessoris aus der Schule:
"Eine unserer Lehrerinnen war von der fixen Idee
besessen, das Auswendiglernen von Lebensläufen berühmter Frauen
müsse uns zur Nachahmung anspornen. Jede ihrer Erzählungen
schloß mit der Mahnung: "Auch Ihr solltet nach Ruhm
streben! Möchtet ihr denn nicht berühmt werden?" -
"Oh nein" gab ich ihr eines Tages trocken zur Antwort,
"Ich will nicht berühmt werden. Ich habe viel zu viel
Mitleid mit den Kindern der Zukunft, als daß ich die Liste um
eine Biographie verlängern möchte.""
Die Klassen waren damals überfüllt und die LehrerInnen
schlecht ausgebildet. Die damaligen Schulen vermochten geistige
Kräfte nicht zu entwickeln und vertraten die Stock- und
Paukdidaktik. Es überrascht nicht, daß sich Maria trotz ihrer
hohen Intelligenz nicht auszeichnet. Allmählich sucht sie dann
doch den schulischen Erfolg. Sicher hat ihre Mutter hier eine
Rolle gespielt. Sie wollte für ihre Tochter eine
hochqualifizierte Ausbildung und spätere Berufstätigkeit. Maria
beginnt intensiv zu lesen und beschäftigt sich vor allem mit
Mathematik. Gegen Ende der Grundschulzeit nimmt sie das
Mathematikbuch sogar zu Theaterbesuchen mit, um es während der
Vorstellung zu studieren.
![]() Abbildung
3 |
Nach der
sechsjährigen Grundschule tritt sie mit dreizehn Jahren,
im Herbst 1883, in die "Regia Scuola Tecnica
Michelangelo Buonarotti" ein. Dies ist eine
naturwissenschaftlich - technische Sekundarschule mit
dreijähriger Unterstufe, der sich ein vierjähriger
weiterführender Kurs anschließt. Der Abschluß
berechtigt zum Hochschulstudium. Die Unterrichtspraxis
ist lehrbuchorientiert. Selbständiges Erkunden und
Erforschen von fachlichen Zusammenhängen gibt es nicht. Möglicherweise haben sich hier erste Aspekte eines Konzepts selbstaktiven Lernens bei Montessori herausgebildet. Denn Selbständigkeit und eigenes Tun ist ja zentrales Element ihrer Entwicklungspädagogik. Der Fächerplan ist modern: Dem dreijährigem Kurs mit Mathematik, Französisch, Buchhaltung, Geschichte, Erdkunde und eine Einführung in die Naturwissenschaften, folgt der vierjährige Kurs mit modernen Sprachen (Englisch, Französisch, Deutsch) Mathematik, Physik und Chemie, dazu kommen noch "kommerzielle Fächer". Aus dem Lehrbuch wird vom Lehrer vorgetragen, der Lehrbuchtext muß auswendig gelernt und im Gedächtnis behalten werden. Schulischer Unterricht ist präzise Reproduktion gespeicherten Wissens. Die Entscheidung für diese Schule war damals höchst ungewöhnlich. Mädchen gingen äußerst selten in die Sekundarschule und wenn dann auf das "Ginnasio", weil es gesellschaftlich brauchbare humanistische Allgemeinbildung vermittelte. |
Maria spielt mit dem Gedanken Ingenieur zu werden. Die Eltern
bevorzugen den Lehrerberuf als Ausbildungsziel. Doch die Mutter
stellt sich auf Marias Seite und unterstützt sie. Alessandro
Montessori sieht in dem Wunsch der Tochter eine Neuerung, die mit
seiner konservativen Weltanschauung nicht zu vereinbaren ist.
Kramer sieht in der Tatsache, daß Maria Montessori dieses
Drillsystem mit vorzüglichen Leistungen absolviert und trotzdem
später in kreativer Weise eine neue und weltweit rezipierte
Erziehungskonzeption zu schaffen vermag, zu Recht, einen
eindeutigen Beleg für die "Genialität" Maria
Montessoris.
1886 machte sie den Abschluß des dreijährigen Kurses mit guten
Leistungen in allen Fächern und besucht den weiterführenden
vierjährigen Kurs. Auch hier ist sie erfolgreich. Insbesondere
ihre Leistungen in Mathematik sind hervorragend. Gegen Ende der
Institutzeit ändert sich ihr Berufsziel. Sie will Ärztin werden
und Medizin studieren. Ihr Vater wird 1890 mit dem drängenden
Wunsch seiner zwanzigjährigen Tochter konfrontiert, Ärztin
werden zu wollen, obwohl der Arztberuf eine absolute Domäne des
Mannes war. Es gab in Italien keine einzige Ärztin. Sich ihm
gegenüber durchzusetzen gelingt ihr soweit, daß er das Studium
nicht verbietet, sich aber deutlich von ihr distanziert.
Sie führt mit dem Professor für klinische Medizin an der
Universität in Rom ein Gespräch, um die Zulassung zur Aufnahme
zu erreichen. Der Versuch endet negativ. Montessori soll nach dem
Gespräch gesagt haben:
"Ich weiß, daß ich Ärztin werde".
Das Medizinstudium bestand aus
zwei vormedizinischen naturwissenschaftlichen Studienjahren
(Botanik, Zoologie, Physik und Chemie) und aus vierjährigen
Kursen in Pathologie, Anatomie und klinischer Medizin. 1890
schreibt sich Montessori als Studentin der Mathematik, Physik und
Naturwissenschaften an der Universität Rom ein und konzentriert
sich auf die vormedizinischen Fächer. 1892 legt sie die Prüfung
auch in Latein und Italienisch mit sehr gutem Erfolg ab und
bekommt damit das Berechtigungszertifikat (Diploma di licenza) um
das klinische Studium der Medizin studieren zu können. Sie
stellt den Antrag und setzt sich für die Zulassung ein.
Kramer ist Zeitungsmeldungen nachgegangen, die behaupten, Papst
Leo XIII habe sich für die Zulassung von Maria Montessori
ausgesprochen.
Sie beginnt im Herbst 1892 das
Medizinstudium. Die Studienbedingungen gleichen der
Unterrichtspraxis in den Schulen. Prüfungen beziehen sich auf
Vorlesungen, deren Inhalt genauestens wiedergegeben werden
müssen. Man kann sich Skripte ausleihen und den Lehrstoff am
Semesterende aneignen.
Montessori lebt weiterhin bei Ihren Eltern, besucht die
Vorlesungen und arbeitet zu Hause ihre Notizen durch. Sie ist
nicht nur intelligent und fleißig, sondern auch dem Leben
außerhalb des Studiums nicht abgeneigt. Sie ist hübsch, kleidet
sich adrett, hat gepflegte Umgangsformen und ißt gerne.
Im Studium fällt sie in zweifacher Weise auf: Einmal als Frau
und als fleißige und lernbegierige Studentin.
Standing bringt dazu ein Beispiel, daß ihren Lerneifer
verdeutlicht:
Einen Bericht über einen Professor der Medizin, der während der
Studienzeit Montessoris Dozent war.
"An einem seiner Vorlesungstage tobte in Rom ein so
gewaltiger Schneesturm, daß alle Hörer wegblieben, bis auf
einen allerdings, und das war die "Hörerin". Als sie
sich nun allein im Hörsaal fand schlug sie dem Dozenten
bescheiden vor, die Vorlesung zu verschieben, wovon er aber
nichts wissen wollte, denn solcher Eifer mußte seiner Meinung
nach belohnt werden. Also hielt er seine Vorlesung wie immer -
nur diesmal vor einer einköpfigen Hörerschaft."
Ihre Mutter unterstützt Maria im häuslichen Studium. Ihr
Vater distanziert sich von ihr. Die Distanz ihres Vaters belastet
sie stark, aber glücklicherweise löst sich dieser Konflikt
gegen Ende des Studiums auf.
Maria Montessori schreibt
während ihrer Studienzeit einen Brief an Clara, den Rita Kramer
erschlossen hat. Er berichtet von den persönlichen Problemen der
jungen Medizinstudentin in der Anatomie und im Umgang mit dem
Menschen als Leiche. Die erste Vorlesung fand im
"Anatomischen Institut" statt. Montessori war
abgestoßen von den Skeletten, Organen und Eingeweiden, die in
Spiritus eingelegt waren. Die Leichen und die Knochen, mit
herabhängendem rosa Fleisch, machten ihr Angst und ihr wurde
schlecht.
Der Weg, ihr Ziel zu verwirklichen erschien ihr fürchterlich und
sie dachte daran, ihr Studium aufzugeben. Auch ihre Eltern rieten
ihr dazu.
Eine Szene aus ihrem Leben
wurde berühmt dafür, daß sie das Studium fortgesetzt hat. Die
Szene wird auch als Schlüsselerlebnis zur Begründung des
Studiums bezeichnet:
"Eines Tages war sie verzweifelt, daß sie sich dem
ungleichen Kampf nicht mehr gewachsen fühlte. Als sie an diesem
Abend die Anatomie verließ, war sie entschlossen, die Waffen zu
strecken und nach einem anderen, weniger steilen Pfad zu suchen.
Ihr Heimweg führte damals durch den um diese Stunde fast
menschenleeren Pincio-Park. Während sie noch über ihren
Entschluß nachgrübelte, kam sie an einer ärmlich gekleideten
Frau mit einem kleinen, etwa zehnjährigen Kinde vorüber. Die
unordentliche, schmutzige Person, offenbar eine gewerbsmäßige
Bettlerin, begann sogleich um Almosen zu flehen. Während die
Mutter ihr Klagelied sang, saß das kleine Wesen völlig
unbeteiligt am Boden und spielte mit einem bunten Papierfetzen.
Der Ausdruck glücklicher Selbstvergessenheit auf dem Gesichtchen
des mit ganzer Seele seinem wertlosen Spielzeug hingegebenen
Kindes, erregte in der zuschauenden Studentin ein Gefühl, daß
kaum besser als mit dem Vers Matthews Arnolds beschrieben werden
kann:
"Ein Riegel wurde in der Brust zurückgestoßen und ein
verlorenes Gefühl ward neu."
Ohne sich deuten zu können, was sie empfand, machte sie kehrt
und ging geradewegs in die Anatomie zurück. Von Stund an war ihr
Widerwille gegen die unsympathische Stätte erloschen und
erwachte niemals wieder. Als sie später einmal von diesem
Vorfall erzählte, sagte sie: "Erklären kann ich es nicht.
So ist es gewesen. Vermutlich kommt ihnen diese Geschichte
ziemlich dumm vor, und wenn Sie sie jemand erzählen, würde er
sie lächerlich finden.""
Die Szene gewinnt an Authentizität wenn man bedenkt, daß
Maria Montessori sich in ihren beiden letzten Jahren vor ihrer
Promotion zur Expertin für Kinderkrankheiten ausbildet und mit
kranken und geistig behinderten Kindern im Krankenhaus und in der
Psychiatrie Umgang hat.
Die spätere Theorie Montessoris lautet:
"Auch das leiblich - organisch gesunde Kind, kann
"krank" sein, das heißt nicht "normal" sein
und bedarf entsprechender Zuwendung und spezifischer Mittel, um
sich durch die eigenen Kräfte mit Hilfe der Mittel zu
normalisieren."
1894 gewinnt sie auf Grund
ihrer Leistungen in Pathologie einen Preis der Rolli - Stiftung
(Abteilung für Chirurgie) und 1895 einen Wettbewerb um eine
vorzeitige Assistentenstelle in der Klinik. Sie sammelt früh
praktische, klinische Erfahrungen. 1895 / 1896 arbeitet sie am
Frauenkrankenhaus "San Salvatore al Laterno" und am
Männerkrankenhaus "Ospedale Santo Spirito in Sassia"
als Hilfsassistenzärztin, außerdem in der Ambulanz des
römischen Kinderkrankenhauses und assistiert bei Operationen auf
der Unfallstation im Notdienst.
In den beiden Jahren vor dem Examen spezialisiert sich Maria
Montessori auf Kinderheilkunde und wird Expertin für
Kleinkinderkrankheiten. In der psychiatrischen Klinik sammelt sie
Material für die Doktorarbeit, die sich mit klinischen Problemen
des Verfolgungswahns beschäftigt.
Jeder Medizinstudent war verpflichtet im letzten Studienjahr vor
seinen Mitkommilitonen einen Vortrag zu halten.
Viele Zuhörer kamen nicht aus Interesse am Vortrag Montessoris,
sondern in der Hoffnung auf einen Skandal. Sie behandelte ihr
Thema ausgezeichnet, trug es brillant vor und faszinierte die
Zuhörer durch ihre Persönlichkeit.
Am Morgen des Vortrages trifft Allessandro Montessori in der
Stadt einen Freund, der ihn fragt, ob er denn nicht zu dem
Vortrag seiner Tochter geht. Der Vater, der das berufliche
Interesse seiner Tochter vollständig ignoriert, weiß nichts von
dem Vortrag, geht aber, nachdem er überredet wird, mit. Nach der
Vorlesung wird A. Montessori von vielen Menschen umringt, die ihn
zu seiner Tochter beglückwünschen.
Nach Standing hat sich die Entfremdung zwischen Vater und Tochter
in dieser dramatischen Szene gelöst.
1896 legt Maria Montessori
ihre Doktorarbeit zum Thema
"Contributo clinico allo studio delle Allucinazioni a
continuto antagonistico"
(Ein klinischer Beitrag zum Studium des Verfolgungswahns) vor,
eine Arbeit von 96 handschriftlichen Seiten. Sie erhält als
erste Frau Italiens das Promotionsdiplom. Ihre Leistungen sind
vorzüglich: Von maximal 110 Punkten erreicht sie 105. Ihre
Doktorurkunde muß handschriftlich umgeändert werden, denn der
Vordruck sieht nur männliche Absolventen vor. Trotz der
damaligen Ärzteschwemme sind die beruflichen Aussichten für
Montessori glänzend.
Ihr Abschluß wird groß gefeiert. Es ist eine Familienfeier, an
der auch der Vater voller Stolz teilnimmt, sowie auch Professoren
sie durch ihre Teilnahme am Fest ehren.
Die Presse Roms berichtet von der ersten "dottoressa"
Italiens. Sie steht jetzt in der Öffentlichkeit. In einem Brief
an Clara schreibt Montessori:
"Ich bin nicht berühmt wegen meines Könnens oder meiner
Klugheit, sondern wegen meines Mutes und meiner Kaltblütigkeit
gegen alles."
Sie eröffnet eine
Privatpraxis und wird auf Grund ihrer hervorragenden Leistungen
am Krankenhaus "San Giovanni", das der Universität
untersteht, als Assistenzärztin angestellt.
1896 nimmt sie am Internationalen Frauenkongreß in Berlin teil
und erregt durch Vorträge zur Frauenemanzipation in Italien
Aufsehen.
Im November wird sie Assistenzärztin in der Chirurgie am
Männerkrankenhaus "Ospedale Santo Spirito in Sassia".
Ende 1896 erscheint ihre erste medizinische Veröffentlichung in
einer Fachzeitschrift: "Sul significato dei cristalli di
Leyden nell´ asma bronchiale" (Die Bedeutung der Leydener
Kristalle bei Bronchialasthma)
1897 übernimmt sie eine Assistentur an der psychiatrischen
Klinik der Universität. Hier lernt sie Dr. Giuseppe Montesano
kennen, mit dem sie zur Ausbildung von Lehrern für geistig
behinderte Kinder eng zusammenarbeitet.
Am 31. März 1898 wird ihr
Sohn Mario geboren. Er ist das Kind der Beziehung zu Dr.
Montesano. Sie zieht das Kind nicht selber auf, sondern gibt es
zu Bekannten aufs Land, besucht ihren Sohn aber häufig.
1913 wird sie dann Mario zu sich nehmen und er wird ihr
zuverlässiger, ständiger Begleiter und der Organisator der
"Bewegung".
Nach Aussagen des Sohnes Mario war Montesanos Familie und vor
allem seine Mutter gegen die Heirat von Montesano und Montessori.
Montessori, die ihren Willen eigentlich immer durchgesetzt hat,
wird ihre Gründe gehabt haben, Dr. Montesano nicht zu heiraten.
Dem Sohn hatten sie auch gesagt, sie hätten einander
versprochen, niemals zu heiraten. Montesano habe dieses
Versprechen gebrochen und eine andere Frau geheiratet.
Kramer:
"Vor 75 Jahren hätte die Nachricht, daß sie ein
uneheliches Kind zur Welt gebracht habe, die Karriere jeder Frau
zerstört, sie hätte Maria Montessori sämtliche
Zukunftshoffnungen beendet, jede Möglichkeit, den Beitrag zu
leisten, den sie mittlerweile als den wahren Zweck ihres Lebens
ansah."
Da sie die Erfahrung missen mußte, ihr Kind zu versorgen,
wandte sie sich den Bedürfnissen anderer Kinder zu. Aus Liebe zu
ihrem Kind, wurde die Liebe zu allen Kindern. Um 1897 bis 1901
hat sich möglicherweise ein traumatischer Zusammenhang
entwickelt, bei der Abneigung gegen Montesano und dem Mann
überhaupt, gegenüber Sexualität und Leiblichkeit insgesamt. Es
erfolgt eine Kompensation ins Allgemein - Pädagogische. Der
Verzicht auf eine eigene Familie wird ausgeglichen durch die
familienähnlichen Beziehungen innerhalb der "Bewegung"
mit ihren engen Mitarbeitern, meist Frauen, die einen
kindähnlichen Status erhalten.
Maria Montessori gibt 1902 die Arbeit des Ausbildungsinstituts
und der Modellschule auf, an denen sie mit Montesano
zusammenarbeitete.
Die Jahre von 1896 bis 1906
sind für Maria Montessori eine wohl entscheidende Zeitspanne
gewesen. In dieser Phase vollzieht sich der Übergang von der
Medizin zur Pädagogik. Sie sieht nicht nur das organisch kranke
Kind als hilfsbedürftig an, sondern gelangt zu einem breiteren
Verständnis des devianten Kindes. Sie erkennt die Notwendigkeit
diesen Kindern zu helfen. Als Brücke zwischen beiden Bereichen
stand das behinderte Kind, dem sich sowohl die Medizin, als auch
die Pädagogik zuwendet.
Zwischen 1896 und 1909
studiert Montessori die Schriften von Jean Marc Caspard Itard und
Eduard Séguin.
Sie setzt sich auch mit den Theorien von Achille de Giovanni
(Medizinische Anthropologie) und Cesare Lambroso
(Kriminalanthropologie) und ihres Lehrers Giuseppe Sergi
(Pädagogische Anthropologie) auseinander. Von Sergi wird sie die
quantitativen Methoden exakter Messung der körperlichen
Entwicklung übernehmen.
![]() Abbildung
4 |
Auf dem nationalen
Ärztekongreß in Turin 1897 spricht Maria Montessori
über die Ursachen von Kriminalität und über den
Zusammenhang von Verbrechen, sozialer Not und fehlender
Schulreform. Auf dem nationalen Pädagogenkongreß 1898 fordert sie erneut die Beseitigung der sozialen Mißstände durch Schulreformen, insbesondere die Reform der Erziehung geistig behinderter Kinder. Ende 1898 wird Montessori Mitglied der Liga für die Erziehung behinderter Kinder. Hier entwickelt sie aus der Lektüre Itards und Séguins die Konsequenz einer Erziehung des Intellekts durch Schulung der Sinne. Im Kern ist damit schon die spezifische Methode Montessoris skizziert, die sie zu dieser Zeit mit behinderten Kindern praktiziert. Im Sommer 1899 reist sie im Auftrag der Liga zu Vorträgen nach Mailand, Padua, Venedig und Genua. Sie wird ins Kuratorium der Liga gewählt, ist deren Repräsentantin auf dem Frauenkongreß in Rom, hält Vorträge in London und wird von Königin Viktoria empfangen. |
Im Herbst 1899 erhält sie eine Dozentur am
Lehrerinnenausbildungsinstitut in Rom und liest über Hygiene und
Anthropologie. Sie macht sich mit der Geschichte der Pädagogik
und mit Erziehungstheorien vertraut.
Nach dem Bruch mit Montesano verläßt sie 1902 ihr Amt als
Leiterin des medizinisch - pädagogischen Instituts (mit
Modellschule zur Ausbildung von Lehrern für behinderte Kinder),
welches im Frühjahr 1900 eröffnet wurde.
Neben den übrigen Tätigkeiten beginnt sie ein Studium der
Pädagogik, Experimentalpsychologie und Anthropologie.
Auf dem zweiten nationalen Pädagogenkongreß in Neapel Ende 1902
stellt sie Séguins und ihre Methode heilpädagogischer Betreuung
vor. Seit 1904 hält sie Vorlesungen über Anthropologie und
Biologie am pädagogischen Institut der Universität Rom. (1904
bekam sie den Lehrstuhl für Anthropologie).
Von 1897 bis 1906 erscheinen weitere medizinische
Veröffentlichungen.
Noch vor der Eröffnung des ersten "Kinderhauses",
durch welches sie weltweit berühmt wurde, hat sie bestimmte
Materialien und eine spezifische Umgebung konzipiert, die sich
zum Großteil nicht mehr ändern, deren Grundgedanken sie später
jedoch ausweiten wird. Vor allem die Anwendung der
"Methode" im Grundschulbereich wurde außerordentlich
erfolgreich.
Sie baut einen Theoriezusammenhang auf, den sie in Vorlesungen
von 1904 bis 1908 entfaltet und in ihrem zweiten Buch "L´
Antropologia pedagogica" (Pädagogische Anthropologie) von
1910 darstellt.
Grundlage ihrer Methode ist die Beschreibung von Meßverfahren
und die Beachtung der Eigenaktivität des Kindes, außerdem eine
Konzeption der spezifischen Umgebung und spezifischer Materialien
sowie die Methode der Vermittlung dieser. Den Umgang mit der
Umgebung, Kriterien und Instrumente zur Erfassung der Wirkung
dieser Umgebung und schließlich eine anthropologische Konzeption
vom Wesen des Kindes, liegen schon weitgehend ausgearbeitet vor
der Eröffnung des Kinderhauses vor.
Am 6. Januar 1907 wird das
erste "Kinderhaus" (casa dei bambini) im römischen
Stadtteil San Lorenzo eröffnet.
Im Sommer 1909 hält
Montessori ihren ersten Ausbildungskurs über ihre Methode in
"Città di Castello" ab.
Im Anschluß daran verfaßt sie innerhalb eines Monats den Text
zu "Il metodo".
Das Erscheinen dieses Buches macht sie schlagartig berühmt. Es
wird in den nächsten Jahren in mehr als zwanzig Sprachen
übersetzt und erlebt 1912 in der englischen Fassung in den USA
einen überwältigenden Erfolg.
Die englische Ausgabe wurde in Höhe von 5000 Exemplaren
innerhalb weniger Tage vergriffen. In England wird die
Montessori-Gesellschaft gegründet und in den USA ein
Montessori-Komitee. In Rom hält sie den ersten internationalen
Ausbildungskurs ab.
1911 wird die Montessori Methode in englischen und argentinischen
Schulen praktiziert und in italienischen und schweizerischen
Volksschulen eingeführt. Modellschulen entstehen in Paris, New
York und Boston.
Am 20.12. 1912 stirbt Renilde
Montessori und seit dem kleidet sich Maria Montessori nur noch
schwarz.
Ihre erste Reise in die USA
unternimmt sie 1913 und dort gelingt ihr der internationale
Durchbruch.
Sie wird eine weltberühmte Frau, die erste Pädagogin von
internationalem Rang.
Es wird die amerikanische Montessori-Education-Society
gegründet.
![]() Abbildung
5 |
1.19
Zweiter Ausbildungskurs und Erscheinen des zweiten Buches
zur Methode
|
1917 hält sie Vorträge in
den Niederlanden, wo die niederländische Montessori Gesellschaft
gegründet wird.
Sie fährt zum dritten Mal in die USA.
1919 bis 1922 hält sie Vorträge in Amsterdam, Paris, Mailand
und Rom sowie in Neapel und Berlin.
1924 wird dann nach der
Begegnung mit Mussolini, dem Führer des italienischen Faschismus
(Machtübernahme 1922), die Montessori Methode in den
italienischen Schulen eingeführt und die Montessori Pädagogik
zur internationalen Erziehungstheorie Italiens. Die italienische
Montessori Gesellschaft (Opera Montessori) wird von der
faschistischen Regierung unterstützt.
1926 reist Montessori nach Südamerika und besucht Buernos Aires,
La Plata und Córdoba.
In Genf spricht sie über Erziehung und Frieden.
1929 wird der Association
Montessori Internationale (AMI) von Montessori und ihrem Sohn
Mario mit Sitz in Berlin gegründet. (Ab 1935 ist der Sitz in
Amsterdam).
Darüber hinaus findet in diesem Jahr der erste internationale
Montessori - Kongreß im dänischen Helsingør statt.
Der Zweite findet dann 1932 in Nizza statt und 1933 der Dritte in
Amsterdam.
Außerdem hält sie Kurse in London, Dublin und Barcelona ab.
Es ist das Jahr der
Machtübernahme Adolf Hitlers.
1933 zerstört der Nationalsozialismus dann die deutsche
Montessori Bewegung.
1934 findet der vierte internationale Montessori - Kongreß in
Rom statt.
Nach dem Konflikt mit dem italienischen Faschismus werden die
Montessori Schulen geschlossen, aber ihre Methode wird für die
mathematischen Bereiche angewandt.
Nachdem in Spanien 1936 der Bürgerkrieg ausbricht, verläßt sie
Barcelona und kehrt zurück nach Italien.
1936 findet der fünfte internationale Montessori - Kongreß in
Oxford und der Sechste in Kopenhagen statt. 1938 findet dann der
siebte Kongreß in Edinburgh statt.
Montessori verläßt um 1936
an Bord eines englischen Kriegsschiffes Italien und läßt ihren
gesamten Besitz zurück. Sie lebt bis 1939 in Amsterdam. Sie
verläßt dann Europa um bis 1946 in Adjar (Indien) zu leben. Die
Montessori - Bewegung bekommt auch in Indien großen Aufschwung
und wird von Ghandi und Tagore unterstützt.
1945 findet die allindische Montessori Konferenz in Jaipur statt.
Nach ihrer Rückkehr nach
Europa um 1946, gibt sie in London einen Ausbildungskurs, reist
dann nach Schottland und wird 1947 die "Opera
Montessori" in Italien neu gründen.
Es findet die Feier des ersten Jahrestages der Gründung der
ersten "casa die bambini" (Januar 1947) statt. Sie
plant die Eröffnung einer Montessori - Universität in Madras
und reist im Herbst 1947 nach Indien und 1948 nach Ceylon und
macht einen Ausbildungskurs in Pakistan.
1949 findet der achte internationale Montessori - Kongreß in San
Remo statt.
1950 unternimmt sie eine Vortragsreise nach Norwegen und
Schweden.
Danach reist sie zurück nach Italien und besucht Perugia,
Chiaravalle und Mailand.
1951 findet der neunte internationale Montessori - Kongreß in
London statt. Danach reist sie nach Tirol und gibt einen
Ausbildungskurs in Innsbruck.
Maria
Montessori stirbt am 6. Mai 1952 in Nordwijk aan Zee in den
Niederlanden und wird auf dem dortigen katholischen Friedhof
beigesetzt.
Abbildung 6 Grabstein Maria Montessori in den Niederlanden
Auf ihrem Grabstein steht geschrieben:
"Io prego i cari bambini, che possono tutto die unirsi a me
per la costruzione della pacé negli uomini e nel mondo"
"Ich bitte die lieben Kinder, die alles können, mit mir zusammen
für den Aufbau des Friedens zwischen den Menschen und in der Welt zu arbeiten"
Rom ist 1870 Hauptstadt des
geeinigten Italiens und erlebt zu dieser Zeit einen Bauboom.
Geplante Wohnbauten können auf Grund von Boden- und
Mietspekulationen nicht zu Ende gebracht werden, in den Ruinen
machen sich Kriminalität und Prostitution breit.
Im Stadtteil "San Lorenzo" macht sich diese Entwicklung
besonders bemerkbar. Bauten werden notdürftig saniert und
Familien der unteren Schicht zugewiesen. Damit die Miete
gesichert werden konnte, mußten auch die Frauen mitarbeiten,
deren noch nicht schulpflichtigen Kinder somit keine Betreuung
hatten.
Der Leiter der Sanierungsgesellschaft trat an Montessori heran,
mit der Bitte, eine geeignete Betreuungsperson zu finden. Da
Montessori schon lange beabsichtigte, ihre Arbeitsmethode von
"behinderten" auf "normale" Kinder zu
übertragen, nimmt sie die Stelle selbst an. Sie übernimmt die
Leitung der ersten "Casa dei bambini", die am 6. Januar
1907 eröffnet wurde.
Die Ausstattung ist ärmlich. Montessori besorgt eine
Aufsichtsperson für die 2 bis 6 jährigen ziemlich verwahrlosten
Kinder. Sie organisiert durch Spenden Tische und Stühle und
Materialien und betreut die Kinder. Sie leitet zwei Jahre lang
das Kinderhaus mit einer Gruppe von 50 Kindern und hat eine
Mitarbeiterin.
Durch den großen Erfolg des Kinderhauses wurden weitere in
Mailand und Anfang 1909 auch in der Schweiz gegründet.
Mit der Veröffentlichung des ersten Buches "Il metodo della
pedagogia scientifica applicato all` educatione infantile nelle
case die bambini" (Die Methode der wissenschaftlichen
Pädagogik angewandt in der Erziehung der Kinder im Kinderhaus)
von 1909 beginnt die internationale Ausbreitung von
Kinderhäusern und Montessori - Schulen.
In der 4. Auflage von "Il metodo" 1948 (The discovery
of the child/ Die Entdeckung des Kindes) beschreibt sie
ausführlich die Eröffnung des ersten "Casa dei
bambini".
Das besondere an diesem Kinderhaus war, daß sich die Kinder, in
kurzer Zeit, von verschüchterten, wilden, unbeholfenen und
weinenden Kindern in gesellige und mitteilungsfreudige Kinder
verwandelten. Es ergaben sich persönliche Beziehungen
untereinander. Sie zeigten außerordentliches Verständnis,
Aktivität, Lebhaftigkeit und Selbstvertrauen und ihre
Persönlichkeit entwickelte sich.
Montessori paßte die Umgebung im Kinderhaus genau der Größe
und den Bedürfnissen der Kinder an. Tische und Stühle wurden
den Kindern angemessen in der Größe.
Sie sind pflegeleicht, also von den Kindern selbst abwaschbar,
ebenso wie die Schränke für das Material und kleine Kommoden
mit Schubladen und kleine Waschtische.
Im Speisezimmer befindet sich kindgemäßes Geschirr und Besteck,
Bilder und Pflanzen und Möbel aus Holz vermitteln eine warme,
gemütliche und familiäre Atmosphäre.
Jedes Kind kann sich frei entfalten und gemäß seinen Impulsen
aktiv werden. Die Betreuung der Kinder hat neben dem Material
einen großen Einfluß auf die Kinder. Bei der Betreuung wird
besonders auf die Würde des Kindes geachtet, das Kind wird
respektiert. Es wird weniger gelenkt, es werden nur Anregungen
gegeben. Die eigentliche Erziehung geschieht durch die Umgebung,
die Materialien und die Tätigkeiten.
Die Erziehung Montessoris beschränkt sich bei der Einwirkung
Erwachsener auf das Kind, nur auf Hilfen , die vom Kind
gewünscht werden, außerdem auf Erläuterungen.
Die freie Wahl der Gegenstände und die sich dann vollziehende
Selbstaktivierung der kindlichen Kräfte sind entscheidend. Die
Kräfte können nach Montessori nicht gesteuert werden.
Das Sinnesmaterial ist so gestaltet, daß es dem Kind selbst die
Möglichkeit zur Überprüfung der eigenen Leistung gibt, die
Erfolgskontrolle durch den Erwachsenen wird überflüssig.
"So wird die gesamte Umgebung zu einem strengen Erzieher,
zu einem immer aufmerksamen Wachtposten. Jedes Kind empfindet
seine Warnungen, als stünde es ganz allein vor diesem
unbeseelten Lehrer.
Der größte Teil der Materialien besitzt also eine
"eingebaute Fehlerkontrolle". Dies trägt zur
Selbstsicherheit der Kinder bei, da ihnen niemand sagen muß:
"Das hast Du falsch gemacht, Du hast einen Fehler
gemacht". Wie freundlich auch immer man das einem Kind sagen
mag, es vermittelt ein Gefühl des Versagens, der Schuld und den
Vorwurf, den verantwortlichen Erwachsenen enttäuscht zu haben:
Ein demütigender Effekt. Unsere Materialien vermitteln kein
solches Gefühl der Scham; sie appellieren einfach an das Kind,
seine Bewegungen zu perfektionieren, seinen Blick zu schärfen,
aufmerksamer hinzuhören. Fehler verlieren so den Beigeschmack
des Versagens und werden positive Elemente der Entwicklung: Das
Kind wird mit der Tatsache vertraut, daß jedem
Vervollkommnungsprozeß Fehler innewohnen. Diese sachliche
Fehlerkontrolle führt das Kind dazu, bei seinen Übungen
überlegt, kritisch, mit einer an Genauigkeit immer stärker
interessierten Aufmerksamkeit, mit einer verfeinerten Fähigkeit,
kleine Unterschiede zu erkennen zu verfahren. So wird das
Bewußtsein des Kindes auf die Kontrolle der Fehler vorbereitet,
auch wenn diese nicht mehr stofflich oder sinnlich wahrnehmbar
sind."
Der/die LehrerInn ist geduldig und zeigt die Benutzung des
Materials ausführlich. Auch den eigenen Umgang des Kindes mit
dem Material beeinflußt sie nicht.
Montessori nennt dies die Respektierung der Eigenwürde und der
Selbstkraft des Kindes.
Wenn eine Idee weltweite
Anerkennung gefunden hat, also eine Bewegung geworden ist, die
ganze Länder beeinflußt, ergibt sich das Problem der
Übermittlung. Maria Montessori identifizierte sich vollständig
mit der Bewegung, mit ihrer pädagogischen Idee und ging in der
Bewegung völlig auf. Mehr noch: Sie war die entscheidende
Persönlichkeit in der internationalen Montessori - Bewegung.
Durch zahlreiche Ausbildungskurse in vielen Ländern bildet sie
Montessori - Lehrer aus, die selbst nicht ausbildungsberechtigt
sind.
Positiv ist dabei, sich die Ausbildungsfunktion vorzubehalten und
damit die Reinheit und Authentizität der Erziehungsmethode zu
sichern. Die Einheit und Homogenität ihres Werkes wurde so
überwiegend beibehalten.
Kramer hingegen bewertet diese Dominanz eindeutig negativ und
sieht darin eine unproduktive Erstarrung.
Negativ dabei ist sicherlich, daß die Weiterentwicklung im
Rahmen der Bewegung nicht möglich war. Ein negativer Nebeneffekt
der weltweiten Arbeit ergab sich, neben ihrem Nomadendasein,
durch die unüberschaubar gewordenen, nicht vollständig
veröffentlichten, literarischen Werke, wegen der Interessen
spezifischer Länder und verschiedener Standorte der
Ausbildungskurse.
Die Bewegung Maria Montessoris lebte von ihrem Wort, ihrer
Persönlichkeit und ihrem persönlichen Vortrag.
Von 1909 bis 1951 bildete sie
in ihren Kursen ca. 4000 bis 5000 Menschen aus. Nach der
bestandenen Prüfung erhielt man ein von ihr unterzeichnetes
Diplom, daß den Inhaber berechtigt, eine Montessori - Schule zu
eröffnen. Hat man dann zwei Jahre in dieser Schule gearbeitet,
bekommt man dies im Diplom bestätigt.
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Der Schüler in er französische Arzt Jean - Marc Gaspard Itard (1775 - 1838) führte als erster Erzieher die Beobachtung der Praxis durch. Er gilt als Begründer der Heilpädagogik. Insbesondere durch seine beiden Berichte über einen, in den Wäldern von Aveyron aufgewachsenen, sprachlosen elf bis zwölfjährigen Jungen, den er Victor nannte und den er zu erziehen und zu unterrichten versuchte, veranschaulicht er die Ideale der Aufklärungsepoche. Charakteristisch für die Zeit der Aufklärung ist es, jeden Menschen zu einem nützlichen Mitglied der Gesellschaft zu erziehen.Während im Mittelalter nur Armen- und Waisenkinder in "Industrieschulen" beschäftigt wurden, damit diese ihren Lebensunterhalt selbst verdienen und dem Staat nützlich werden, nimmt sich die Aufklärung auch der sinnes- und geistesbehinderten Kinder an. Sie werden hierdurch zur aktiven und produktiven Lebensführung befähigt. |
Der Schüler Itards,
Eduard Séguin (1812 - 1880), der zuerst Lehrer und dann
Arzt war, ging von Itards Versuchen aus. Unter
Veränderung und Ergänzung der Methode Itards, wandte er
diese an Kindern an und sammelte über einen Zeitraum von
zehn Jahren Erfahrung, die er in zwei Berichten
festhielt. Maria Montessori orientiert sich insbesondere am zweiten Hauptwerk Séguins: "Traitement moral, hygiène et éducation des idiots" (1846). Ausgangspunkt der heilpädagogischen Überlegungen Montessoris ist eine Beobachtung bei Besuchen in den römischen "Irrenanstalten". Sie ist 1897 Assistentin an der psychiatrischen Klinik und besucht Kinder in "Irrenanstalten", um sie zur Behandlung auszuwählen. Sie stellt fest, daß die Kinder in den Häusern in kerkerartigen Gewölben untergebracht werden. Auch haben sie keinerlei Spielzeug oder Gegenstände, mit denen sie sich haben beschäftigen können. |
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Maria Montessori sagt dazu:
"Ihnen zur Unabhängigkeit von der Hilfe anderer und zur
Menschenwürde zu verhelfen, das war eine Aufgabe, die so an mein
Herz apellierte, daß ich jahrelang nicht von ihr loskam."
Der entscheidende Gedanke bei Itard und Séguin ist die
"Physiologische Methode" (Séguin): Hierunter ist die
Einheit von Intellekt und Sinnestätigkeit bzw. Motorik und die
Aktivierung des Intellekts, die Einwirkung auf die Sinne und den
Bewegungszusammenhang zu verstehen.
Geistige Behindertheit äußert sich ja zunächst als
Sinnesschädigung. Die Aktivierung des Geistes geschieht daher
über die Übung der Sinne. Maria Montessori experimentiert an
der Modellschule mit sinnesaktivierenden Materialien. Sie
orientiert sich stark an Séguins Buch und beherzigt Itards
großartige Erfahrungen. Sie ließ ein besonders reichhaltiges
Lehrmaterial erstellen, wobei sie sich auf die Texte stützte.
Itard erfand für seinen Zögling eine eigene Methode des
Lesenlernens.
Er klebte einen roten
Kreis, ein blaues Dreieck und ein schwarzes Viereck auf
ein Brett und gab den Jungen drei Stück Pappe der
gleichen Größe, Form und Farbe, die er auf die Figuren
legen sollte. Von dieser Übung ging er zu
komplizierteren über und schließlich zu einem Satz von
Pappbuchstaben Das Sortieren und Ordnen zu gleichen
Paaren führte schließlich dazu, daß der Junge die
Buchstaben LAIT (franz. Milch) heraussuchte, wenn er
Milch wollte. Der Versuch des Lesens wird also mit manueller Tätigkeit gekoppelt. |
Dieser Zusammenhang spielt auch bei Montessori eine Rolle.
Montessori übernimmt Theorie und Praxis ihrer
"Lehrmeister" und führt zugleich über sie hinaus. Sie
verfeinert und systematisiert das Ganze der Materialien.
Es entsteht das "Didaktische Material".
Sie überträgt die Funktion der Materialien auf die
Normalerziehung. Denn sie entdeckt, daß der Umgang nicht -
behinderter Kinder mit diesen Materialien bei den Kindern eine
Veränderung herbeiführt: Eine "Explosion" sowie
"Konzentration" "die Normalisierung des
Verhaltens". Es gelang ihr, geistig zurückgebliebenen
Kindern, das Lesen und Schreiben in Schönschrift beizubringen.
Diese Kinder konnten dann in einer öffentlichen Schule zusammen
mit "normalen" Kindern eine Prüfung ablegen, die sie
auch bestanden. Sie stellte fest, daß glückliche und gesunde
Kinder in gewöhnlichen Schulen auf sehr niedrigem Niveau
gehalten wurden, da sie bei Prüfungen der Intelligenz von den
behinderten Kindern, die Maria Montessori gefördert hat,
eingeholt wurden. Montessori sieht das Problem der geringen
geistigen Lernfähigkeit "normaler" Schüler in der
ungenügend aktivierenden Umgebung der Schule selbst. Durch
Montessori erreichte man eine grundlegende Verbesserung
schulischer, aber auch vorschulischer Erziehungspraxis.
Itard entwickelte vor allem
zwei Prinzipien, die dann bei Séguin und vor allem bei
Montessori eine zentrale Rolle spielen.
(siehe bei Montessori
unterschiedlich große Einsatzzylinder, die der Schulung der
Augen dienen, das Unterschiede in der Ausdehnung erkennen muß.)
Itard: "Da von allen Sinnen der Gehörsinn derjenige ist, welcher hauptsächlich zur Entwicklung unserer intellektuellen Fähigkeiten beiträgt, ....(). Ich kam zu dem Schluß, daß man dieses Organ, um es zu wecken, gleichsam isolieren müsse ..(). Demzufolge verband ich Victors Augen mit einer dichten Binde und ließ an sein Ohr die stärksten und einander unähnlichsten Töne schallen. Meine Absicht war, sie ihn nicht nur zu Gehör zu bringen, sondern sie auch von ihm unterscheiden zu lassen." |
|
Einzelne Buchstaben
in Schreibschrift sollen mit verbundenen Augen über die
Fingerspitzen erkannt werden. Dies geschieht nur über
den angerauhten Weg, den die Finger ertasten, hier mit
der Erschwernis, daß die Buchstaben auf dem Kopf stehen. |
(siehe Montessoris
Farbtäfelchen, aber auch wieder Einsatzzylinder und
Sinnesmaterial des Gehörsinnes)
Farbtäfelchen mit acht
Grundfarben und jeweils acht Abtönungen sollen paarweise
zugeordnet werden.
Dies erfordert Konzentration.
Zur Unterscheidung verschiedener Dimensionen sind die
Einsatzzylinder, (Abbildung 10 Einsatz- zylinder Montessoris),
gedacht. Der Gesichtssinn wird angesprochen, gleichzeitig gilt
diese Übung als eine wichtige feinmotorische Vorbereitung zum
Schreiben. Das Kind faßt die "Knöpfe" der Zylinder
mit den drei Fingern an, die es später zum Halten des Stiftes
benutzt. Zehn Zylinder befinden sich in jedem der vier
Holzblöcke, was beiläufig auf das Zehnersystem hinweist.
Der/die LehrerIn zeigt dem
Kind die Übung, während es zuschaut. Dann probieren sie die
Übung gemeinsam.
Weil die Kinder nicht nur von Lehrern, sondern auch durch
Nachahmung von älteren Kindern lernen, werden in Montessori
Schulen altersheterogene Gruppen bevorzugt. So finden sich
häufig zwei bis drei Klassenstufen in einem Raum.
"In einer Montessori - Umgebung werden die Kinder in
gemischten Altersgruppen, die etwa drei Lebensjahre umfassen,
zusammengefaßt, also etwa die drei- bis sechsjährigen, die
sechs- bis neunjährigen und die neun- bis zwölfjährigen; wo
immer möglich, wird den Gruppen eine leichte Zugangsmöglichkeit
untereinander gewährt.
Eine der zweckmäßigsten Neuerungen, die unsere Schule
eingeführt hat, besteht meiner Ansicht nach darin, daß wir
Kinder verschiedenen Alters in Gruppen zusammenfassen, in denen
sie miteinander leben und lernen.
Da gibt es nicht nur auf der materiellen Ebene Hilfe, irgendwie
findet auch auf der Ebene der Handlungen und Gefühle wirklich
etwas statt. Ich glaube, eines Tages wird man verstehen, daß es
der Natur zuwider läuft, wenn man Kinder nach Jahrgängen
voneinander trennt - es schafft Langeweile und erschwert den
geistigen Austausch. Auch die intellektuelle Entwicklung wird
behindert, wenn Personen gleichen Alters separiert werden, denn
dies führt zu intellektuellem Wettbewerb, weil Erwachsene
häufig, um Unterschiede zwischen den Kindern auszumachen, dazu
Zuflucht nehmen, solche über und unter einem künstlichen
Durchschnitt herauszufinden.
Die gemischten Altersgruppen ermöglichen es, daß nicht nur
Wettbewerb verhindert, sondern auch Neid, Disziplinprobleme und
exzessive Abhängigkeit von Erwachsenen abgebaut werden. Die
sozialen Beziehungen der Kinder untereinander werden
verstärkt."
Bei den Materialien handelt es sich nicht um
"Spielzeug", mit dem Kinder gemeinsam spielen können
(Montessori nennt es Arbeitsmaterial). Sie stellen vielmehr
Hilfsmittel dar, die das Kind zu einer gegebenen Zeit benutzt, um
bestimmte Funktionen zu entwickeln. Der Unterricht in einer
Montessori Schule besteht zu einem großen Teil aus sogenannter
"freier Arbeitszeit" bzw. "Freiarbeit"
Es gibt
außer dem Sinnesmaterial und dem Sprachmaterial
auch mathematisches Material: Das
Multiplikationsbrett, das Hunderterbrett, das
Divisionsbrett und das Streifenbrett zur Addition
sowie die geometrischen Kreise. Darüber hinaus
gibt es einen "Binomischen Würfel",
für blinde Kinder mit Rillen gekennzeichnet, die
anderen Kinder orientieren sich an den Farben der
Würfelseiten. Die Vorbereitung zur Algebra wird
hierdurch schon im Kinderhaus spielerisch
angedeutet. |
Die geometrischen
Kreis sind beweglich und austauschbar. Sie dienen dem
anschaulichen Lernen der Bruchrechnung. Dazu gibt es
Aufgabenkarten, mit denen die Kinder Aufgaben gestellt
bekommen.
Séguin kannte auch bereits
die Übung, eine Jacke zuzuknöpfen und einen Schuh zuschnüren
zu müssen. Er ließ seinen Zögling Klötze in bestimmten
Dimensionen miteinander kombinieren und legen um dem Griff
Festigkeit zu geben.
Ein Nagelbrett, das mit Löchern durchbrochen ist, in die einige
Nägel genau passen, die das Kind hineinsteckt und herauszieht,
ist dafür gedacht, die Hand in Präzision zu üben.
Unähnliche Dinge werden durch Gegenüberstellung gelehrt.
Übungen, die üblicherweise mit den Augen gemacht werden, werden
mit den Fingern ausgeführt. Sitzen wird durch Stehen abgelöst.
Aufmerksames Schweigen wird durch das Ausstoßen von Lauten
ersetzt.
Zusätzlich gibt es auch Material zu den "Übungen des
täglichen Lebens". Die "Übungen des täglichen
Lebens" bestehen bei Montessori aus Schnürriemen binden,
Gürtelschnallen öffnen und schließen sowie aus kochen, putzen,
waschen, bügeln, u.s.w.. Die Kinder lernen dies schon im frühen
Alter, mit geeignetem kindgerechten Material, in der Größe an
das Kind angepaßt, um sie so zur Selbständigkeit zu erziehen.
Illustration from the 1916 cataloque of the "House of children" in New York City, one of the first manufacturers of Montessori education material |
Die Freiarbeit nimmt in der
Schule einen hohen Stellenwert ein. Die Räume müssen
entsprechende Weite haben (Bewegungsfreiheit/psychisch
wohltätige Wirkung). Das Kind kann sich im Klassenzimmer frei
bewegen und sich beschäftigen (Beschäftigungsfreiheit). Der
Raum muß auch die Möglichkeit der Isolierung bieten
(Absonderungsmöglichkeit einzelner oder einer Gruppe) Die
Umgebung ist ansprechend, wohnlich mit Pflanzen und Tieren
gestaltet. Die Einrichtungsgegenstände lassen sich nach Belieben
verschieben, solange die anderen Kinder nicht dabei gestört
werden (Gestaltungsfreiheit). Tische stehen in Tischgruppen
unterschiedlicher Größe, in der sich der Tisch des Lehrers
eingliedert, die Kinder dürfen entscheiden, mit wem sie arbeiten
wollen (Alleine, Partner- oder Gruppenarbeit).
An den Wänden stehen offene Regale , in denen Material zur
Selbstbildung steht. Das Kind darf das Thema selbst wählen, das
Material selbst wählen und darf auch von einem Klassenraum in
den anderen gehen. Die Klassen- bzw. Gruppenräume sind nicht
streng voneinander getrennt. ("Jede Gruppe hat ihre
Umgebung, ist aber nicht voneinander isoliert").
Damit es nicht zu Mißverständnissen führt: die Montessori -
Schule gibt den Schülern nur eine begrenzte Auswahl an Material,
die Kinder können nicht lernen, was sie wollen. Es gibt ein
vorgeschriebenes Programm. Es wird den Kindern so viel Freiheit
wie möglich, innerhalb des Rahmens, gegeben.
(Den Begriff "sensible
Phasen" hat Montessori 1917 von de Vries übernommen)
"Der holländische Gelehrte de Vries entdeckte die
Empfänglickeitsperioden bei den Tieren, und uns gelang es in
unseren Schulen, dieselben "Sensiblen Perioden" auch in
der Entwicklung der Kinder festzustellen und den Zwecken der
Erziehung nutzbar zu machen.
Es handelt sich um besondere Empfänglichkeiten, die in der
Entwicklung, daß heißt im Kindesalter der Lebewesen auftreten.
Sie sind von vorübergehender Dauer und dienen nur dazu, dem
Wesen die Erwerbung einer bestimmten Fähigkeit zu ermöglichen.
So bald dies geschehen ist, klingt die entsprechende
Empfänglichkeit wieder ab." 10
"Im Bezug auf das Menschenkind, ist von
besonderer Wichtigkeit: auf der einen Seite haben wir es mit
einem inneren Anstoß zu tun, der zu den bewunderungswürdigsten
Leistungen führt, auf der anderen mit Perioden einer
Gleichgültigkeit, die blind und leistungsunfähig macht. Auf
diese grundsätzlichen Entwicklungsstadien vermag der Erwachsene
in keiner Weise von außen her einzuwirken. Hat das Kind aber
nicht die Möglichkeit gehabt, gemäß den inneren Direktiven
seiner Empfänglichkeitsperioden zu handeln, so hat es die
Gelegenheit versäumt, sich auf natürliche Weise eine bestimmte
Fähigkeit anzueignen; und diese Gelegenheit ist für immer
vorbei." 10
"Das Erlernen einer neuen Sprache nötigt den
Erwachsenen zu harter Arbeit, und dennoch erreicht er niemals die
Vollendung, mit der er seine in der Kindheit erworbene
Muttersprache beherrscht.
Das Kind macht seine Erwerbungen in seinen
Empfänglichkeitsperioden. Diese sind einem Scheinwerfer
vergleichbar, der einen bestimmten Bezirk des Inneren taghell
erleuchtet, vielleicht auch einem Zustand elektrischer
Aufladung."10
"Ist die Phase vorbei, so können weitere
Errungenschaften nur mit reflektierender Tätigkeit, mit Aufwand
von Willenskraft, mit Mühe und Anstrengung gemacht werden."
"Stößt das Kind jedoch während einer
Empfänglichkeitsperiode auf ein Hindernis für seine Arbeit, so
erfolgt in der Seele des Kindes eine Art Zusammenbruch, eine
Verbildung." 10
Montessori beschreibt in ihrem Buch "Kinder sind
anders" ganz genau die "Sensiblen Phasen". Sie
erklärt, in welchem Alter Kinder für bestimmte Dinge
empfänglich sind.
Die erläutert sie anhand von Beispielen aus der Praxis. Sie geht
auch auf Anzeichen ein, die das Einsetzten der "Sensiblen
Phasen" erkennen lassen. Unter anderem hebt sie auch die
"Sensible Periode" des Ordnungssinns hervor. Sie stellt
mit einigen Beispielen die quälenden Konflikte, die in der
kindlichen Seele hervorgerufen werden, wenn das Kind im Umfeld
eine Unordnung der Dinge und der Personen wahrnimmt, vor.
Damit ist gemeint, daß alle
Lebewesen mit ihrer Umgebung, in einem wechselseitigen
Abhängigkeitsverhältnis stehen. Alle Lebewesen habe eine
"kosmische Mission auf der Erde". Wir sind alle Teil
einer "kosmischen Ordnung" und haben den Auftrag,
unsere Aufgabe zu erfüllen. Die Grundlage der Montessori -
Erziehung ist, daß wir Teil dieser "kosmischen
Ordnung" sind und die "kosmische Entfaltung" des
Kindes berücksichtigen sollten. Die Bedürfnisse eines jeden
lebenden Wesens sollen befriedigt werden. Wichtig ist ihr dabei
der Respekt vor dem menschlichen Wesen in allen Stufen seiner
Entwicklung.
Damit ist gemeint: Die
Aufmerksamkeit des Kindes ist auf eine einzige Sache gerichtet,
zum Beispiel auf die Handhabung eines bestimmten Materials. Diese
Konzentration bewirkt bei dem Kind eine sogenannte
"Normalisierung". Läßt man das Kind in Ruhe mit der
bestimmten vorbereiteten Umgebung, dann entwickelt es sich
"normal". Dazu gibt es ein berühmtes Beispiel, das
sich als Montessori - Phänomen bezeichnen läßt und in die
Geschichte der Pädagogik eingegangen ist.
Montessori erzählt eine Begebenheit von einem dreijährigen
Mädchen, das tiefversunken mit einem Einsatzzylinderblock
beschäftigt war:
"Zu Anfang beobachtete ich die Kleine, ohne sie zu stören, und begann zu zählen, wie oft sie die Übung wiederholte, aber dann, als ich sah, daß sie sehr lange damit fortfuhr, nahm ich das Stühlchen, auf dem sie saß, und stellte Stühlchen und Mädchen auf den Tisch; die Kleine sammelte schnell ihr Steckspiel auf, stellte den Holzblock auf die Armlehnen des kleinen Sessels, legte sich die Zylinder in den Schoß und fuhr mit ihrer Arbeit fort. Da forderte ich alle Kinder auf zu singen; sie sangen, aber das Mädchen fuhr unbeirrt fort, seine Übung zu wiederholen, auch nachdem das kurze Lied beendet war. Ich hatte 44 Übungen gezählt; und als es endlich aufhörte, tat es dies unabhängig von den Anreizen der Umgebung, die es hätte stören können; und das Mädchen schaute zufrieden um sich, als erwachte es aus einem erholsamen Schlaf - Mein unvergeßlichen Eindruck glich, glaube ich dem, den man bei einer Entdeckung verspürt." |
Der Text über die
"Rechte des Kindes" aus der Zeitschrift für Montessori
- Pädagogik "Das Kind" enthält zehn Grundsätze. Er
wurde mit der Genehmigung der deutschen UNESCO - Kommission
abgedruckt.
In groben Stichworten behindert er die Grundsätze,
Der Anspruch Montessoris ist
der, die Erwachsenen im Hinblick auf ihr Verhalten zu den Kindern
zu sensibilisieren und zu verändern. Sie kritisiert die
Erwachsenen vor allem in "Kind sind anders".
Sie beschreibt, wie schon direkt nach der Geburt das Baby unsanft
berührt, gewaschen, in Decken und enge Kleidung gehüllt,
grellem Licht und Kälte ausgeliefert und der Mutter fortgenommen
wird. Montessori hat hierzu ein Gedicht geschrieben (siehe
"Kinder sind anders", Seite 33 ff).
Das Verhalten der Erwachsenen beschreibt sie wie folgt:
"Der Erwachsene ist in
seinem Verhalten zum Kind egozentrisch - nicht egoistisch, aber
egozentrisch. Alles was die Seele des Kindes angeht, beurteilt er
nach seinen eigenen Maßstäben, und dies muß zu einem immer
größeren Unverständnis führen. Von diesem Blickpunkt aus
erscheint ihm das Kind als ein leeres als ein träges und
unfähiges Wesen, dem er jegliche Verrichtung abnehmen muß, als
ein Wesen ohne innere Führung, das der Führung durch den
Erwachsenen bedarf. Schließlich führt sich der Erwachsene als
Schöpfer des Kindes und beurteilt Gut und Böse der Handlungen
des Kindes nach dessen Beziehungen zu ihnen selbst. So wird der
Erwachsene zum Maßstab von Gut und Böse. Er ist unfehlbar, nach
seinem Vorbild hat sich das Kind zu richten, und alles im Kinde,
was vom Charakter des Erwachsenen abweicht, gilt als ein Fehler,
den der Erwachsenen eilends zu korrigieren sucht.
Mit einem solchen Verhalten
glaubt der Erwachsene um das Wohl des Kindes eifrig, voll Liebe
und Opferbereitschaft besorgt zu sein. In Wirklichkeit aber
löscht er damit die Persönlichkeit des Kindes aus."
Die Montessori - Methode ist
auf der ganzen Welt heute noch sehr verbreitet und es entstehen
immer mehr Montessori - Kinderhäuser und Montessori - Schulen.
Viele Straßen wurden nach ihr benannt. Um nur einige zu nennen:
Darüber hinaus gibt es viele
Schulen, Organisationen und Privatleute, die ihre Konzepte,
Satzungen und Referate weltweit im Internet anbieten.
Allein die Internetsuchmaschine ALTAVISTA bietet zu dem
Schlüsselwort "Montessori" genau 17.926 Verweise an.
Ein kleine Auswahl der "links":
(Diese Quellen habe ich unter
anderem bei der Recherche zum meinem Referat genutzt.)
Die Elemente der Montessori -
Pädagogik und das Material sind auch in "Nicht - Montessori
- Schulen" weit verbreitet.
Das Kultusministerium führte in allen Schulen Material ein, das
Montessori benutzte.
Die Umgebung nach Montessori ist eine gute Alternative zur
allgemeinen Reizüberflutung. Das Material überzeugt durch
Einfachheit, es ist übersichtlich geordnet und in nicht zu
großer Anzahl vorhanden.
Zusätzlich ist das Montessori - Material sehr gut für
behinderte Kinder geeignet.
Auch heute noch sollten sich Eltern, ErzieherInnen, PädogInnen
und LehrerInnen mit den Grundsätzen ihrer Methode befassen.
Immer noch werden die Bedürfnisse des Kindes zu wenig beachtet.
Außerdem besteht zu wenig Wissen und Sensibilität über die
Auswirkung des Verhaltens durch den Erwachsenen auf das Kind und
sein späteres Leben.
Literatur:
Helmut Heiland: Maria
Montessori,
Rororo (1996)
Renilde Montessori: Uns
drückt keine Schulbank,
Karin Schneider-Henn: Erziehung im Bild,
Klett-Cotta, Stuttgart 1983
Maria Montessori: Kinder sind
anders,
Klett-Cotter, Stuttgart 1952
Maria Montessori, Schule des
Kindes - Montessori Erziehung in der Grundschule, Hrsg.: Paul
Oswald & Günter Schulz-Benesch. Freiburg i. Br.
(Herder 1976, 2. Aufl. 1987)
Rita Kramer: Maria Montessori.
Leben und Werk einer großen Frau.
München (Kindler) 1977
Edward M. Standing: Maria
Montessori. Leben und Werk.
Stuttgart (Klett) 1959
Krenberger (Hg.): Edward
Séguin
Internet:
Montessori Network http://www.montessori.org
Montessori World Ltd. Http://www.montessori.co.uk
London Montessori Centre Online http://www.montessori.ac.uk
Stefan Seigel http://www.stepnet.de/privat/seigel/
Vorlesung:
Seminar Theorien und Modell der Sozialpädagogik, Klaus Tophofen
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last updated: 16.03.98